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Fußball als Brücke der Verständigung

Jochen Spangenberg19. Mai 2005

Fußball ist keine Nebensache. Er bewegt Geld und Menschen und öffnet Türen. Auch die Eisentore der Britischen Botschaft. Dort wurde die Fußball WM im deutsch-britischen Kontext diskutiert. DW-WORLD.DE war dabei.

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Brückenbauer zwischen Deutschen und Briten: Bernd ("Bert") TrautmannBild: dpa

Unter dem Motto "Fußball als Brückenbauer zwischen Deutschen und Briten" versammelten sich auf Initiative der britischen Botschaft Vertreter aus Sport, Politik, Wirtschaft, Kultur und Medien am 17. und 18. Mai 2005 in Berlin. Im Fokus der Veranstaltung: die Fußball WM 2006 in Deutschland und das Bestreben, dieses Großereignis zu einem unvergesslichen und für alle Teilnehmer positiven Erlebnis werden zu lassen.

"Wir wollen unseren Teil dazu beitragen, dass die Fußball-Weltmeisterschaft 2006 die beste WM aller Zeiten wird." Mit diesen Worten begrüßte der stellvertretende Botschafter des Vereinigten Königreichs, Hugh Mortimer, in seiner Berliner Residenz die aus Großbritannien und Deutschland angereisten Gäste, darunter zahlreiche Fanbeauftragte aus beiden Ländern. Bei Fischplatte, gefolgt von Rinderbraten und den dazugehörigen Getränken wurde das erste Eis zwischen den Teilnehmern gebrochen. Schnell entwickelten sich lebhafte Diskussionen rund um den Fußball.

Immer wieder Wembley 1966

Die Themen wechselten rasch: von der Vielfalt englischer Fußballgesänge über das WM-Ticketingsystem bis zur Angst der Briten vor dem Elfmeterschießen. Immer wieder ein Diskussionspunkt: das legendäre WM-Endspiel 1966 zwischen England und Deutschland im Londoner Wembley-Stadion. Hat der Ball beim 3:2 die Torlinie überquert oder nicht?

"Selbstverständlich war er drin. Ich war im Stadion und kann es bezeugen", so Botschafter Sir Peter Torry zu diesem wohl am häufigsten diskutierten Ereignis deutsch-britischer Fußballgeschichte. Bernd Schiphorst, Präsident des Bundesligisten Hertha BSC Berlin und Leiter des Berliner FIFA WM-Organisationskomitees, sah es anders: "Auch ich war im Stadion und kann versichern, der Ball war nicht drin." Gelächter allenthalben. Uwe Seeler, Ehrenspielführer der deutschen Nationalmannschaft, nimmt sich dem Thema ebenfalls an. Der Ball habe die Linie definitiv nicht überschritten, so Seeler. "Ich war ja schließlich auf dem Platz dabei und konnte es am besten sehen", bemerkt er mit einem Augenzwinkern. Und fügt sofort hinzu. "Aber England hat das Spiel verdient gewonnen und ist ein würdiger Weltmeister geworden." Ein wahrer Sportsmann, der sofort kräftigen Applaus erntet, und zwar sowohl aus der englischen als auch der deutschen "Kurve".

Kleine Schritte mit großer Wirkung

Im Zentrum der Diskussionen und Vorträge in der britischen Botschaft standen Ideen und Initiativen für einen reibungslosen, sicheren, friedfertigen und fröhlichen Ablauf der Fußball WM 2006. Sowohl Fanvertreter als auch WM-Organisatoren zeigten sich einig, dass alle an diesem Ziel arbeiten müssen, allerdings auch noch zahlreiche Anstrengungen erforderlich seien. Diese reichen von einem intensiveren Austausch der Sicherheitsorgane der Teilnehmerländer bis hin zum Vermitteln von Basis-Englischkenntnissen für Polizisten und Taxifahrer.

Auch besteht im Bereich Kennenlernen des jeweils anderen Landes und seiner Kultur noch ein großes Potenzial. Ein Vorhaben, das sich dieses Anliegen als Ziel gesetzt hat, ist das vom British Council initiierte Projekt "Dreams and Teams". Im Projektstrang "Young Leaders of Tomorrow" kommen Schüler aus Großbritannien und Deutschland zusammen und arbeiten gemeinsam an der Lösung spezifischer Problemstellungen.

Einen ähnlichen Ansatz verfolgt die Trautmann-Stiftung, benannt nach dem legendären deutschen Torwart von Manchester City, Bernd Trautmann, der vom ehemaligen Kriegsgefangenen zum Publikumsliebling und Helden des nordwestenglischen Clubs avancierte. Laut Stiftungsvorsitzendem Matthias Paskowsky sei die Geschichte Trautmanns, der im englischen Pokalfinale seines Clubs gegen Birmingham im Jahr 1956 fünfzehn Minuten vor Spielende einen Bruch des zweiten Nackenwirbels erlitt und das Spiel nach kurzer Behandlungspause bis zum Ende fortsetzte (Manchester gewann 3:1), "eine der eindrucksvollsten Geschichten überhaupt in der Welt des Fußballs".

Vor allem hat Trautmann in seiner Zeit bei Manchester City, für die er von 1948 bis 1964 insgesamt 545 Spiele bestritt, einen erheblichen Beitrag im Prozess der Aussöhnung und Verständigung der ehemaligen Kriegsgegner geleistet. In Anerkennung seiner Verdienste um die deutsch-britischen Beziehungen wurde Trautmann im Oktober 2004 von Königin Elisabeth II. zum "Honorary Officer of the Most Excellent Order of the British Empire (OBE)" ernannt. Grund genug, so Paskowsky, die Stiftungsarbeit in diesem Sinne voranzutreiben und insbesondere Jugendlichen durch den Fußball eine Plattform zu geben, über die sie zueinander kommen können.

Sicherheit hat oberste Priorität

Natürlich waren auch Gewalt und Hooligans Themen der Vorträge und Diskussionen. Ein breiter Konsens bestand darin, dass es sich dabei um Randerscheinungen handle, die zudem auf englischer Seite in den vergangenen Jahren zurückgegangen sind. Leider jedoch, so Mark Perryman von den "LondonEnglandFans", sei die Berichterstattung über derartige Ereignisse in der Regel überproportional hoch.

"Manchmal fördert der Fußball die hässlichsten Arten des Nationalismus zutage", bekennt auch Perryman. Auch deshalb sei es oberste Priorität sowohl seitens der Veranstalter als auch seitens der Fanbeauftragten, diese hässlichen Begleiterscheinungen möglichst komplett zu unterbinden. Mit einem allumfassenden Patentrezept konnte jedoch keiner der Anwesenden aufwarten. Dennoch, so Göttrik Wewer, Staatssekretär im Bundesinnenministerium, sei die Gewährleistung der Sicherheit während der WM das zentralste Anliegen aller Bemühungen seitens der Organisatoren.

Der Countdown läuft

Abschließend bekräftigten alle Beteiligten, ihren jeweiligen Beitrag leisten zu wollen, damit die WM 2006 ein fröhliches und stimmungsvolles Fußballfest werden kann. Etwas mehr als ein Jahr verbleibt noch bis zum Beginn der 18. Fußball-Weltmeisterschaft. Dann sind die Augen der Welt einen Monat lang auf Deutschland gerichtet.

Uwe Seeler mit Bert-Trautmann-Award ausgezeichnet
Uwe Seeler hält seine Dankesrede nach der Auszeichnung mit dem Bert-Trautmann-Award in der Britischen Botschaft, BerlinBild: Jochen Spangenberg/DW

Uwe Seeler wünscht sich, dass ab dem 9. Juni 2006 sowohl Spieler als auch Fans seiner Lebensmaxime folgen werden, die er nach der Entgegennahme des "Trautmann Award" verkündete. "Gewinnen wollen und verlieren können." Nach diesem Motto, so der 68-jährige, habe er sein gesamtes sportliches Leben ausgerichtet. Wenn dies alle beherzigen und auch die Leistung des Gegners akzeptiert werde, meint Seeler, stehe einem wunderbaren Fußballfest nichts mehr im Wege.