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Keine Pflicht für psychologische Untersuchung

Diana Hodali/ Lisa Duhm26. März 2015

Der Co-Pilot von Germanwings-Flug 4U9525 soll den Flieger selbst zum Absturz gebracht haben. Dabei werden Piloten besonders genau ausgesucht. Aber wie genau werden sie untersucht? Antworten von Fliegerarzt Onno Bender.

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A320 Cockpit
Bild: picture-alliance/dpa/Christoph Schmidt

Einmal im Jahr müssen Berufspiloten zum Gesundheitscheck. Was wird dabei genau untersucht?

Man muss dabei zwischen der ersten Untersuchung und den Wiederholungsuntersuchungen unterscheiden. Bei der Nachuntersuchung einmal im Jahr wird immer Blut abgenommen, der Patient wird gründlich körperlich untersucht. Man spricht recht ausführlich miteinander, ich nehme mir immer sehr viel Zeit für die Piloten. So erfährt man auch etwas über die Psyche. Der Pilot muss einen Anamnesebogen ausfüllen, in dem alle Vorerkrankungen abgefragt werden. Es werden außerdem ein Sehtest, Hörtest und ein EKG durchgeführt.

Finden Sie das ausreichend?

Ja, das finde ich mehr als ausreichend. Der Pilot ist verpflichtet, sich bei jeder Gesundheitsstörung und längeren Krankschreibungen beim Fliegerarzt zu melden. Das obliegt aber natürlich der Verantwortung des Piloten. Aus datenschutzrechtlichen Gründen werden von ärztlicher Seite keine Gesundheitsdaten an das Luftfahrtbundesamt übermittelt. Der Fliegerarzt entscheidet am Ende, ob der Pilot flugtauglich ist oder nicht.

Dr. Thorsten Onno Bender Fliegerarzt
Entscheidet über Flugtauglichkeit: Facharzt Dr. Thorsten Onno BenderBild: privat

Gibt es regelmäßige, verpflichtende psychologische Untersuchungen für Piloten?

Es gibt selbst bei der Erstuntersuchung keine verpflichtende psychologische Untersuchung. Aber der untersuchende Arzt muss natürlich die Psyche mit beurteilen und kann gegebenfalls weitere Schritte einleiten. Es gibt ein von der EU festgelegtes Minimum an Untersuchungen. Außerdem gibt es ergänzende Untersuchungen der unterschiedlichen Airlines. Bei einigen Fluggesellschaften werden im Rahmen des Einstellungsverfahrens auch intensive psychologische Gespräche geführt.

Was machen Sie, wenn Sie als Fliegerarzt bei einem Gespräch mit einem Piloten merken, dass eine überdurchschnittlich große psychische Belastung besteht?

Wenn mir so etwas auffällt, dann schaue ich nach, ob tatsächlich eine akute Gefährdung besteht. Wenn ich eine akute Suizidgefahr feststelle, dann stelle ich kein Tauglichkeitszeugnis aus. Es geht dann sofort eine Meldung an das Luftfahrtbundesamt und der Pilot darf nicht mehr fliegen.

Wenn er nur sagt, er habe im Moment etwas Stress und es gehe ihm nicht so gut, dann biete ich dem Patienten an, dass er "Unfit to Fly" geschrieben wird und rege an, dass der Pilot mit einer Psychologin spricht, mit der ich zusammenarbeite. Je nachdem, was bei diesem Gespräch herauskommt, rate ich ihm, sich für längere Zeit krank schreiben zu lassen, ohne sofort eine Untauglichkeit auszustellen. Denn verständlicherweise haben die Piloten Angst, dass dann schnell der Arbeitsplatz verloren geht. Wenn ich im Gespräch überhaupt nicht den Eindruck habe, dass es da Probleme gibt, dann lässt sich das kaum rausfinden. Sollte allerdings eine Diagnose eine Untauglichkeit bedingen, so wird dies immer an die Behörde (Luftfahrtbundesamt) gemeldet, die dann über weitere Untersuchungen und Gutachten entscheidet.

Piloten tragen viel Verantwortung und streiken ja auch immer wieder, weil sie einer ständigen Überlastung ausgesetzt sind. Warum wird so ein psychologisches Gutachten nicht als ein Muss in die Sicherheitsstandards aufgenommen?

Es gibt schon ein Untersuchungsfeld auf dem Formular, das man als Fliegerarzt ausfüllt, das sich "gesamtpsychischer Eindruck" nennt. Es gibt also den Raum dazu, den psychischen Eindruck zu dokumentieren. Aber vielmehr als denjenigen immer wieder anzusprechen und ihm anzubieten, dass man als Gesprächspartner zur Verfügung steht, kann man nicht machen. Man kann da nicht intensiver in die Persönlichkeit eindringen. Wenn jemand schon mal in der Psychiatrie war und das nicht preisgibt, dann ist es auch schwer, an diese Daten zu kommen. Wenn sich jemand nicht wohlfühlt und das Gespräch bei einem Psychologen gesucht hat, dann möchte wahrscheinlich niemand, dass das gleich der Arbeitgeber erfährt. Selbst wenn man regelmäßige psychologische Gespräche mit den Piloten durchführen würde: Wenn der Pilot dazu nicht bereit ist, dann kommt man an die Informationen auch nicht ran.

Sie sagen also, dass es nicht so einfach erkennbar ist, ob jemand suizidgefährdet ist?

Nein, das ist nicht so einfach ersichtlich. Es gibt manchmal Hinweise darauf und manche Leute gehen damit auch sehr offensiv um. Ein Pilot, der bei der Untersuchung eine psychiatrische Vorerkrankung angibt, wird richtig gründlich untersucht. Da gibt es sehr umfangreiche psychiatrische Evaluationen. Und solange er kein Gutachten bekommen hat, darf er auch nicht fliegen. Darüber entscheidet das Luftfahrtbundesamt gemeinsam mit den beteiligten Psychiatern und Fliegerärzten.

Wenn der Co-Pilot von Flug 4U9525 wirklich Selbstmord begangen hat, was glauben Sie, könnte man noch tun, um so eine schreckliche Tat in der Zukunft zu vermeiden?

Man muss den Piloten immer wieder das Angebot machen, dass Ihnen geholfen wird, wenn sie Hilfe suchen. Man braucht eine Vertrauensbasis. Schauen Sie sich die vielen anderen Berufsgruppen an wie Busfahrer, Pfleger, Ärzte: Sie alle übernehmen Verantwortung für Menschenleben. Und auch da ist nicht immer gewährleistet, dass sie keine merkwürdigen oder schlimmen Dinge tun. Ich glaube, es ist wichtig, auch das Umfeld darauf zu schulen, zu beobachten und Veränderungen wahrzunehmen. Auch die Piloten werden immer wieder geschult im so genannten Crew Ressource Management, damit sie alle gegenseitig aufeinander aufpassen.

Dr. Thorsten Onno Bender ist Lufthansa-Vertragsarzt (BER). Er ist Facharzt für Innere Medizin mit Schwerpunkt Nephrologie, Flugmedizin, Intensiv- und Notfallmedizin. Er arbeitet als Arzt bei der Flugmedizinischen Untersuchungsstelle bei der Charité in Berlin: http://flugmedizin.charite.de/

Anmerkung der Redaktion:

Eine Lufthansa-Pressesprecherin hat nach Rücksprache folgendes Aufnahmeverfahren für Piloten bestätigt:

1. Berufsgrunduntersuchung beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) - Dabei handelt es sich um verschiedene Wissenstests.

2. Ein Auswahlkapitän führt gemeinsam mit zwei Psychologen des DLR eine Firmenqualifikation durch (Rollenspiele, Cockpit-Situationen, mentale Trainings etc.)

3. Medizinische Tauglichkeitsuntersuchung durch den Fliegerarzt