Frankreich und Afrika: Abnabeln in Zeitlupe | Afrika | DW | 31.07.2020

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Frühere Kolonien

Frankreich und Afrika: Abnabeln in Zeitlupe

Seit 60 Jahren sind Frankreichs ehemalige Kolonien unabhängig - doch das nur auf dem Papier. Denn Frankreich zieht im Hintergrund weiter die Strippen. Kann aus Françafrique jemals Frankreich und Afrika werden?

Freiheit, Erleichterung, Hoffnung - dies dürften die Gefühle von Millionen von Afrikanern gewesen sein, als vor 60 Jahren das französische Kolonialregime auf dem Kontinent endete. Neun französische Kolonien erlangten allein im August 1960 die Unabhängigkeit, 14 waren es im gesamten Jahr: Benin, Burkina Faso, Côte d'Ivoire, Mali, Niger, Senegal, Togo, Kamerun, Tschad, Kongo-Brazzaville, Madagaskar, Mauretanien, Gabun und die Zentralafrikanische Republik. 

1830 besetzte Frankreich als erstes Land Algerien, es folgten die Sahelzone und große Teile West- und Zentralafrikas. Es sollte viele Jahre dauern, bis die Ketten des Kolonialismus gesprengt würden, Millionen von Afrikanern litten und starben unter Frankreichs Hand. Erst 1946 gründete Frankreich die Union française, was es den afrikanischen Gebieten immerhin erlaubte, politische Vertreter in die Assemblée nationale zu entsenden - doch ohne von Souveränität zu sprechen. In vielen Gebieten wuchs der Widerstand gegen Frankreich. Guinea wurde im Oktober 1958 unabhängig, als erstes der afrikanischen Gebiete Frankreichs.

Keine Freiheit, keine Unabhängigkeit

"60 Jahre später haben die frankophonen Länder Afrikas noch immer keine wahre Unabhängigkeit und Freiheit von Frankreich", sagt Nathalie Yamb, Beraterin der Partei Freiheit und Demokratie für die Republik der Elfenbeinküste (LIDER). Das fange bereits bei den Schulbüchern an, deren Inhalte oft immer noch in Frankreich bestimmt würden.

Zeichnung Franzosen in Timbuktu 1894

Französische Kolonialisten 1894 in der heutigen malischen Wüstenstadt Timbuktu

Zum einen bestehe in vielen dieser Länder noch immer ein von Frankreich eingeführtes Staatssystem. "Kurz bevor 1960 die Unabhängigkeit real wurde, beschloss Frankreich, in einigen Ländern wie der Elfenbeinküste, das parlamentarische System abzuschaffen und ein Präsidialregime vorzubereiten, in dem alle Territorien und Befugnisse in der Hand des Staatsoberhauptes liegen", so Yamb im DW-Interview. Die Idee dahinter: "Um die Länder weiterhin in der Hand zu behalten, muss nur eine Person, die alle Machtbefugnisse hat, manipuliert werden." 

Françafrique, wie der französische Einfluss in den ehemaligen Kolonien genannt wird, bleibt bestehen - und gerade bei der Jugend wächst der Groll auf die ehemalige Kolonialmacht. Seit den 1980er-Jahren versprachen zahlreiche Präsidentschaftskandidaten die Abkehr von Françafrique. 

Doch das Versprechen eines Neuanfangs zwischen Frankreich und den frankophonen Staaten Afrikas sei mittlerweile nicht mehr als ein Ritual, so Ian Taylor, Professor für Afrikanische Politik an der St. Andrews-Universität in Schottland. "Sie sprechen von Veränderung, doch schnell nach dem Amtsantritt merken die französischen Präsidenten, dass das wirtschaftliche und politische Interesse an Afrika zu stark ist und es auf beiden Seiten kein wirkliches Interesse an Veränderung gibt."

Ressourcen, Kontrolle und Militär

Doch warum scheinen sich weder Afrikas Eliten noch Frankreich von Françafrique lösen zu wollen? Laut Paul Melly, Berater beim Afrika-Programm der britischen Denkfabrik Chatham-House, scheitert es an den privaten Interessen der Eliten. Im Jahr 1962 beauftragte Frankreichs Präsident Charles de Gaulle seinen Berater Jacques Foccart mit dem Aufbau der Françafrique. "Foccart baute ein Netzwerk persönlicher Kontakte zwischen der französischen Führung und den Eliten der ehemaligen französischen Kolonien auf", so Paul Melly, im DW-Interview. "Es waren oft sehr persönliche Verbindungen, aber sie hatten auch einen intransparenten, sehr paternalistischen, sehr kontrollierenden Charakter."

Infografik: Ehemalige französische Kolonien in Afrika und ihre Unabhängigkeit (DW Grafik)

Foccart schuf Verträge mit den Herrschern der Länder, die noch heute gültig sind: Im Austausch für militärischen Schutz vor Putschversuchen und gegen Provisionen in Millionenhöhe gewährleisteten afrikanische Länder den Zugang französischer Unternehmen zu strategischen Ressourcen wie Diamanten, Erze, Uran sowie Gas- und Ölvorkommen. Heute hat Frankreich eine solide Präsenz auf dem Kontinent - mit 1100 Konzernen, gut 2100 Tochtergesellschaften und dem drittgrößten Investitionsbestand hinter Großbritannien und den Vereinigten Staaten.

Auch garantiert der Kolonialpakt Frankreich weiterhin das Vorkaufsrecht auf alle natürlichen Ressourcen und einen privilegierten Zugriff auf staatliche Aufträge.

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