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Freaks für den Herrn

Marcus Bösch15. März 2005

Radikale Ansichten und missionarischer Eifer: Die europaweite Jugendkultur der "Jesus Freaks" gibt sich fundamentalistisch fromm. Mit ihrer Jugendarbeit macht sie den Amtskirchen Konkurrenz.

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Ein etwas anderer ChristBild: jesus freaks
Sie nehmen keine Drogen, haben keinen Sex vor der Ehe und halten Homosexualität für eine Krankheit. Mit politischen Konservatismus wollen die Jesus Freaks nach eigenen Angaben aber nichts zu tun haben. Ihre Mitglieder würde man eher auf einem Musikfestival vermuten, als mit der Bibel unter dem Arm.

Einfach jesusmäßig

"Trotz Kreuzzügen, Hexenverbrennungen, langweiligen Kirchengottesdiensten und all dem pseudo-religiösen Getue steckt hinter der Sache mit Jesus etwas Wahres und sehr Phantastisches", erklären die Freaks auf ihrer Homepage. Was sich zunächst anhört wie die Botschaft verschrobener Jesus-Jünger, erweist sich bei näherer Betrachtung als freichristliche Arbeit an der Basis.

jesus freaks
jesus freaksBild: jesus freaks

Tobi Kaiser ist einer von rund 2500 deutschen Freaks. Der Regionalleiter Nordrhein-Westfalen ist 31 Jahre, Laienprediger in Köln und Freak aus Überzeugung. "Das ganze Leben jesusmäßig führen" lautet sein Credo. Für Tobi hat die Amtskirche "ihre Lebendigkeit verloren".

Rumlaufen, tanzen, abhängen

Statt strenger Liturgie gibt es bei den Jesus Freaks Köln den etwas anderen Gottesdienst. "Eigene Sprache, eigene Musik und das ganze in Wohnzimmeratmosphäre", so fasst Tobi das Szenario zusammen. Die Jesus Freaks treffen sich in einer ehemaligen Eckkneipe. Rumlaufen, tanzen oder einfach nur auf dem Sofa abhängen sind erwünscht. Bier mitbringen kann man auch.

"Die Jesus Freaks füllen das spirituelle Vakuum der Amtskirchen", behauptet Klaus Farin. Der Leiter des Berliner Archivs der Jugendkulturen hat ein Buch über die Jesus Freaks geschrieben. Sein Fazit: "Mit knalligen Events sind sie wesentlich erfolgreicher als die mitunter transusige Jugendarbeit der Kirchen."

Würdige Konkurrenz?

Ob christliches Trash-Metal-Konzert oder Tauf-Events im Fluss nebenan - die Jesus Freaks wissen, wie man jugendlicher Orientierungslosigkeit in Glaubensfragen sinnvoll begegnet. Kein Wunder also, wenn man bei der evangelischen Amtskirche nicht restlos glücklich über die Konkurrenz in Sachen christlicher Jugendarbeit ist.

Jesus Freaks
Bild: dpa

"Meinungsverschiedenheiten gibt es unter anderem bei der Taufpraxis und im Blick auf Stilfragen", sagt Reinhard Hempelmann von der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen. Aber das Engagement der Freaks im Sinne des christlichen Glaubens ist - seiner Meinung nach - "zu würdigen". Auch bei den Freaks sieht man trotz markiger Sprüche im Netz keine unüberwindbaren Gegensätze. "Ich bin froh über jeden, der in die Kirche geht", sagt Tobi.

Zeit also für eine neue ökumenische Bewegung? Inhaltlich sind Kirchenvertreter und Jesus Freak nicht so weit auseinander, wie man beim ersten Blick vermuten würde.