Ungeklärte Fragen
3. Juli 2009Für die EU ist Nabucco die Hoffnung auf eine sichere Gasversorgung, die sie von Russland unabhängiger macht. Für die Türkei ist die Pipeline ein Trumpf in den Beitrittsverhandlungen mit der EU. "Wenn die Eröffnung des Verhandlungskapitels Energie blockiert werden sollte, dann werden wir unsere Haltung zu diesem Projekt noch einmal überdenken", sagte der türkische Premierminister Tayyip Erdogan Anfang Januar 2009 in Brüssel. Die Gaspipeline soll von Aserbaidschan über Georgien und die Türkei nach Österreich laufen.
"Aufgrund unserer geografischen Lage können wir einen erheblichen Beitrag zur Energiesicherheit Europas leisten", sagt Mithat Rende, ehemaliger Beauftragter für Energiefragen im türkischen Außenministerium. Die internationale Energieagentur habe ausgerechnet, dass Europas Gaskonsum bis 2030 um 70 Prozent ansteigen werde. Darum sei es für Europa wichtig, dass es für das Gas mehrere Routen gebe. 2013 soll die Pipeline fertig sein, die Verträge sollen demnächst unterschrieben werden.
Eine Pipeline ohne Gas?
Für die Europäische Kommission hat der so genannte südliche Gaskorridor höchste Priorität. Nach dem russisch-georgischen Konflikt im Sommer 2008 hätten die am Nabucco-Projekt beteiligten Investoren, Kreditgeber und Versicherer beinahe einen Rückzieher gemacht, weil die Lage in der Region auf einmal nicht so sicher schien wie so oft beschworen. Diese Gefahr scheint vorerst abgewendet, auch die acht Milliarden Euro, die für das Projekt nötig sind, sind aufgebracht.
Eine viel wichtigere Frage ist jedoch immer noch nicht gelöst: Woher soll das Gas eigentlich kommen, das in fünf Jahren in den österreichischen Ort Baumgarten fließen soll? Aserbaidschan kann nicht genügend Gas in die Röhre einspeisen, vom Iran will die EU nichts haben und andere Gas-reiche Anrainer wie Turkmenistan oder Kasachstan zögern noch, weil sie es sich nicht mit den Russen verderben wollen. Die russische Gasprom hat Turkmenistan nun auch einen besseren Preis pro Kubikmeter geboten als die Europäer.
Ungeklärte Fragen
Auch mit der Türkei ist noch einiges ungeklärt. Eine Geschäftsgrundlage fehle noch, sagt Hugh Pope, Istanbuler Bürochef der Nichtregierungsorganisation "International Crisis Group". "Wird die Türkei bloß Transitland für das Gas sein und entsprechende Gebühren bekommen? Oder wird die Türkei, was Ankara bevorzugt, das Gas von verschiedenen Ländern einsammeln und dann an Europa weiterverkaufen? Oder werden am Ende doch die Europäer die Pipeline kontrollieren?" Noch gebe es keine Antworten auf diese Fragen.
Dass die Türkei Nabucco tatsächlich als Druckmittel in den Beitrittsverhandlungen einsetzen wird, gilt allerdings als unwahrscheinlich – auch wenn die Verhandlungen wegen der ungelösten Zypernfrage Ende des Jahres auf Eis gelegt werden. Denn die Türkei braucht in dieser wirtschaftlich schwierigen Zeit Geld ebenso dringend wie die Europäer Gas.
Autor: Gunnar Köhne
Redaktion: Julia Kuckelkorn/Sandra Voglreiter