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Kandidat gesucht

16. November 2006

Sie hat beste Chancen erster weiblicher Kandidat der Sozialisten für das Präsidentenamt zu werden: Ségolène Royal. Ihr schärfster innerparteilicher Konkurrent: Der frühere Finanzminister Dominique Strauss-Kahn.

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Eine Frau im Mittelpunkt des Interesses: Ségolène Royal
Eine Frau im Mittelpunkt des Interesses: Ségolène RoyalBild: AP

Die Parteibasis der französischen Sozialisten wählt am Donnerstag (16.11.2006) ihren Kandidaten für die Präsidentschaftswahl im Frühjahr 2007. Die größten Chancen in der Urabstimmung der Parteibasis werden der früheren Familienministerin Ségolène Royal eingeräumt. Nach jüngsten Umfragen kann sie in der ersten Runde mit 58 Prozent der Stimmen rechnen, deutlich mehr, als dem ehemaligen Finanzminister Dominique Strauss-Kahn prognostiziert wurden. Dieser kam in den Erhebungen auf 32 Prozent, Ex-Premier Laurent Fabius auf neun Prozent.

Wenn am Donnerstag niemand 50 Prozent oder mehr erreicht, kommt es am 23. November zur Stichwahl. Der Kandidat der Sozialisten (PS) trifft im April 2007 vermutlich auf Nicolas Sarkozy. Der Innenminister gilt als wahrscheinlicher Kandidat der konservativen Regierungspartei UMP. Doch auch Amtsinhaber Jacques Chirac erwägt nach Angaben seiner Frau eine dritte Amtszeit.

Ségolène Royal

Ségolène Royal
Ségolène RoyalBild: AP

Sie hat Charme, ist fotogen, überaus ehrgeizig und von kühl-strategischer Zielstrebigkeit: Ségolène Royal, 53-jährige Regionalpolitikerin und seit geraumer Zeit der Liebling aller Medien, will 2007 als erste Frau in den Elysée-Palast einziehen. Warum sie so sicher ist, dass die Genossen sie zur Kandidatin küren werden, formulierte die Mutter von vier Kindern und Partnerin des sozialistischen Parteichefs François Hollande mit dem ihr eigenen Selbstbewusstsein: "Ich kann als einzige gegen die Rechte gewinnen. Ich verkörpere diesen tief greifenden Wandel, den die Leute wollen."

Gegen den starken Widerstand aus dem Parteiapparat bewies Royal zumindest Durchhaltevermögen. So hatten viele geunkt, ihr werde im innerparteilichen Wahlkampf die Luft ausgehen. In den Debatten der Kandidaten wich sie dem traditionellen Kurs der Partei gerne aus, forderte strenges Vorgehen gegen schwer erziehbare Jugendliche und ließ sich vorwerfen, eine neokonservative Linke à la Tony Blair zu sein: "Ich fürchte mich doch nicht vor neuen Ideen."

Dominique Strauss-Kahn

Dominique Strauss-Kahn
Dominique Strauss-KahnBild: AP

Die Franzosen schätzen die Sachkompetenz und das ruhige Auftreten des früheren Wirtschafts- und Finanzministers. In den Monaten vor dem Votum der sozialistischen Parteimitglieder hat Dominique Strauss-Kahn erheblichen Boden gegen die in allen Umfragen führende Royal gut machen können. Der 57-jährige gelernte Anwalt aus Neuilly-sur-Seine bei Paris und deutlich sozialdemokratisch geprägte Kandidat der Sozialisten für die Nachfolge von Jacques Chirac würde seine Karriere gern als als Präsident der Republik krönen.

Strauss-Kahn hat sich als EU-Befürworter profiliert und auch für die von den Franzosen im Mai 2005 abgelehnte Verfassung der Union geworben. In den Debatten plädierte der nur kurz "DSK" genannt Wirtschaftsanwalt als einziger ganz nachdrücklich für den deutsch-französischen Motor. Als starker Mann in der linken Regierung von Premierminister Lionel Jospin hatte er vor sieben Jahren auch die Tiefen des politischen Geschäfts kennen gelernt. Im Namen der "politischen Moral" trat er als Antwort auf Korruptionsvorwürfe zurück. Später wurde ihm seine Unschuld bescheinigt.

Laurent Fabius

Laurent Fabius
Laurent FabiusBild: AP

Als Premierminister einer Linkskoalition mit den Kommunisten profilierte sich Laurent Fabius Mitte der 1980er Jahre mit einer Hinwendung zur Marktwirtschaft. Jetzt tritt der 60-Jährige als linker Flügelmann zur Kür des PS-Präsidentschaftskandidaten an und will den Markt zurückdrängen. "Ich stehe für eine offensiv antiliberale Linkspolitik", sagt Fabius. "Sozialismus heißt zu allererst Sozialpolitik". Fabius galt einst als brillianter Frontmann der Reformsozialisten.

1984 wurde Fabius mit 37 Jahren jüngster Premierminister Frankreichs und organisierte zwei Jahre lang eine Hinwendung zur Marktwirtschaft. 2000 bis 2002 war er noch einmal Wirtschafts- und Finanzminister. Beim Referendum über die EU-Verfassung im Mai 2005 kämpfte Fabius für ein Nein und riskierte die Spaltung seiner Partei. Jetzt umwirbt er Trotzkisten und Kommunisten mit dem Credo: "Gegen einen harten Finanzkapitalismus hilft kein weicher Sozialismus." Fabius setzt für seine Nominierung auf seine Verankerung an der traditionellen Parteibasis. Sein Linksschwenk weckt aber Argwohn. (kap)