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Frauenaufstand oder leises Murren?

Michael Brückner28. August 2003

Margarethe von Trottas neuer Film "Rosenstraße" wird während der Biennale in Venedig vorgestellt. Der Film basiert auf einem lange vergessenen Ereignis aus dem Zweiten Weltkrieg.

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"Rosenstraße", Szene aus Margarethe von Trottas neuem Film

Ende Februar 1943 protestierten Berliner Ehefrauen öffentlich gegen die Verhaftung ihrer jüdischen Ehemänner. Als "Ereignisse in der Rosenstraße" oder – pathetischer - als "Aufstand der Frauen" sind diese Proteste mittlerweile in die Geschichte eingegangen. Es war die einzige öffentliche Demonstration im ganzen "Dritten Reich" gegen die Deportation von Juden.

Die "Fabrik-Aktion"

Plakat Rosenstrasse
Rosenstraße Regie und Drehbuch Margarethe von Trotta Co-Autorin Pamela Katz mit Katja Riemann Maria Schrader Jürgen Vogel Martin Feifel

Am 27. Februar 1943 begann in Berlin die so genannte Fabrik-Aktion, während der tausende Berliner Juden – zumeist Zwangsarbeiter in Rüstungsbetrieben - an ihren Arbeitsplätzen verhaftet wurden, um sie in die Vernichtungslager zu deportieren und zu ermorden. In verschiedenen Sammelpunkten wurden die Zusammengetriebenen innerhalb Berlins vorläufig interniert. So ein Sammelpunkt war unter anderen das ehemalige jüdische Altersheim in der Berliner Rosenstraße 2-4, ganz in der Nähe des Alexanderplatzes.

Sorge um den Ehemann

Gemäß der bis ins kleinste durchdeklinierten, perversen Rassendefinition der Nazionalsozialisten wurden die verhafteten Juden nach "Kategorien" aufgeteilt. Diejenigen, die in so genannten Mischehen mit "arischen" Frauen verheiratet waren, kamen in die Rosenstraße.

Doch das ließen sich deren Ehefrauen nicht so einfach bieten: Als sie davon erfuhren, strömten sie in die Rosenstraße, um sich nach dem Schicksal ihrer Männer zu erkundigen und um Lebensmittelpakete abzugeben. Auch nachdem sie dort abgewiesen wurden, kamen sie wieder – Tag für Tag. Schließlich wurden zur Abschreckung sogar Maschinengewehre in der Rosenstraße postiert. Die Frauen kamen trotzdem täglich, bis zum 6. März 1943. An diesem Tag wurden die mit "arischen" Frauen verheirateten jüdischen Männer wieder frei gelassen.

"Unliebsame Szenen"

Im Tagebuch des Reichspropaganda-Ministers Joseph Goebbels findet sich zu diesem Datum folgender Eintrag: "Es haben sich da leider etwas unliebsame Szenen vor einem jüdischen Altersheim abgespielt, wo die Bevölkerung sich in großer Menge ansammelte und zum Teil sogar für die Juden etwas Partei ergriff. Ich gebe dem SD (Sicherheitsdienst) den Auftrag, die Judenevakuierung nicht in einer so kritischen Zeit fortzusetzen."

Joseph Goebbels
Dr. Joseph Goebbels, German minister of propaganda, speaks to a crowd of 100,000 Germans in Zweibruecken on May 14, 1934. (AP Photo)Bild: AP

Mit der "kritischen Zeit" spielte Goebbels höchstwahrscheinlich auf den ersten schweren Bombenangriff der englischen Luftwaffe auf Berlin am 1. März 1943 an, der über 1000 Tote forderte.

Unsichere Erinnerungen

Was genau in den Tagen zwischen dem 27. Februar und dem 6. März 1943 in der Berliner Rosenstraße geschah, lässt sich nicht mehr mit letzter Sicherheit klären. Die Tagebuch-Aufzeichnungen von Goebbels waren von vornherein für die Veröffentlichung gedacht und können nicht immer wörtlich genommen werden. Und auch die Erinnerung von Zeitzeugen ist nie eine ganz zuverlässige Quelle. Zudem wollten einige Forscher unbedingt etwas Heldenhaftes finden, und stellten ihre Fragen entsprechend.

Was genau das Nazi-Regime dazu veranlasst hat, die in der Rosenstraße internierten Männer wieder freizulassen, also wie wichtig oder entscheidend der Protest der Ehefrauen gewesen ist, darüber gehen die Meinungen auseinander. Der mittlerweile in Harvard forschende Berliner Antisemitismus-Forscher Wolf Gruner kam im Zuge seiner Forschungen zu dem Schluss, die Gestapo hätte überhaupt nicht die Absicht gehabt, die in "Mischehen" lebenden Juden zu deportieren, der öffentliche Protest habe also keine Wirkung entfaltet.

Vor allem seien die Demonstrationen wohl sehr viel kleiner und stiller gewesen, als sie im Laufe der Erinnerungen und Nacherzählungen in den letzten Jahren geworden waren. Dennoch sei der Mut und die Standhaftigkeit der Frauen einmalig und bewundernswert zu nennen.

Der Liebesbeweis einer jeden Frau

Im Film steht der Heldenmut der Frauen im Vordergrund, Margarethe von Trotta sieht hier "ein vergessenes Wunder der Zivilcourage", dem sie ein filmisches Denkmal setzten möchte. Dabei stellt sie die standhafte Liebe der Frauen zu ihren Ehemännern ganz in den Vordergrund. In einem Interview für die Verleih-Firma Concorde Film sagte von Trotta daher auch, dass ihre "Rosenstraße" weniger Dokumentarfilm oder Historienfilm sondern ein Liebesfilm sei. Was sie an den Ereignissen in der Rosenstrasse fasziniert, sei "der einzelne Liebesbeweis einer jeden Frau".