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Friedliebende Ökonomen

Oliver Samson10. September 2002

Die Wirtschaftspropheten sind sich einig: Ein zweiter Golfkrieg würde hierzulande die stotternde Konjunktur abwürgen. Doch welche Auswirkungen hätte ein Militärschlag auf die US-Wirtschaft?

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Ein US-Militärschlag könnte auch die Weltwirtschaft verwüstenBild: AP

Es ist eine Lieblingsthese von Stammtisch-Durchblickern: Amerikanische Kriege werden demnach vornehmlich geführt, um die US-Wirtschaft zu beflügeln. Eine These, die sich zum Mythos entwickelt hat. Ob eine amerikanische Intervention im Irak den USA wirklich wirtschaftliche Vorteile bringen könnte beurteilen die Analysten jedoch unterschiedlich. Ein Krieg würde die US-Wirtschaft zuerst und am härtesten treffen, meint Joachim Haß, Chefvolkswirt beim Bundesverband der deutschen Industrie (BDI). "Erfahrungsgemäß entwickeln sich die USA und der Dollar im Kriegsfall stärker", sagt dagegen Gerd Haßel von der ING BHF-Bank in Frankfurt.

"Erhöhter Risikofaktor"

Dass es mit den Prognosen so eine Sache ist, bedarf in Zeiten fast stündlich erhobener Wahlumfragen keiner Erklärung. Und Wirtschaftsprognosen bei dräuender Kriegsgefahr aufzustellen scheint fast eine Sache der Unmöglichkeit. Schon vor vier Monaten stellte der Internationale Währungsfond (IWF) seine Prognose des weltweiten Wachstums von 2,8 Prozent ausdrücklich unter Vorbehalt. Die Frage eines Krieges sei ein "stark erhöhter Risikofaktor", schrieben die IWF-Fachleute.

Die klassischen Krisensymptome

Ganz generell lässt sich sagen, dass die Analysten aller Banken sich nicht gerade als Anhänger der amerikanischen Kriegspläne bezeichnen. Besorgt registrieren sie schon jetzt die klassische Krisen-Symptome: der Goldpreis steigt, die ohnehin hypernervösen Aktienmärkte gehen weiter auf Talfahrt und als in den ersten September-Tagen Presseberichte über anglo-amerikanische Luftangriffe auf irakische Luftabwehrstellungen bekannt wurden, kletterte der Ölpreis auf das höchste Niveau seit den Terroranschlägen vom 11. September letzten Jahres.

Furcht vor der Waffe Ölpreis

Und es ist natürlich vor allem die Sorge um den Ölpreis, welche die Ökonomen momentan schlecht schlafen lässt. Wenn der Preis eines Barrels Rohöl für längere Zeit auf über 40 Dollar steige, drohe der Weltwirtschaft eine Rezession von mindestens eins bis zwei Jahren, unken die Pessimisten. Und dies könne durchaus der Fall sein, wenn die Förderstaaten den Ölpreis als Waffe einsetzen. Das einzige Land, welches Öl-Höchstpreise durch eigene strategische Reserven halbwegs auffangen könne, sei die USA, wie Norbert Walter, der Chef-Volkswirt der Deutschen Bank, gegenüber der Deutschen Welle klarstellte.

Mit den Bomben fiel der Preis

Dass ein Krieg mittelfristig aber auch genau den gegenteiligen Effekt auf den Ölpreis haben kann, zeigte sich im Golfkrieg. Nach der irakischen Invasion in Kuwait im Sommer 1990 schnellten die Ölpreise auf gut das Doppelte in die Höhe. Ein Barrel kostete somit 41 Dollar. Mit dem Beginn des Luftkrieges gegen den Irak fiel der Preis im Januar 1991 auf knapp über 20 Dollar. Mit dem Beginn des Bodenkrieges rutschte der Ölpreis dann sogar auf 17 Dollar ab - Öl war damit billiger als vor dem Konflikt. Der Weltmarkt schwamm aufgrund der erhöhten Fördermengen geradezu in Öl und in den USA waren die Benzinpreise so niedrig wie seit sieben Jahren nicht mehr. Die Rahmenbedingungen des Konflikts waren damals allerdings völlig anders: Die Förderstaaten waren aus politischen Gründen nicht gewillt an der Preisschraube drehen – und der Krieg war nur kurz.

Nicht viel zu gefährden

Darin sind sich die Analysten dann auch einig: Wenn es schon Krieg geben müsse, dann solle er von absehbarer Dauer sein. Nicht nur wegen der Sorge um den Ölpreis. Auch die in Krisenzeiten typische Investitionszurückhaltung von Managern und Verbrauchern würde in diesem Falle nicht ganz so verheerende wirtschaftliche Folgen nach sich ziehen. Der Konsumverzicht der Verbraucher werde laut Nikolaus Siegfried von der DEKA-Bank die US-Konjunktur stärker treffen. Aus einem einfachen Grund: „In Europa gibt es da gar nicht mehr viel zu gefährden.“