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'Die Linke'

Das Interview führte Geraldo Hoffmann16. Juni 2007

Deutschland hat eine neue Partei: 'Die Linke'. Über die Folgen der Fusion zwischen Linkspartei und WASG für die politische Landschaft Deutschlands sprach DW-WORLD mit Parteienforscher Klaus Detterbeck.

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Oskar Lafontaine auf dem GründungsparteitagBild: AP

DW-WORLD: Welche Folgen hat der Zusammenschuss aus Linkspartei und WASG für die deutsche Parteienlandschaft?

Klaus Detterbeck Bundestagswahl 05 Experte Porträtfoto
Parteienforscher Klaus Detterbeck

Klaus Detterbeck: Falls es der Linken gelingen sollte, sich bundesweit zu etablieren, hätte die SPD künftig bei allen Wahlen einen linken Konkurrenten, der sich vornehmlich mit den Themen der Sozial- und Wirtschaftspolitik auseinandersetzt. Dies wäre in der Tat eine wichtige Veränderung des Parteienwettbewerbs. Wir würden auch wieder eine größere Ähnlichkeit der Parteiensysteme in Ost und West sehen.

Ich bin aber weiterhin skeptisch, ob die Linke tatsächlich im Westen Fuß fassen kann. Sie wird aus meiner Einschätzung weiterhin eine stark auf Ostdeutschland gerichtete Partei bleiben, mit einigen wenigen Hochburgen im Westen, wie etwa im Saarland oder in Bremen.

Müssen die großen Volksparteien die neue politische Kraft fürchten?

Für die SPD ist eine starke Linke ein Problem, ohne Zweifel. Für die Union ist die Linke keine Bedrohung, weder in Bezug auf die Wähler noch auf politische Inhalte. Es mag der CDU/CSU sogar gelingen, Vorschläge der SPD dadurch zu diskreditieren, dass sie sie in die Nähe der Linkspartei stellt.

Wie sollten die Sozialdemokraten reagieren, die ja die größten Stimmverluste an die neue Partei zu befürchten haben?

Die SPD wird einerseits versuchen müssen, eine klare Abgrenzung zur Linkspartei zu finden, andererseits aber auch auf das eingehen müssen, was ehemalige SPD-Wähler an der neuen Partei attraktiv finden. Dies betrifft vor allem den Bereich des Wohlfahrtsstaates. Zwischen den beiden Parteien wird es einen Wettbewerb geben um die Besetzung des Themas soziale Gerechtigkeit. Nur wenn es die SPD versteht, ihren Anhängern klarzumachen, dass ihre Reformpolitik sozial gerecht ist, wird sie den Ansturm der Linken abwehren können, ohne Wähler in der politischen Mitte zu verschrecken.

"Die Linke" wird von den Populisten Oskar Lafontaine und Gregor Gysi geführt. Normalerweise haben Populisten nur Erfolg, wenn in der Gesellschaft etwas nicht stimmt. Was geht in Deutschland schief? Und hat Populismus hier eine reale Chance?

Die PDS ist spät, aber doch auf den Zug des Protestes gegen sozialpolitische Kürzungen aufgesprungen, vor allem im Osten. Die Wahlalternative wäre ohne die Agenda 2010 nicht entstanden. Die Linke greift somit Ängste in der Bevölkerung auf, steht aber auch für die Forderung nach einem starken Sozialstaat im traditionellen Sinne.

Wir finden solche Bewegungen auch in anderen europäischen Ländern, etwa in Skandinavien. Und es ist gut, dass diese Sorgen der Bürger ihren Platz finden – stellen Sie sich die Entfremdung der Ostdeutschen von der bundesdeutschen Politik vor, gäbe es nicht die PDS. Sicherlich mag man sich über die mitunter arg einfachen Konzepten der Linken ärgern, aber sie fordern zu dem auf, was die etablierteren Parteien zu oft vergessen: Den Bürgern zu erklären, warum eine bestimmte Politik gemacht wird, sich den kritischen Fragen zu stellen, und zu sagen, wohin die Reformen führen sollen. Der sozialpolitische Protest, den die Linke verkörpert, zwingt die Regierungsparteien, die tatsächlich verantwortliche Entscheidungen zu treffen haben, sich mit den Sorgen der Bürger stärker zu beschäftigen.

Und zu Lafontaine und Gysi: Das sind eben zwei die zwei Stars der Partei, sie können vieles an innerer Heterogenität des neuen Bündnisses überdecken und sie können nach außen wirken. Ohne die beiden sähe es ziemlich trübe aus um die Chancen der Linken, vor allem mit dem Versuch, sich in Westdeutschland zu etablieren. Gerade bei Lafontaine scheint mir die Gefahr groß, dass er den Bogen überspannt. Seine Reaktion auf den Tod der deutschen Soldaten in Afghanistan war an der Grenze des politisch Erträglichen.

Was bedeutet eine Stärkung der Linke für die rechtsextremen Parteien, für den Rechtspopulismus?

Ein Wettlauf um den authentischeren Protest gegen "die da oben“. Eine starke Linke wird es den Rechten erschweren, den Protest gegen wohlfahrtsstaatliche Reformen für ihre braunen Zwecke zu instrumentalisieren.


Klaus Detterbeck ist Experte für politisches System Deutschlands, vergleichende Analyse westlicher Demokratien, Parteienforschung und Demokratietheorie am Institut für Politikwissenschaft der Universität Magdeburg.