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Fränkisch ist nicht gleich Fränkisch. Die Unterfranken haben längere Bratwürste als die Mittelfranken. Die einen Franken lieben Bier, die anderen trinken lieber Wein. Auch die fränkischen Dialekte unterscheiden sich.
Männer:
"Ja grundzverreck, des haut fei nei."
Sprecher:
Äh, wie war das?
Männer:
"Ja grundzverreck, des haut fei nei."
Sprecher:
Ah, "verdammt noch mal, das haut echt rein." Auf gut Fränkisch gesprochen.
Nachtwächter:
"Verreck sacht ma, also verreck iss normal und hundsverreck ist dann natürlich schon das Potential davon."
Sprecher:
Das "verdammt", also das "verreck" ist nicht etwa anstößig, sondern läuft unter der Rubrik Alltagsflüche, ist nicht mehr als ein emotionaler Satzabschluss, um zu zeigen, dass man beeindruckt oder verwundert ist. Des Hochsprachlers "Ach du meine Güte" ist dem Franken eben sein:
Männer:
"Ja grundzverreck, des haut fei nei.
Sprecher:
Ach, was wäre die Welt, was wäre Deutschland ohne Dialekte und natürlich ganz besonders ohne das Fränkische?
Mann:
Dann ist die Welt nicht mehr schön. Sie muss bunt bleiben. Es muss überall anderst sein. und man sollte alles dafür tun, dass man so was bewahrt und damit das auch für die Zukunft erhalten bleibt. Ne Gleichmacherei macht die Menschen unzufrieden
Sprecher:
Wobei das mit dem Fränkischen so eine Sache ist.
Günter Schunk:
"Im ganz Unnerfrangn gibt's wahrscheinlich dausende Dialegde, gwasi in jeden Ort enn. Desderwechn hamm mir versucht, so eweng ä Meefrängisch ausn Wördsburcher Raum un Meedreiegg anzurührn."
Sprecher:
Tausende Dialekte gibt es im Maindreieck, sagt der Dialektforscher Günter Schunk. Deshalb hat er das ganze etwas zusammengefasst, um seinen jetzt schon zweiten Asterix-Band ins Fränkische zu übersetzen. Unterfranken, Mainfranken, ja und der Rest?
Günter Schunk:
"Um es mit Julius Cäsar zu sagen: ganz Franken ist in drei Teile geteilt, nämlich in Oberfranken, Mittelfranken und Unterfranken. Und die administrativen Grenzen der Regierungsbezirke sind natürlich nicht deckungsgleich mit den Sprachgrenzen. In Wirklichkeit lappt das Bayerische in das Fränkische hinein, also Richtung Nürnberg, im Bereich des Mittelfränkischen. Wir haben das Schwäbische, was hereinreicht, das Thüringische und natürlich das Hessische."
Sprecher:
So weit, so gut. Aber wie hat das Ganze eigentlich angefangen?
Günter Schunk:
"Die Sprachgrenzen zwischen dem Mittelfränkischen um Nürnberg herum und dem Unterfränkischen um Würzburg herum sind eigentlich anders entstanden, nämlich durch Besiedlung. Da gibt es den Staigerwald genau in der Mitte zwischen Nürnberg und Würzburg. Und natürlich werden die hohen Lagen später besiedelt, und das kann man bis heute merken. Der Staigerwald ist eine wichtige Sprachgrenze. Auf der einen Seite sagt man zum Beispiel Nabel, auf der anderen Seite sagt man Näbel."
Sprecher:
Und manchmal finden sich Unterschiede nicht nur in der Sprache.
Günter Schunk:
"Es ist auch eigentlich eine Mentalitätsgrenze. Denn auf der einen Seite sind mehr die Bierfranken. Auf den anderen Seite um Würzburg herum mehr die Weinfranken. Die Nürnberger, Mittelfranken, die haben mehr die kürzeren Bratwürste und die Würzburger und Unterfranken haben mehr die längeren Bratwürste.
Sprecher:
Da sieht man doch, dass Franken zum Freistaat Bayern gehört, wenn die Würste eine so große Bedeutung haben. Weinfranken hier, Bierfranken dort – Abgrenzung ist wichtig für die Identität.
Mann:
Die sinn etwas wortkarger, aber wenn man mit ihnen ins Gespräch gekommen sinn, dann sinnse klar. Der Weinfrange wird dann redselig, wenn man länger wie ne halbe Stunde mit ihm zusammen g'sess'n hat, aber er iss ehrlich, sind ich. Und der Weindrinker iss auch ein wesentlich gesellicherer und ruhicherer Mensch wie der Bierdringer.
Sprecher:
Liegt's an der Gegend oder macht Bier etwa aggressiv? Winzer Karl Braun aus Nordheim hat eine einfache Erklärung.
Karl Braun:
"Bier, sog i immer, macht einfach insgesamt langsamer, schwerer. Bei uns, wenn Weinfeste sind, hört man also nie, dass große Raufereien sind, während jetzt im Mittelfränkischen, wo Bier gedrunken wird, wird einfach mehr geschlächert."
Sprecher:
Also geprügelt.
Karl Braun:
"Ich denk halt immer, beim Bier das dauert alles zu lange, zum Übergang zum, wie secht man, zum Rausch. Und beim Wein geht des einfach so, bis die Leut' es merken, sind sie gelähmt."
Sprecher:
Und wie sind sie sonst die Main-Wein-Unterfranken?
Karl Braun:
"Ehrlich, bodenständig, fleißig und trinkfest."
Sprecher:
Was natürlich die Bierfranken auch von sich sagen würden. Aber zurück zu den Fakten.
Günter Schunk:
"Bei unserem Forschungsprojekt 'Sprachatlas von Mittelfranken' haben wir versucht, die Dialekte zu erfassen und zu beschreiben und uns da in erster Linie auf das Lautliche und auf das Lexikalische, also auf den Klang und auf die Wörter konzentriert. Und tatsächlich ist in Mittelfranken, also in dem Regierungsbezirk um Nürnberg herum, prallen drei Dialektgebiete aufeinander. Die Kuh wird ausgesprochen dialektal eher fränkisch tatsächlich auch als Kuh. Schwäbisch klingt es in einem Teil von Mittelfranken eher als Kuah und das Bayerische hat seinen Einfluss geltend gemacht durch die Kouh. So gibt es also drei Sprachgebiete, was das Lautliche angeht."
Sprecher:
Ja und dann gibt es nicht nur verschiedene Aussprachen, sondern gleich ganz verschiedene Wörter für ein und dieselbe Sache. Der Variantenreichtum ist riesig.
Günter Schunk:
"Da haben wir unter anderem nach der Jauche gefragt. Ein sehr wichtiges Wort für den Bauern auf dem Lande. Da kommen also Wörter wie die Odel oder Odelbrühe, natürlich die Mistbrühe und die Mistlache, aber auch die Mistsudel und die Misthüll bis hin zur Mistshülln vor. Da gibt's, aber auch die Scheissbrühe und natürlich die Strotze oder Trotze. Also verschiedene Wörter, verschiedene Aussprachen in diesem relativ kleinen Gebiet. Wir haben für einzelne Wörter, für einzelne Dinge muss ich sagen, bis zu 20 verschiedene Wörter gefunden. Das kleinste, im Wachstum etwas zurückgebliebene Schwein eines Wurfes, also das Ferkel, das meistens dann als Spanferkel verwendet wird, das hat also -zig verschiedene Wörter, weil es so ein Unikum für den Bauern ist. Er muss es benennen, aber er kann's nicht wirklich gebrauchen."
Sprecher:
Ja, und wie nennt er's dann?
Günter Schunk:
"Also das Jungtier des Schweins, als verkümmertes kleinstes Ferklein eines Wurfs, da gibt's des Butz, den Kreeder, den Krempler, das Kritscherle, das Hockerle, die Krupse, der Kümmerling, der Nestbatz oder Nestquack und natürlich auch den Stümper, und, und, und."
Sprecher:
So viele Wörter für ein kleines Schweinchen! Für Nichtfranken bleibt das Ganze ziemlich verwirrend. Das gilt auch für der Deutschen und der Franken Sättigungsbeilage Nummer eins:
Günter Schunk:
""Es gibt in Unterfranken verschiedene Formen für die Kartoffel. Von Erdapfel über Erdbirne bis hin zur Krumbirne. Die Krumbirne, die kann die Krumbern, die Kruudbiire sein, die Krumbeere. In Summe wird sich eine Krumbirne herausbilden. Der Erdapfel heißt Ärpfel, Arepfel, Ärpfel, Ärepfel. Auch da werden sich dann wahrscheinlich diese Formen eher annähern in Richtung Ärpfel oder Erdäpfel. Sodass man sozusagen Überformen herausbildet, die natürlich in der Region gut verständlich sind, die natürlich immer noch dialektal sind."
Sprecher:
Manch sprachliche Eigenheit lässt sich sogar mit den Augen feststellen. Ein typisches Merkmal für den Dialekt um Nürnberg und Fürth ist der interdentale Labiallaut, ein "L", bei dem die Zungenspitze zwischen den Zähnen erscheint. Das klingt dann ungefähr so:
Günter Schunk:
"Obel, Gold, Gelbgold, Valbolitschella Alder, also sehr auffällig und für jeden sofort erkennbar, spätestens wenn die Zungenspitze vorne zwischen den Zähnen rauswinkt."
Sprecher:
Dass "P" zum "B" zu machen haben alle Franken gemeinsam. So wird aus dem Opel der Obel und aus dem Politiker der Bollidiger. Die Sprachwissenschaftler nennen das binnendeutsche Konsonantenschwächung, denn in Franken klingt nicht nur das "P" wie "B", auch "T" und "K" werden zu "D" und "G" weichgeschmolzen. Ach ja, und dann gibt's da noch das verwandelte "G". So heißt es in Franken eben nicht "Würzburg" sondern "Würzburch" und …
Günter Schunk:
"In Würzburch heißt der Main der Mee, heißt ja alle paar Kilometer anders. Die Frankfurter sagen anders zum Mee als mir und auch die Schweinfurter und Bambercher oberhalb sprechen ihn wieder ganz anders aus."
Sprecher:
Und wie sagen sie, die Bamberger?
Günter Schunk:
"Ich glaub, der Maa."
Wolfgang Mainka:
"54 Kirchen und Kapellen gibt es in der Stadt."
Sprecher:
Ein Würzburger Original ist Wolfgang Mainka.
Wolfgang Mainka:
"Jetzt kommen noch 16 Klöster dazu. Im Stadtgebiet gibt's 16 aktive Klöster. Alle noch aktiv mit Mönch und Nönnlin. Getrennt natürlich."
Sprecher:
Als Fremdenführer zieht er im Nachtwächter-Gewand allwöchentlich durch die Straßen und erklärt allerlei zur Stadtgeschichte. Mit allem, was sprachlich so dazu gehört.
Wolfgang Mainka:
Als erschtes fängt drüben in der Blaich die Gertraudskirche an, die begrüßt ihre Schwestern: Gute Morgen! Gute Morgen! Und Keppele, die alte Wallfahrtskirche vom Balthasar Neumann oben auf dem Nikolausberch ist immer Neukirch, das plärrt laut von oben runder: Was gibt's Neues, was gibt's Neues?. Über der Stadt thront die Festung, wo früher uns der Herr Bischoff regiert hat und darunder über’n Mee geht die alte Meebrück, die älteste Steinbrücke in Deutschland ist des, sagen die Würzburcher. 1133, so steht’s in der Chronik bei uns, wurde die Brücke gebaut und bezahlt, war früher noch annersch als heut’, ne."
Sprecher:
Ja, anders war das früher mit dem Bezahlen. Die historische Mainbrücke wurde einige Jahrhunderte später mit barocken Heiligen geschmückt, unter anderem mit dem Heiligen Kilian, dem Schutzpatron der Franken, um den sich allerlei Anekdoten ranken.
Wolfgang Mainka:
"Die Würzburcher saachen nämlich, der Kilian von der alte Meebrück kommt alle elf Jahr nachts heimlich vom Sockel runder gekrabbelt und dann schleicht er in die Stadt nei, geht ins Spital hinder, hockt sich annen Tisch und bestellt sich an Schobbe Wein."
Sprecher:
Der Schoppen, das Viertelliter Glas Wein spielt eine zentrale Rolle nicht nur in Würzburg. Und was ins Glas hineinkommt, ist traditionell Silvaner.
Wolfgang Mainka:
"Der Silvaner schmeckt nach em fünfte Schobbe genauso frisch wie nachem ärschte. Oh, da gibt’s e klein’s G’dichtle von der Schobbe, muss ich euch emal ezähl, des zeigt so, wie weit ma eh Schobbe trinke kann. Da könnd ihr ma sehen, wenn er heut Abend een Schobbe drinkt, wie weit er kommt. Passt er mal auf:"
Beim erste Schobbe spürste nix.
Beim zweite froigst, woher der ist.
Beim dritte Schobbe sagst: nitt schlecht.
Beim vierte Schobbe fühlst’ dich grad so recht.
Beim fünfte Schobbe lallst eweng.
Und beim sechste Schobbe hörste schon die himmlisch’ Kläng.
Beim siebte Schobbe haut’s vom Stuhl dich roh.
Beim achte Schobbe wank’ste naus auf’s Klo.
Beim neunte Schobbe bist halber g’storbn.
Und beim zehnte sseggst: ouh weh, bloß nit geborn!"
Sprecher:
So kann's einem gehen mit dem Silvaner. Allerdings ist diese Rebe lange Zeit vom trinkfreudigen Publikum verschmäht worden. Eine andere Rebsorte hatte in Franken dem Silvaner den Rang abgelaufen.
Wolfgang Mainka:
"Iss einfach diese klassische frängische Rebe. 1950 iss sie dann verdrängt worden vom erschten Blatz durch den Müller-Thurgau. Müller-Thurgau war einfach die Neuzüchtung, die jetzt säuremäßig bei vielen einfach bessäh ankomme iss. Magenbeschwerden und so, da hat einem der Silvaner durch die Kellerwirtschaft muss man dazu sagen, war das noch nicht so weit. Da iss man a wenig vom Silvaner wechgerüggt. Und da hat der Müller-Dhurgau einfach dann 30, 40 Jahr lang Siecheszuch g'halt'n, wird aber jetzt wieder verdrängt."
Sprecher:
Ob Müller-Thurgau oder Silvaner mit a weng, also ein wenig mehr Säure, das Lieblingsgericht dazu ist in Franken das gleiche geblieben.
Frau:
"Blaue Zipfel auf frängisch, ja. Des iss braggtisch a Bradwurst in Zwiebelsud abgekocht. Zwiebel-Wein-Ssud muss ma saache. Nit wie in der Nürnbercher Gegend vielleicht mit Essichsud, sondern hier bei uns ist's der Weinsud."
Sprecher:
Dass der Dialekt ausstirbt, halten die Sprachwissenschaftler für ein unbegründetes Vorurteil. Er wandle sich, mehr nicht. Denn selbst die Jugend greift auf den Dialekt zurück, wenn sie die Pubertät erst einmal hinter sich gelassen hat.
Günter Schunk:
"Der Dialekt hat nach wie vor die wichtige Funktion, zu identifizieren, das Gefühl Heimat irgendwie zu transportieren. Ich könnte das natürlich auch mit Hausbauformen, Fachwerk oder mit Kleidung, also mit Tracht. Aber das ist im Alltag doch meistens unpraktisch. So bleibt einem in erster Linie, um sich in eine Gruppe einzufügen oder zu identifizieren oder auch abzugrenzen, die Sprache. Und da natürlich, wenn's um's Räumliche geht, der Dialekt."
Sprecher:
Inzwischen hat sich auch die Meinung geändert, wer Dialekt spricht, sei ein schlichtes Gemüt. Im Grunde, sagt Günter Schunk, kann man im Dialekt alles ausdrücken, eben nur anders. Heute wird einfach mehr variiert, je nach Situation. In der Öffentlichkeit spricht man Hochdeutsch, mit Freunden Dialekt. Und wenn der Beck, fränkisch für "der Bäcker", mit Lothar und Schorch beim Kartespiel hockt, dann klingt das so:
Hip-Hop-Rap "Der Beck":
Mir hocke in die Wirtschaft sinn bloss drei
Die Tür geht auf und der Beck kommt rei
Mir soche: "Hopp Beck mir brauche noch en vierte Mann"
Der Beck socht: "Naa ich spiel net mit euch"
Mir soche: "Hopp Beck mach kee Zeuch
Hopp Hock dich hie un nacher wird gekart"
"Guet" socht der Beck :Ottil bring mer ä Bier"
Der Schorsch socht: "Aa noch eens für mir
Und Korte, denn jetzt simmer vier"
Der Lothar mennt leis: "Gemmer fort,
Der Beck konn doch gor net gekort
Der b'scheisst und koo net verlier
Beck Beck Beck
Geh' hem und back die Weck hopp.
Fragen zum Text
Franken ist ein Teil von ...
1. Bayern.
2. Köln.
3. Frankreich.
Eine Krummbirne ist …
1. Fallobst.
2. eine Birne.
3. eine Kartoffel.
Wie nennt man den Bäcker in Franken?
1. Back
2. Beck
3. Bock
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