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Fernseher quergenommen

Ingun Arnold3. Mai 2005

16:9 statt 4:3: Fernseher gehen heutzutage in die Breite. Nicht alle Apparate halten mit. Entweder ist das Bild verzerrt oder der Bildschirm hat oben und unten schwarze Balken. Wer ist schuld: die Form oder die Funktion?

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Wohnzimmer ist andersBild: dpa

"16:9 entspricht sehr viel mehr unserem Augenwinkel als 4:3", nennt Thomas Koebner, Filmwissenschaftler aus Mainz, den lapidaren Grund für den Formatwechsel. Warum das nicht schon längst jemandem aufgefallen ist, darauf hat auch der Professor keine Antwort. So kommt es, dass erst im 21. Jahrhundert die traditionellen Produktionsformate - und mit ihnen die Abspielgeräte - ausgetauscht werden.

Das traditionelle Format: 4:3

Wolkenstein 4x3
Bild: dpa

4:3 kennt jeder: Es ist seit den 1920er Jahren anerkannter Fernseh-Standard. Bereits 1889 erklärte Thomas Alva Edison die Abmessungen 24×18 mm zum klassischen 35-mm-Filmformat. Das Format hat ein erstaunliches Beharrungsvermögen: Noch heute imitieren es die meisten Computermonitore (1024 × 768 Pixel). Der Grund: Es ist optimal als Bildformat für die Braunsche Röhre, die in den Fernsehern und Monitoren für die Bildwiedergabe sorgt. Breitere Formate hätten deutlich dickere Röhrenwände zur Folge – die Geräte würden sehr viel schwerer, die Röhren störungsanfälliger. Seit 1931 sind Röhren-Fernseher auf dem Markt. Die flachen Trinitron-Bildröhren gibt es erst seit 1997 serienmäßig.

Mattscheibe wie Leinwand

Nicht nur die Fernseh-Technik, auch die Sehgewohnheiten haben sich in den letzten Jahren stark verändert. Inzwischen greift das Breitbildfernsehen im 16:9-Format immer mehr um sich. Schuld ist das Kino: Dort wurden die Breitbildformate bereits in den 1950er Jahren populär. Der US-amerikanische Breitwandfilm hat das Format 1,85:1 (5,5:3), der europäische Kinofilm 5:3. Cinemascope-Filme sind noch breiter: Sie entsprechen in etwa dem Verhältnis 21:9. All diese Formate sind sehr viel kinokompatibler als 4:3. Damit die Zuschauer das Fernsehformat nicht als "unporoportional" wahrnehmen, müsste der Abstand zwischen den Sitzreihen deutlich größer sein als normalerweise in Kinos üblich. Die Säle würden also entweder in sehr viel größeren Gebäuden untergebracht oder weniger Sitzplätze haben. Beides ist nicht wirtschaftlich.

Das moderne Format: 16:9

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Bild: dpa

Seit Anfang der 1990er Jahre versucht die Fernsehindustrie, das Standardformat von 4:3 auf 16:9 zu ändern. Aber im Gegensatz zum Kino ist ein Wechsel des Formats im Fernsehen problematisch. Zum einen gibt es sehr viel mehr Fernseher als Kinosäle. Zum anderen sind die allermeisten Menschen nicht willens, funktionierende Geräte wegzuwerfen, nur weil es eine Formatänderung gibt. Also bleibt nur der umgekehrte Weg: Der Kinofilm wird in den 4:3-Fernseher gesteckt – mit den bekannten schwarzen Streifen oben und unten. 25 Prozent der Sehfläche gehen dadurch verloren, der Bildstreifen in der Mitte hat, vor allem bei kleinen Fernsehern, die Anmutung von "Briefkastenschlitz". Daher der Name für das Provisorium: "Letterbox"-Verfahren. Und irgendwann erfüllt sich dann auch die heimliche Hoffnung der Gerätehersteller: Die Konsumenten werden der Nachteile des Briefkasten-Kinos überdrüssig.

Eins kommt mit dem anderen

Inzwischen geht der Trend zum 16:9-Fernseher. 2004 wurden in Deutschland bereits über eine Million Geräte im Kinoformat verkauft. Ursache ist vor allem der Boom der DVD, die nahezu alle mit Filmen im Breitformat bespeichert sind. Zwangsläufig werden auch immer mehr Fernsehsendungen als 16:9-Formate produziert. "Das ist ein Konvergenz-Phänomen: Man entwickelt sich von unterschiedlichen Seiten auf ein- und dieselbe Sache zu", erklärt Professor Koebner. Für die Kameraleute bedeutet das eine gewaltige Umstellung, da die Fernsehanstalten nicht selten erwarten, dass sie für zwei Bildformate gleichzeitig drehen: 4:3 und 16:9. Entweder wirken dann die Köpfe oben abgeschnitten. Oder links und rechts am Bildrand erscheint die Szene ungestaltet, weil bei der Anordnung von Requisiten und Statisten zu wenig "in die Breite gedacht" wurde. Auch hier hilft: Vom Kino lernen.

Cinemascope: 21:9

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Bild: dpa