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Frankreich startet in die EU-Präsidentschaft

Bernd Riegert1. Juli 2008

Der Eiffelturm in Paris erstrahlt pünktlich zum EU-Vorsitz in Europablau mit zwölf gelben Sternen. Frankreich hat sich viel vorgenommen: auch die Krise nach Irlands Nein zum Reformvertrag soll gelöst werden.

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Symbolbild Mittelmeerunion. Sarkozy EU-Ratspräsidentschaft Logo Frankreich 2008 EU
Nicolas Sarkozy: Beginn der französischen EU-RatspräsidentschaftBild: AP Graphics/DW

Eine zackige Militärkapelle, ein stilvolles Schloss, gutes Essen und großer politischer Ehrgeiz. Das sind die Zutaten für die zahlreichen Konferenzen, die während der kommenden sechs Monate überall in Frankreich geplant sind. Klotzen, nicht Kleckern ist das Motto von Präsident Nicolas Sarkozy, der die Krise um die Ratifizierung des EU-Reformvertrages lösen muss und will. Im Oktober will er einen Fahrplan vorlegen. Frühestens im Januar 2009 wäre eine Wiederholung des Referendums in Irland möglich.

Als neuer EU-Ratspräsident betonte Sarkozy, dass nicht nur die heutigen 27 Mitglieder der Union den neuen Vertrag dringend brauchen, sondern auch die zukünftigen, damit die Erweiterung der EU fortgesetzt werden könne. Beispielsweise hänge auch Aufnahme des Balkans vom neuen Reformvertrag ab. "Diejenigen Mitgliedsstaaten, die sich so sehr für die Erweiterung einsetzen, müssen begreifen, dass wir dazu neue Institutionen unbedingt brauchen", sagte Sarkozy.

Sarkozy hat Großes vor

Der Französische Präsident Nicolas Sarkozy und seine damalige Freundin und jetzige Ehefrau Carla Bruni (30.12.07/ dpa)
Verursachten schon vor ihrer Heirat Medienrummel: Sarkozy und Carla BruniBild: dpa/picture-alliance

In Brüssel vermutet man, dass Nicolas Sarkozy trotz der Krise eine furiose Präsidentschaft hinlegen will, mit der er in die Geschichtsbücher der EU eingeht. Großes Interesse ist dem quirligen Präsidenten, seiner singenden Gattin Carla Bruni und ihrem Privatleben auf jeden Fall sicher, glaubt Jacki Davis von der Brüsseler Denkfabrik, European policy centre. Die beiden seien ein schillerndes Paar. "Die Menschen in der EU, die von trockenen Gesetzen die Nase voll haben, werden davon fasziniert sein. Es wird einen großen Medienrummel geben. Außerdem tendiert Sarkozy dazu, spontan etwas Unerwartetes zu sagen", so Davis.

Zwar wollen die Franzosen die Ratifizierung des Reformvertrages weiter vorantreiben, aber man müsse sich trotzdem mit aller Kraft um die politischen Schwerpunkte wie Einwanderungspolitik, Grenzwerte für Kohlendioxidausstoß und Verstärkung der gemeinsamen Verteidigungspolitik kümmern. Außerdem möchte Frankreich Steuernachlässe wegen der hohen Ölpreise erreichen. Diese Marschrichtung gibt der französische Premierminister François Fillon seinem umfangreichen EU-Stab vor. "Für uns ist es entscheidend, dass wir die Botschaft, die die irischen Wähler ausgesandt haben, auch verstehen. Sie sagen uns: Weniger Debatten über die Institutionen mehr konkrete Lösungen für Probleme, die Europa wirklich bewegen."

Umsetzbar oder abgehoben?

Eine der Prioritäten Frankreichs ist die Reform der Subventionen für die Landwirtschaft, von denen ausgerechnet Frankreich im Moment am meisten profitiert. Dort stehen auf dem Dezembergipfel heiße Debatten mit Ländern wie Großbritannien ins Haus, die eine Kürzung und Umschichtung der Zuschüsse fordern. Die Präsidentschaft beginnt ungewöhnlicher Weise bereits in 14 Tagen mit einem Gipfeltreffen, auf dem mit den Mittelmeer-Anrainern eine neue Union aus der Taufe gehoben werden soll. Diese Mittelmeerunion ist auf deutschen Einspruch hin allerdings von Nicolas Sarkozys hochfliegenden Visionen auf EU-Normalmaß geschrumpft.

EUROMED logo, Logo der Mittelmeerunion, der Partnerschaft der EU mit den Mittelmeeranrainerstaaten
Mittelmeerunion - was wird sie bringen?

Jacki Davis vom European Policy Centre spricht von einer Verwässerung. "Wir werden diesen großen Gipfel erleben. Das ist eine symbolische Geste für die Mittelmeerländer, aber die Substanz wurde dem Ganzen genommen. Jetzt ist es nur mehr eine Aufwertung des guten alten Barcelona-Prozesses." Denn in Barcelona wurde vor zwölf Jahren eine Zusammenarbeit der EU mit den Mittelmeerstaaten als Ergänzung des Nahost-Friedensprozesses begründet.

Französische Power-Präsidentschaft

In Brüssel heißt es jetzt: Anschnallen, die Franzosen kommen! EU-Kommission und Parlament rechnen mit einer Flut von Initiativen, was der EU angesichts der Vertragskrise gar nicht schlecht bekommen wird, meint Jacki Davis.

Die Politik-Wissenschaftlerin meint, "Schwergewichte wollen immer einen großen Durchbruch verkünden. Nicolas Sarkozy ist jetzt schon der Politiker in der EU, der die meiste Aufmerksamkeit erregt." Von dieser Energe könne die EU gerade jetzt etwas gebrauchen, aber es müsse ein Gleichgewicht geben. Die Rolle der Präsidentschaft sei nicht, die eigenen Interessen zu verfolgen, sondern die EU als ganze voranzubringen.