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Frauen ans Pult!

Anne Stellpflug / mas27. August 2002

In deutschen Orchester-Gräben geben zumeist behaarte Männer-Hände den Ton an. Frauen haben es schwer, an Pult und Taktstock zu gelangen.

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Frau in einer Männer-Welt: Mainzer Generalmusikdirektorin Catherine RückwardtBild: staatstheater mainz

Die Musiker des Mainzer Staatstheaters stimmen ihre Instrumente für die letzte Probe vor dem 9. Sinfonie-Konzert in diesem Sommer. Dann wird es ruhig und eine Frau tritt vor das Orchester: die Dirigentin und Generalmusikdirektorin Catherine Rückwardt. Sie schaut in die Runde, lächelt und dann geht es auch schon los. Mit einfühlenden Worten und sicheren Gesten dirigiert sie ihr Orchester durch die Höhen und Tiefen der Sinfonie.

Catherine Rückwardt gehört zu den wenigen Frauen in Deutschland, die einen Posten in der von Männern dominierten Dirigenten-Bastion erobert haben. Seit der Saison 2001/2002 gibt sie am Mainzer Staatstheater den Ton an. Zuvor war die gebürtige Amerikanerin bereits als einzige Frau 1. Kapellmeisterin an einem großen deutschen Opernhaus - der Oper Frankfurt.

Ausnahmen von der Regel

So weit wie Frau Rückwardt schafft es im deutschsprachigen Raum allerdings selten eine Frau. Die wenigen weiteren Ausnahmen waren in jüngster Zeit Marie-Jeanne Dufour an der Zürcher Oper sowie Simone Young, die als Gast-Dirigentin an die Staatsopern von Wien und Berlin berufen wurde, bevor sie zur Generalmusikdirektorin der Oper in Sydney aufstieg.

Frauen spielen Querflöte in Universitätsorchester
Oftmals die Endstation für ambinierte Musikerinnen: ein Platz in einem UniversitätsorchesterBild: AP

Andere Frauen, die nicht von ihrem Traum-Job lassen möchten, können dagegen ein Lied von den Problemen singen, denen sie auf ihrem Karriere-Irrweg begegneten. Zu ihnen gehört auch Marieddy Rosetto. Die 43-jährige Mutter von drei Kindern studierte Dirigieren in Köln. In ihrer Dirigierklasse war außer ihr keine Frau, berichtet sie im Gespräch mit DW-WORLD. "Man hat [Frauen] von Anfang an davon abgeraten. Das hat keinen Sinn", habe man ihr gesagt. "Selbst wenn sie ihren Abschluss schaffen, dann werden sie keine Stellung kriegen."

Diese Vorhersage stellte sich für die gebürtige Brasilianierin bald als zutreffend heraus. Als sie sich beispielsweise auf eine Musikhochschulstelle bewarb, wurde sie zwar zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen. Was sie während des Gesprächs jedoch an Diskriminierung erlebte, ruft immer noch böse Erinnerungen in ihr wach. "Die erste Frage bei dieser Besprechung war: 'Was machen Sie mit Ihren Kindern, wenn Sie zur Arbeit gehen?'", schildert Frau Rosetto dieses Erlebnis. "Ich habe gesagt, ich lasse sie zu Hause, mein Mann ist Lehrer, der hat nachmittags frei. Da sagte der Professor, ich glaube nicht, das Ihre Kinder gut versorgt werden." Es stellte sich für die Bewerberin schnell heraus, dass das Gespräch kaum mehr als eine Formalie war, eine Pflichtveranstaltung, um die einzige Frau unter den Bewerbern zumindest eingeladen zu haben.

Unsinnige Vorbehalte

Für Catherine Rückwardt sind die Vorbehalte von Fachkollegen gegen Frauen als Dirigentinnen kontraproduktiv. Ihrer Meinung nach sind es gerade diejenigen Eigenschaften, die Frauen oft zugesprochen werden, welche ihnen beim Leiten eines Orchesters helfen können. Denn ein guter Dirigent lässt nicht einfach alle Musiker nach seiner Pfeife tanzen. Er – oder sie – benötigt Einfühlungsvermögen, Organisationstalent und einen gesunden, sensiblen Umgang mit Menschen.

"Frauen sind seit Jahrtausenden für die Sozialisation eines Menschen verantwortlich, die Frauen erziehen Kinder, die Frauen sind dafür verantwortlich, dass die Werte der Gesellschaft weiter propagiert werden", sagt Rückwardt und fügt gleich hinzu: "Ich denke, sehr viel davon hat mit Musik zu tun und mit Dirigieren. Es geht dabei auch um Werte und um Kommunikation zwischen Menschen." Weil viele Frauen diese Qualifikationen und Eigenschaften mitbrächten, so Frau Rückwardt, sollte ihnen auch die Chance gegeben werden, dies in ihren Beruf einzubringen.