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"Schröpfen viel intensiver einsetzen"

Stefan Nestler11. August 2016

Schwimmstar Michael Phelps gewinnt in Rio Gold in Serie - mit großen roten Flecken am Oberkörper. Sie kommen vom Schröpfen. Sportwissenschaftler Ingo Froböse erklärt im DW-Interview, was die Methode bringt.

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Michael Phelps mit Flecken vom Schröpfen. Foto: Getty Images
Bild: Getty Images/A. Bello

DW: Herr Froböse, Schröpfen ist eine uralte medizinische Therapie, mehr als 5000 Jahre alt? Bringt das überhaupt etwas im Leistungssport?

Ingo Froböse: Wir müssen beim Leistungssport davon ausgehen, dass wir hochbelastete Gewebe-Strukturen haben. Phelps hat die Flecken vom Schröpfen insbesondere im Bereich des Oberkörpers, wo er hoch beweglich sein und seine Kraft entfalten muss. Ich kann mir schon vorstellen, dass es etwas bringt. Höchste Belastung, etwa im Training, führt immer auch zu Gewebezerstörungen, es kommt zu entzündlichen Prozessen. Und das führt sehr oft zu Verklebungen und Reizungen von Gewebe. Durch die Schröpfung, eine ganz einfache mechanische Art und Weise, helfe ich dem Körper, diese Verklebungen aufzulösen, Strukturen wieder besser zu durchbluten und dementsprechend auch eine höhere Leistungsfähigkeit zu garantieren.

Das russische Staatsfernsehen hat den Effekt des Schröpfens - bessere Durchblutung, schnellere Regeneration - mit jenem der verbotenen Substanz Meldonium verglichen. Ist das Quatsch?

Ich würde auch sagen, es wäre für mich ein Wunder, wenn es so sein sollte. Aber ich bin mir sicher, wenn man Schröpfen richtig ansetzt, wenn es ein Profi macht und man den Effekt auch wirklich ausschöpft, dann hat das zwar mit Doping überhaupt nichts zu tun, aber es ist eine alte naturheilkundliche Methode, die Sportler wieder sehr viel intensiver einsetzen müssten.

Braucht man dazu wirklich ärztliche Hilfe oder ist es eher eine Do-it-yourself-Methode?

Ich glaube, es muss in gute Hände. Es muss kein Arzt sein, aber ein versierter Mensch, der sich mit physikalischen Methoden auskennt. Früher hatte man die medizinischen Bademeister, die konnten das. Physiotherapeuten können das aber heutzutage auch. Es braucht eine Grundkompetenz. Es darf auf keinen Fall in die Hände eines Laien.

Rücken mit Flecken und Flaschen zum Schröpfen. Foto: dpa-pa
Nichts für LaienBild: picture-alliance/Imaginechina/Luo Xinghan

Michael Phelps erschwimmt sich in Rio Goldmedaillen in Serie - mit roten Flecken am Körper. Wird es jetzt einen neuen Boom fürs Schröpfen unter Leistungssportlern geben?

Wenn ich mir den Fitness-Trend Faszien-Rollen [Schaumstoffrollen, über die man rollt, um Verklebungen des Bindegewebes zu lösen - Anm. der Redaktion] anschaue, was im Augenblick fast jeder Spitzensportler macht, kann ich mir schon vorstellen, dass die Nachfrage deutlich steigen wird. Ich freue mich, dass es so geschehen ist, weil traditionelle Verfahren, die wir schon immer gekannt haben, endlich wieder neu ins Blickfeld geraten. Ich glaube nicht, dass es ein neuer Trend wird, aber es wird eine höhere Sensibilität für diese Methode geben und dementsprechend auch eine höhere Akzeptanz.

Müssen wir uns darauf einstellen, demnächst auch einen Usain Bolt mit roten Flecken vom Schröpfen zu sehen?

Bei ihm würde es natürlich nicht so sichtbar wie bei Phelps, weil er eine dunklere Haut hat. Aber wenn er Verklebungen hat, dann muss sich sein Physiotherapeut überlegen, mit welchen Maßnahmen er dagegen vorgeht. Früher hat man Stäbchen-Massage [Druckmassage mit kleinen Holzstäbchen auf bestimmte Akupunkturpunkte - Anm. der Redaktion] gemacht, heutzutage benutzt man Faszien-Rollen. Aber wenn man an Punkte denkt wie das Schultergelenk, wo es schwierig ist zu rollen, kann ich mir das Schröpfen durchaus vorstellen. Der Spitzensportler macht alles, was seine Leistung optimiert. Und wenn es eben das Schröpfen ist, ist es dem Sportler auch egal. Hauptsache, es bringt etwas.

Sporthochschule Köln Professor Froböse
Professor Ingo FroböseBild: Deutsche Sporthochschule/Monika Sandel

Professor Ingo Froböse, geboren 1957, ist Sportwissenschaftler und leitet das Institut für Bewegungstherapie und bewegungsorientierte Prävention und Rehabilitation an der Deutschen Sporthochschule in Köln. Während seiner Studienzeit war Froböse als Leichtathlet aktiv. Bei den Leichtathletik-Halleneuropameisterschaften 1982 in Mailand erreichte er im 200-Meter-Lauf den vierten Platz.

Das Interview führte Stefan Nestler.