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Freihandel - aber nicht zu sehr!

Marc Koch28. Juni 2012

Chinas Premierminister möchte eine Freihandelszone mit den Mercosur-Staaten gründen. Gute Idee, findet der Mercosur. Doch für solch ein Projekt müsste der südamerikanische Staatenbund einiges ändern.

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Wen Jiabao und Cristina Fernandez de Kirchner in Buenos Aires (Foto: Reuters)
Bild: Reuters

Nach einem langen Abendessen im Präsidentenpalast demonstrierte der Gast Optimismus: Künftige Handelsbeziehungen, erklärte Chinas Premierminister Wen Jiabao der argentinischen Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner (beide im Artikelbild), würden jedenfalls nicht daran scheitern, dass man sich nicht persönlich kenne. Dass die wahren Probleme in Sichtweite der Casa Rosada liegen, überging Wen dezent: Im Hafen von Buenos Aires ankern chinesische Frachter, die ihre Ladung wegen der rüden argentinischen Importbeschränkungen nicht löschen können. Schon kurz vor Wens Reise nach Südamerika hatte eine hohe Beamtin des chinesischen Handelsministeriums ihr Missfallen über die Restriktionen kundgetan: "Das sorgt für ein instabiles Geschäftsklima und schadet chinesischen Unternehmen, die sich bei uns beklagen. Wir glauben, dass die Beschränkungen die Regeln der Welthandels-Organisation verletzen", sagte sie der argentinischen Zeitung Clarín.

Rasendes Wachstum

Premier Wen Jiabao kann es sich trotzdem leisten, die Lage relativ entspannt zu sehen: Südamerikanische Staaten reißen sich darum, mit den Chinesen Geschäfte zu machen. Schon jetzt ist China der wichtigste Handelspartner von Brasilien und Chile, in Argentinien steht das asiatische Land auf Platz zwei. Der Austausch von Waren und Kapital wächst rasant - und so soll es weitergehen: Wen möchte das Handelsvolumen mit dem Staatenbund Mercosur - dem Brasilien, Argentinien, Paraguay und Uruguay angehören - bis zum Jahr 2016 verdoppeln. Schon 2011 kaufte China bei den Mercosur-Staaten für 51 Milliarden Dollar ein und exportierte Waren im Wert von 48 Milliarden - eine Steigerung gegenüber dem Vorjahr um jeweils ein Drittel.

Container (Foto: Fotolia)
Der Warenaustausch floriertBild: Fotolia

Gemeinsam gegen die Krise

Mit seinem Vorschlag, eine gemeinsame Freihandelszone einzurichten, löste Wen Jiabao geradezu euphorische Reaktionen bei den Mercosur-Staatschefs aus: Für Argentiniens Präsidentin wäre ein solches Bündnis eine "historische Chance". Ihrer Ansicht nach haben die kriselnden Ökonomien in den USA und der Europäischen Union keine stabilen Lösungen mehr anzubieten. China hingegen biete die Möglichkeit zu neuen Kooperationen.

Brasiliens Staatschefin Dilma Rousseff sieht das ähnlich: "Angesichts der internationalen Krise, die noch eine ganze Zeit andauern wird, ist es wichtig, dass der Mercosur und China ihre Beziehungen vertiefen, um nicht ebenfalls in Schwierigkeiten zu geraten." Und der Direktor der argentinisch-asiatischen Handelskammer bemerkt ganz pragmatisch, dass es für China leichter sei, mit einem Staatenbund, der 200 Millionen Menschen repräsentiert, zu verhandeln, als mit jedem Land einzeln.

Dilma Rousseff und Wen Jiabao (Foto: Reuters)
Wen Jiabao mit Dilma RousseffBild: Reuters

Hinter der Begeisterung steckt natürlich auch Kalkül: Bisher kauft China in Brasilien und Argentinien hauptsächlich Rohstoffe, Lebensmittel und Soja. Eine gemeinsame Freihandelszone könnte für einen chinesischen Investitionsschub sorgen, dringend benötigte Technologien in die Länder bringen und so deren Industrie ankurbeln. Die Mercosur-Staaten wollen mehr sein als reine Rohstofflieferanten. Argentinien sieht in China einen potenten Partner für sein Erdölgeschäft: Der gerade unter skandalösen Umständen verstaatlichte Energiekonzern YPF braucht dringend Geld und Technik, um neue Ölvorkommen ausbeuten zu können. Und das kleine Uruguay lädt die Chinesen ein, beim größten Bauprojekt in der Geschichte des Landes mitzumachen: Präsident José Mujica möchte, dass sich die Asiaten an der milliardenschweren Konstruktion eines Tiefseehafens im Atlantik beteiligen - und lockt gleichzeitig mit der Aussicht auf  Öl- und Gasfunde vor der Küste.

Langer Weg

Trotzdem ist die Tür zu einer Freihandelszone noch lange nicht offen - und das liegt an den Mercosur-Staaten selbst. Gerade Argentinien und Brasilien müssten dazu ihre protektionistische Wirtschaftspolitik aufgeben. Beide Länder hatten vor Kurzem Maßnahmen erlassen, um die Flut chinesischer Waren einzudämmen. Gleichzeitig hat der Mercosur Uruguay verboten, Freihandelsabkommen mit Drittstaaten abzuschließen. Und dass Paraguay die Volksrepublik China diplomatisch nicht anerkennt, stattdessen aber Taiwan, dürfte die Sache auch nicht einfacher machen.

Logo des südamerikanischen Staatenbundes Mercosur
... im Visier der Chinesen!

Der Mercosur habe, spottet die argentinische Zeitung La Nación, solch ein Projekt bisher ja nicht einmal mit der Europäischen Union hinbekommen. Und die sei Südamerika geografisch, historisch und kulturell viel näher. Kennengelernt immerhin haben sie die Chinesen ja jetzt. Der nächste Schritt soll auf dem Mercosur-Gipfel am Freitag besprochen werden - übrigens ohne Paraguay, das wegen seiner Staatskrise ausgeladen worden ist.