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Politik

Friedrich Merz will Deutschland führen

27. Februar 2020

Wohin steuert die CDU? Das wird vom künftigen Parteichef abhängen, der Ende April neu gewählt wird. Unter Friedrich Merz würde sie konservativer. Im Osten mögen sie das. Beobachtungen aus Thüringen von Sabine Kinkartz.

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Politischer Aschermittwoch - CDU Thüringen: Friedrich Merz
Bild: Getty Images/AFP/J. Schlueter

Karneval ist vorbei, auch wenn auf den Bürgersteigen und in den Rinnsteinen noch nasse Reste von Konfetti und Bonbonpapier liegen. So ist es auch in Apolda, einer kleinen Stadt im Bundesland Thüringen. Hier feiert die regionale CDU jedes Jahr am Tag nach Karneval ihren Politischen Aschermittwoch. Das ist ein politischer Schlagabtausch, zu dem auch andere Parteien in Deutschland ihre Anhänger traditionell einladen.

Zum 28. Politischen Aschermittwoch der CDU Thüringen sind in diesem Jahr besonders viele Gäste nach Apolda gekommen. Knapp 1500 strömen am frühen Abend in eine Halle in der örtlichen Brauerei. Normalerweise wird hier das Bier gelagert, jetzt stehen lange Tische und Bierbänke eng beieinander und auf einer Bühne spielt eine Blaskapelle. "Wir hätten in diesem Jahr locker 2000 Karten ausgeben können", freut sich Gastgeber Mike Mohring, der noch, aber nicht mehr lange, CDU-Vorsitzender von Thüringen ist. Die Wahl des neuen Ministerpräsidenten kostete ihn das Amt, nachdem die CDU im Landtag zusammen mit der rechtsradikalen AfD gestimmt hat. Ein Skandal, der für viel Wirbel gesorgt hat.

Politischer Aschermittwoch - CDU Thüringen:  Mike Mohring
Der - noch - Landesvorsitzende der CDU Thüringens, Mike Mohring in der Festhalle von ApoldaBild: picture-alliance/dpa/M. Schutt

Das eigentliche Zugpferd ist Merz

Der Andrang gilt an diesem Abend aber nicht nur Mike Mohring, der hier in seiner Heimatstadt nach wie vor hohes Ansehen genießt und keineswegs wie ein Verlierer auftritt. Die Zuschauer sind vor allem wegen Friedrich Merz gekommen. Der 64-jährige war vor vielen Jahren Fraktionschef der CDU im Bundestag, bevor ihm Angela Merkel den Posten wegnahm. Seitdem verbinden Merz und die Bundeskanzlerin eine heftige gegenseitige Ablehnung.

Jetzt will der Wirtschaftsanwalt CDU-Vorsitzender werden und Annegret Kramp-Karrenbauer beerben, die ihren Rückzug angekündigt hat. Erst am Dienstag hat Merz in Berlin seine Kandidatur bekannt gegeben. Mit großem Selbstbewusstsein. Groß ist auch sein Foto, das auf der Einladung zum politischen Aschermittwoch in Apolda neben einem Glas Bier und einem Teller mit Heringen, Rotkohlsalat und Kartoffeln prangt. Damit verbunden ist ein Versprechen: An diesem Abend soll es deftig zugehen, und das nicht nur kulinarisch.

Frühling ist nicht, weil die Krokusse da sind

Merz wird gefeiert, noch bevor er geredet hat. Die Blaskapelle spielt und die Zuschauer stehen, klatschen und johlen, als er in die Halle einzieht. "Dass mitten im Winter der Frühling da ist, liegt auch an dir, lieber Friedrich", ruft Mike Mohring von der Bühne herab und spricht damit vielen aus der Seele, die in Friedrich Merz die neue Hoffnung für die wankende CDU sehen. "Die Partei setzt auf dich!" Merz strahlt und freut sich sichtbar über so viel Zuspruch.

Im Osten hat der durch und durch konservative Christdemokrat viele Fans, das zeigt sich auch in Thüringen. Das liegt an seinen politischen Positionen, aber auch in seiner Abgrenzung gegen Angela Merkel. Hart hat er sie für ihre Flüchtlingspolitik kritisiert und das tut er auch jetzt wieder. Niemals wieder dürfe in Deutschland "das Wort vom Kontrollverlust jeden Tag in den Medien erscheinen". Die eigenen und auch die europäischen Außengrenzen müssten geschützt werden.

Europa muss zusammenhalten

Flüchtlinge sollten vor Ort in Syrien, aber auch in der Türkei besser versorgt werden. "Wir müssen uns da mehr engagieren, wir könnten mehr tun", sagt Merz und spricht explizit die "menschenunwürdigen" Zustände in manchen Flüchtlingslagern an. Wenn die Menschen nach Europa kämen, dann dürften die anderen EU-Staaten Griechenland und Italien nicht mit den Problemen allein lassen. "Dann ist es ein Problem von uns allen", sagt er.

Wenn Friedrich Merz über Außenpolitik spricht, dann wird etwas ruhiger im Saal. Doch es ist ihm wichtig, über die USA und über den wachsenden Einfluss Chinas zu sprechen. Das Land habe einen gewaltigen politischen Machtanspruch. "China hat eine Strategie, aber haben wir eine China-Strategie?" Die Deutschen dürften nicht ständig um sich selbst kreisen und denken, der Nabel der Welt zu sein. "Die Welt verändert sich in einem rasanten Tempo." Es müsse eine breite Diskussion darüber geführt werden, "wo wir in zehn Jahren stehen wollen und wie wir Schritt halten können".

Auch Russland ist ein Thema an diesem Abend. Europa und Deutschland müssten stärker auf das Land zugehen, auch wenn Russland das im Augenblick "sehr, sehr schwer" mache. Vielleicht werde das erst nach der Amtszeit des russischen Präsidenten Wladimir Putin erfolgreich sein. Ohne oder gegen Russland werde es aber auf Dauer keine politische Stabilität in Europa geben.

Deutschland hat den Rechtsextremismus unterschätzt

Knapp eine Stunde redet Friedrich Merz in Apolda und vieles von dem, was er zu sagen hat, würde auch in eine Regierungserklärung im Bundestag passen. Den Klimawandel beschreibt er als "ein riesiges, ein fundamentales Problem". Trotzdem dürfe nicht alles in Frage gestellt werden, "was unseren Wohlstand heute in Deutschland ausmacht". Deutschland müsse ein Industrieland bleiben, wenn auch anders als heute.

Politischer Aschermittwoch - CDU Thüringen: Friedrich Merz
Deftig geht es zu, beim Politischen Aschermittwoch, das ist in Thüringen nicht andersBild: picture-alliance/dpa/M. Schutt

Sehr deutlich wird Merz beim Thema Rechtsextremismus. Der ufere aus und werde immer gefährlicher. "Wir haben dieses Problem unterschätzt und wir müssen dafür sorgen, dass das aufhört." Für die Opfer des rechten Terroranschlags in Hanau fordert er Solidarität ein. "Das sind Landsleute von uns, das sind keine Fremden. Die müssen wir in den Arm nehmen."

Gegen Rechte, aber auch gegen Linke

Gegen Rechtsextremismus vorzugehen heiße auch, jenen, die ihn "verharmlosen, keine Hand zu reichen". Gemeint ist die rechtsradikale AfD. Die stehe "außerhalb des Verfassungsbodens", mit dieser Partei dürfe es niemals eine Zusammenarbeit geben. Das gelte - bei allen Unterschieden zwischen den beiden Parteien - aber auch für die Linke. Die habe mit der Marktwirtschaft "nichts am Hut" und auch nichts mit der Art, "wie wir Demokratie für richtig halten".

Da kocht der Saal. "Wenn wir hier in Apolda heute über den CDU-Vorsitz abstimmen würden, dann wärst du schon gewählt", ruft der CDU-Landesvorsitzende Mike Mohring. Doch die thüringische CDU ist klein und stellt auf dem Parteitag nur wenige Delegierte. Friedrich Merz ist trotzdem nicht bange. Im Gegenteil. Der Mann will führen und ist von sich vollkommen überzeugt. "Wenn die Wahl so ausgehen wird, wie ich denke", sagt Merz und es ist klar, dass er eine Niederlage ausschließt, "dann werden Armin Laschet und Jens Spahn natürlich in meinem Team sein." Der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen und der Bundesgesundheitsminister sind Merz' Konkurrenten. Ob er sie schon gefragt hat?