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'Frauen in Schwarz' setzen in Kroatien Zeichen der Versöhnung

30. November 2006

Noch immer fällt vielen Serben das Eingeständnis schwer, dass 1991 in Vukovar Kriegsverbrechen begangen wurden. Die "Frauen in Schwarz" aus Serbien haben nun ein Zeichen der Versöhnung gesetzt.

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Ruinen zeugen bis heute von den Kämpfen in VukovarBild: Flickr

Vor 15 Jahren erlebte Kroatien eine äußerst schwarze Zeit. Im Krieg war nach dreimonatiger Belagerung durch die Serben der Widerstand der kroatischen Verteidigung durchbrochen und die Stadt Vukovar von Einheiten der JNA (Jugoslawischen Volksarmee) und serbischen paramilitärische Einheiten eingenommen worden. Das Ergebnis: 200 Verwundete und Zivilisten aus dem Vukovarer Krankenhaus wurden in Ovcara ermordet und einige tausend Menschen in Lager verschleppt. Im Kampf um Vukovar starben mehr als 1.600 Menschen, 2.500 wurden verwundet. 22.000 Kroaten und andere Nicht-Serben wurden aus ihren Häusern vertrieben. Auch heute noch stehen auf der Liste der Verschleppten und Verschwundenen 500 Namen aus der Region Vukovar.

Teilnahme an Gedenkmarsch

Beim diesjährigen Gedenktag setzte eine Gruppe von Frauen aus Serbien ein Zeichen für eine Versöhnung. 20 Vertreterinnen der serbischen Vereinigung "Frauen in Schwarz" beteiligten sich an einem Gedenkmarsch vom Krankenhaus zum Friedhof in Vukovar. "Mit Trauer und dem Gefühl der Scham erinnern wir uns an die Tragödie, die ihren Höhepunkt vor genau 15 Jahren erreichte. Wir erinnern an das erste in einer Reihe von großen und unentschuldbaren Verbrechen, die in unserem Namen begangen wurden. Wir erinnern daran, wohl wissend, dass das Verbrechen von Belgrad ausging. Normale Belgrader Bürger haben diejenigen mit Blumen begrüßt, die aus Vukovar ein neues Stalingrad gemacht haben. Einige ihrer Kinder brüllen leider auch heute noch in serbischen Stadien "Messer, Stacheldraht, Srebrenica".

Mit diesen Worten haben sich kurz vor ihrer Abreise nach Vukovar die "Frauen in Schwarz", einer Friedensorganisation, die in Belgrad und 20 weiteren serbischen Städten arbeitet, an die Öffentlichkeit gewandt. Ihre Botschaft an die Familien der Opfer des serbischen Angriffs auf Vukovar lautete weiter: "Wir werden alles in unserer Macht stehende tun, damit die Wahrheit über die in Vukovar und überhaupt in den Kriegen von 1991 bis 1999 begangenen Verbrechen in das Bewusstsein der Serben gerückt wird und das all diejenigen, die für diese Verbrechen gegen den Frieden und die Menschlichkeit verantwortlich sind, nach dem Gesetz bestraft werden."

Auf der Gedenkfeier in Vukovar sagte Vera Vujosevic, die Präsidentin der Vereinigung, weiter: "Die "Frauen in Schwarz" haben diese ganzen 15 Jahre dafür gekämpft, dass die Täter gefunden werden und die Verbrechen bestraft werden, ganz unabhängig davon, in welchem Umfeld und auf welchen Gebieten sie verübt wurden. Daran arbeiten wir heute noch, und deshalb sind wir auch hier, um mitzufühlen mit den Verwandten, Müttern und allen Freunden und um sie zu bitten, uns zu vergeben für das, was jemand in unserem Namen gemacht hat."

Zurückhaltende Reaktionen

Schweigend legten die angereisten Frauen ihren Kranz mit der Beschriftung 'Verzeiht uns, Frauen in Schwarz, Serbien' nieder. Ihre Geste stieß in der kroatischen Öffentlichkeit auf zurückhaltende Reaktionen, obwohl die "Frauen in Schwarz" seit Beginn der kriegerischen Gewalt auf den verbrecherischen Charakter des Milosevic-Regimes aufmerksam gemacht hatten, ebenso wie auf die ebenfalls aus ihrer Sicht verantwortliche Führung der orthodoxen Kirche und die Serbische Akademie der Wissenschaften und Kunst mit ihrer großserbischen Ideologie.

Der damalige Oberbefehlshaber der Verteidigung Vukovars, Mile Dedakovic Jastreb, meinte deshalb: "Ich muss sagen, es war schrecklich, und sie mussten viel Mut aufbringen, an diesem Tag zu kommen, unter uns zu sein. Aber sie sind gekommen, uns um Verzeihung zu bitten. Ich persönlich bin zufrieden, dass sie gekommen sind, und ich habe nichts dagegen, wenn sie auch bei künftigen Gelegenheiten kommen."

Im Gegensatz zum Fall Srebrenica gibt es für Vukovar noch keine offizielle Entschuldigung von serbischer Seite. So war dieser Besuch der "Frauen in Schwarz" ein wichtiges Signal der serbischen Zivilgesellschaft. Und auch an anderer Stelle setzen Frauen ein Zeichen: Natasa Kandic (Kanditsch), Direktorin der Belgrader Nichtregierungsorganisation "Fonds für humanitäres Recht", hat kurz vor diesem Gedenktag im Namen einer Gruppe von Frauen und Minderjährigen aus Vukovar in Belgrad Strafanzeige gegen den serbischen Staat gestellt. Sie sagte: "Ich bin überrascht, dass der serbische Präsident, der nach Srebrenica gegangen ist, dieses Thema noch nicht angesprochen hat. Noch immer redet er nicht öffentlich über Vukovar."

Tatjana Mautner
DW-RADIO/Kroatisch, 29.11.2006, Fokus Ost-Südost