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Politik

Zwangsvereinheitlichung

Sturm Peter Kommentarbild App PROVISORISCH
Peter Sturm
15. August 2019

Indien soll endlich eine einheitliche Nation werden, sagt Ministerpräsident Modi. Wie das aussieht, erfahren aktuell die Menschen in Kaschmir. Die Region bleibt auch wegen Modis Politik ein Pulverfass, meint Peter Sturm.

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Narendra Modi
Indiens Premier Narendra Modi bei seiner Rede zum Unabhängigkeitstag vor dem Roten Fort in Neu DelhiBild: picture-alliance/AP Photo/M. Swarup

Narendra Modi hat sich in seiner Festansprache zum Nationalfeiertag selbst über den grünen Klee gelobt: Ihm sei innerhalb von 70 Tagen gelungen, was andere Regierungen in 70 Jahren nicht geschafft hätten. Das stimmt. Das Problem ist nur, dass man nicht weiß, was genau dem indischen Ministerpräsidenten da gelungen ist. Zunächst einmal ist festzuhalten, dass er es geschafft hat, die Region Kaschmir seit fast zwei Wochen von der Außenwelt abzuschneiden, soweit das technisch möglich ist. Das wäre nicht nötig, wenn Modis Politik dort populär wäre. Aber die Menschen in Kaschmir sind ihm nicht so wichtig wie die im Rest Indiens.

Verlust der Autonomie mit einem Federstrich

Am indischen Unabhängigkeitstag sprach Modi davon, dass Indien nun endlich "eine Nation" mit "einer Verfassung" werden könne. So etwas klingt in einem derart diversen Land irgendwie bedrohlich. Was genau schwebt Modi wohl vor?

Sturm Peter Frankenberger Frankfurter Allgemeine Zeitung
Peter Sturm ist Redakteur der Frankfurter Allgemeinen ZeitungBild: Frankfurter Allgemeine Zeitung

In Kaschmir bekommen die Menschen gerade eine Vorstellung davon, was es heißt, in Modis Nation zu wohnen. Sie haben ihre Autonomie mit einem Federstrich verloren. Es ist naheliegend, dass sich vor allem die Muslime nun diskriminiert fühlen, ungeachtet aller Positiv-Botschaften über Wohlstand und eine goldene Zukunft, die ihnen aus Delhi entgegenschallen.

Man sollte das Vergangene nicht idealisieren. Auch der jahrzehntelange Autonomiestatus hat Kaschmir keinen Frieden gebracht. Aber er war doch ein wichtiges Signal an die muslimische Bevölkerung. Nun wird alles mit Zwang vereinheitlicht. Es steht zu befürchten, dass viele Menschen den Traum Modis und der Hindu-Nationalisten mit dem Leben bezahlen müssen.

Pakistan, der andere Spieler im Kaschmir-Konflikt, empört sich über Modis Handstreich. Aber Ministerpräsident Imran Khan gibt sich verbal gemäßigt. Er weiß, dass sein Land militärisch dem Nachbarn nicht gewachsen ist. Wenn er nun dunkel die Gefahr einer "Reaktion" in der muslimischen Welt beschwört, sagt er einerseits die Wahrheit. Andererseits ist das aber ein durchsichtiger Versuch, sich, sein Land und dessen Geheimdienste schon vorsorglich von jeder Verantwortung freizusprechen, falls es wieder blutige Terroranschläge geben sollte.

China auf Pakistans Seite

Die einzig realistische Chance für Pakistan, Einfluss auf die Geschehnisse zu nehmen, besteht darin, das Thema auf die internationale Agenda zu setzen. Unterstützt wird es dabei von China. Indien dagegen betrachtet das alles als rein innere Angelegenheit. Ministerpräsident Modi verlor bei seiner Ansprache am Donnerstag kein Wort über das Nachbarland. So wird das nichts mit wirklichem Frieden in der Region - da hilft auch kein wortreiches Selbstlob.