Feierabend | Alltagsdeutsch – Podcast | DW | 26.02.2008
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Alltagsdeutsch – Podcast

Feierabend

Nach einem langen Arbeitstag beginnt der Feierabend. Die meisten berufstätigen Menschen genießen dann ganz in Ruhe ihre Freizeit. Doch Manche nehmen den Feierabend wörtlich und gehen vom Büro direkt in die Disko.

Sprecherin:
Es ist fünf Uhr am frühen Abend an einem Wochentag in einer deutschen Großstadt. Viele Menschen verlassen eilig ihren Arbeitsplatz, um schnell noch ein paar Einkäufe zu tätigen oder ihren Wohnort zu erreichen. Denn dort erwarten sie Ruhe und Freizeit. Sofern die Berufstätigen diese woanders verbringen möchten, werden sie sich zu Hause – wiederum eilig – umkleiden und anschließend erneut möglichst schnell den Ort wechseln. Dieses allgemeine Eilen, diese frühabendliche Hast und Hektik, das ist der Feierabend ganz vieler berufstätiger Stadtmenschen.

Sprecher:
Ursprünglich bezeichnet das Wort "Feierabend" den Vorabend eines Festes. Dies wurde – zunächst nur handwerkssprachlich – umgedeutet, und heute benennt der Feierabend die Ruhe von der Arbeit und den Beginn der Ruhezeit am Abend.

Sprecherin:
Am Morgen nach dem Feierabend wird also schon lange nicht mehr getanzt und gesungen. Nein, viel weniger erfreulich als ein bevorstehendes Fest und ganz alltäglich ist festzustellen: "Nach der Arbeit ist vor der Arbeit." Um einen eintönigen Alltag zu unterbrechen, wird heutzutage gerne in der kurzen Zeit dazwischen, dem Feierabend selbst, gefeiert; das Fest ist also vorverlegt. Doch für zeitgemäße Abendveranstaltungen, öffentliche Parties und Diskotheken, gilt eigenartigerweise: Je größer die Stadt, desto später beginnt das Feiern. Vor elf Uhr in der Nacht ist eigentlich an keinem Veranstaltungsort so richtig was los. Wie kommt man da noch zeitig zu Bett, wenn man dort feiern möchte und wenn man am nächsten Morgen wieder früh aufstehen und arbeiten muss? Diese Probleme haben Party-Veranstalter wie Kerstin Höper nun erkannt. Sie organisiert die "After Business Party" im Kölner Down Town Club.

Kerstin Höper:
"In Deutschland ist das Original der After Work Club. Der hat angefangen in Hamburg, Berlin und so weiter. Und die haben die Idee aus London und New York, in diesen Städten läuft es auch schon seit Längerem, dieses Konzept. Und die wiederum haben es wieder aus Japan, in Japan ist dieses Modell entstanden."

Sprecher:
Das Original eines Gemäldes hängt im Museum, das Original eines Briefes behält man, wenn man eine Kopie verschickt. Doch nicht nur Sachgegenstände, sondern eben auch Veranstaltungen können diesen originellen Charakter haben: Der After Work Club in Hamburg ist das echte und ursprüngliche Exemplar dieser Art von Abendveranstaltung. Durch seine ungewöhnliche Eigenart ist das Original oft positiv besetzt, Kopie und Nachmache hingegen minderwertig. In jedem Fall läuft die Sache, sagt Kerstin Höper, das heißt, sie findet statt, sie passiert. Auch ein Film oder ein Abonnement kann laufen. Eine Sache kann gut oder schlecht laufen, das heißt, sie wird beispielsweise von der Kundschaft angenommen oder abgelehnt.

Sprecherin:
Die After Business Party im Kölner Down Town Club läuft gut, der Laden ist bereits kurz nach fünf Uhr sehr voll. Dicht gedrängt stehen die Leute, trinken und essen, unterhalten sich aufgeregt bei lauter Musik. Die Stimmung wirkt aufgekratzt wie bei einem Betriebsausflug. Im Keller ist die Diskothek. Eine Kellnerin beschreibt das Publikum im sich füllenden Tanzraum.

Kellnerin:
"Gemischt, aber doch schon, würde ich sagen, vermehrt über 30. Teilweise wirkt es tatsächlich so, als würden die direkt von der Arbeit kommen, auch in Gruppen von der Arbeit, also das ganze Team. Es ist gut gemischt vom Geschlecht her, also ausgewogen männlich und weiblich. Und oft, also jetzt gerade in der letzten Zeit habe ich den Eindruck, dass also Touristen auch hier rein kommen, und ansonsten halt querbeet."

Sprecher:
Wenn in den Beeten eines kultivierten Gartens unterschiedliche Pflanzen und Blumen angebaut sind, man den Garten durchschreitet und dabei Pflanzen pflücken würde, dann hätte man einen bunten Strauß der einzelnen Gewächse. Das umgangssprachliche "querbeet" meint hier das vielfältige und deswegen abwechslungsreiche Publikum auf der Party. Das Verhältnis von männlichen und weiblichen Gästen sei ausgewogen. Statt "ausgewogen" könnte man auch "richtig im Maß" oder "ausgeglichen" sagen. Einige Gäste scheinen Touristen zu sein, weil sie eine andere Sprache sprechen. Das zumindest ist der Eindruck der Kellnerin. Das bedeutet, sie weiß es nicht wirklich. Das Wort "Eindruck" kommt aus der Mystik und bezeichnet dort etwas Göttliches, das in die Seele eines Menschen hinein geprägt wird und so auf dessen Fühlen und Denken wirkt.

Sprecherin:
Wir wechseln den Veranstaltungsort: Im Teatro findet der After Work Club statt. Hier scheint alles betont urban inszeniert. Obwohl auch hier großer Andrang herrscht, hüllt die aufwändige Beleuchtung die Szene in eine blaurote, irgendwie leer scheinende Weite. Die Gäste im Teatro wirken im Durchschnitt jünger. Der Betreiber Can Cakir:

Can Cakir:
"Es ist nicht mehr so zu differenzieren, dass man sagt, das ist schickimicki, und der hat die guten Schuhe an, der kommt rein, der kommt nicht rein, also das ist sehr gemischt von den Leuten. Was wir halt nicht hier drin haben und auch nicht haben wollen, sind so Wolfgang Petri und in diese Richtung halt, aber die Leute kommen auch von selbst gar nicht hier rein, die fühlen sich auch gar nicht wohl hier drin, das ist so ein bisschen gehobener."

Sprecher:
"Gehoben"
ist hier vielleicht die Nase des Veranstalters und die einiger Gäste: Mit kühlen Blicken beschauen sie sich gegenseitig und entscheiden offenbar nach dem äußerem Erscheinungsbild, wer zu dieser Party passt und wer nicht. "Gehoben" ist dem soziologischen Begriff der Schichten entlehnt, in die sich eine Gesellschaft hierarchisch gliedert. Das umgangssprachliche "schickimicki" meint, reich und fein gekleidet zu sein und sich extravagant zu gebärden. Das Wort kommt zunächst vom französischen Adjektiv "chic" mit der gleichen Bedeutung. Das französische "chic" ist jedoch wiederum abgeleitet vom niederdeutschen Substantiv "Schick". Dieser bezeichnet die Richtigkeit und Angemessenheit einer Sache. Der deutsche Schlagersänger Wolfgang Petri trägt halblanges, gelocktes Haar und einen Oberlippenbart. Damit entspricht er nicht dem hier gewünschten Erscheinungsbild.

Sprecherin:
Was man den Gästen einer After Work Party nicht ansieht und worüber sie ungern reden, ist ihr Beruf.

Gäste:
"Das will ich außen vor lassen. Ich bin zum Feiern hier, und – wie gesagt – ich red' nicht von der Arbeit. / Als Key Account Managerin. / Im Medienbereich."

Sprecherin:
"Im Medienbereich." Ich treffe auf keiner After Work Party Handwerker oder Fabrikarbeiter; die meisten sind wohl Büroangestellte. Oder Bürochefs? Insgesamt sind wenig Anzüge und auch selten Krawatten zu sehen. Ein Gast:

Gast:
"Vielleicht sind so ein paar Krawattenheinis hier, aber ob die jetzt gerade gleich auch Chefs sind, keine Ahnung. Ich kann mir vorstellen, dass hier viele Studenten sind, die so posermäßig nach Hause gehen, sich 'ne Krawatte umbinden und dann hier hinkommen, um einen auf dicke Hose zu machen, kann schon sein."

Sprecher:
Die Partybesucherin vermutet bei den Krawattenträgern, dass es sich tatsächlich um Studenten handelt, die nur vorgeben, berufstätig zu sein. Sie würden sich posermäßig, also in Pose, in gekünstelter und gezierter Haltung geben. Dabei machen sie einen auf dicke Hose, das heißt, sie wollen den Eindruck erwecken, viel Geld zu verdienen. "Auf etwas machen" bedeutet, so zu tun, als ob. Jemand, der einen auf verständnisvoll macht, ist es sicher nicht. Die Hose besagter Studenten sei nun – bildlich gesprochen – dick, weil sie ihr Geld in die Hosentaschen stopfen. Wenn jemand gut verdient, dann sagen manche auch, er oder sie macht sich die Taschen dick.

Sprecherin:
Die meisten Befragten möchten nicht sagen, wo und was sie arbeiten. Es scheint auf einer After Work Party keine große Rolle zu spielen. Sie möchten die Gelegenheit nutzen, sich am frühen Abend zu amüsieren:

Gast:
"Super. Ja, man muss nicht immer erst um zwölf oder um ein Uhr weggehen, um dann Spaß zu haben. Man kann hier um 18 Uhr hin, und ist schon der Bär los und ist total genial einfach."

Sprecher:
Auf der After Work Party stehen die Leute bereits um 18 Uhr dicht gedrängt, essen belegte Brötchen, trinken Cocktails und Bier und unterhalten sich lachend und angeregt. Neben dem Stimmengewirr dröhnt die Musik, und die Tanzfläche füllt sich zunehmend. Mit "es ist der Bär los" meint der Gast diese ausgelassene und besonders energievolle, lebhafte Stimmung. Die Szene erinnert an den Trubel um eine Attraktion – etwa an die eines freilaufenden Bären. Seine Freude darüber drückt dieser Partybesucher ebenso umgangssprachlich durch die Verwendung von Superlativen aus: "total genial". "Total" bedeutet "ganz" oder "vollständig", und "genial" in der Umgangssprache bedeutet "originell" und "hervorragend".

Sprecherin:
Abgesehen von der frühen Stunde muss es doch auch noch andere Reize auf einer After Work Party geben. Ich wende mich wieder an den Veranstalter Can Cakir. Was sind die Gesprächsthemen auf einer After Work Party? Fachsimpelt man über Investmentfonds, oder werden lediglich ganz private Dinge besprochen?

Can Cakir:
"Es wird auch über das Geschäft geredet, über Probleme, also über die Gemeinsamkeiten, die man im Job hat, wird viel geredet. Es wird viel gelästert, glaube ich, über den ein oder anderen viel geschimpft, und hinterher wird halt auch mal dann mit denen, über die man gerade geschimpft hat, wird dann geflirtet hinterher."

Sprecher:
Das Besondere beim Lästern ist, dass derjenige, über den geschimpft und schlecht geredet wird, davon nichts mitbekommt. Man lästert hinter dem Rücken der Person, um die es geht, oder zumindest hinter vorgehaltener Hand. Das machen viele Leute gern, kommen sie selbst doch dabei meistens eher gut weg. Auch flirten macht Partybesuchern in der Regel viel Spaß. Bei dieser oft spannenden und aufregenden Tätigkeit spielt man kokett mit Worten und Blicken. "Man tut schön" oder schmückt sich, bildlich gesprochen, mit Blumen. Die Sprachwissenschaft vermutet eine Verwandtschaft des Wortes "flirten" mit dem französischen Wort "fleurs" für Blumen.

Sprecherin:
Handelt es sich bei After Work Parties also um eine Neuauflage der Single Parties?! Sind hier bindungslose, aber selbstverwirklichte Berufstätige auf der Suche nach festen Lebenspartnern?!

Gast:
"Eindeutig, man wird hier wahnsinnig oft von Frauen angesprochen. Es ist völlig entspannt, es ist nicht dieses normale Diskothekenklischee, was am Wochenende herrscht. Also die gehen auch auf einen zu und fragen einen, was machst du denn so und völlig, völlig locker. Ich habe hier noch kein geschäftliches Gespräch geführt."

Sprecherin:
Die Veranstalterin Kerstin Höper sieht es so:

Kerstin Höper:
"Viele Leute, auch viele Frauen, kommen alleine. Und das merkt man an der Atmosphäre, Leute lernen sich hier wirklich kennen. Also ob jetzt ... hier wird jetzt nicht unangenehm gebaggert oder so, das ist mir noch nicht aufgefallen, aber die Atmosphäre ist so, dass die Leute sehr offen sind und auch sehr schnell Kontakt untereinander finden."

Sprecher:
Die Beiden sind sich einig, ein bisschen Single Party ist diese Veranstaltung schon, aber nicht ausschließlich und eher gemäßigt. Der Kontakt unter den Gästen ist zwanglos und unverkrampft, völlig locker und entspannt nennt es der Gast. Die eher unangenehme bis peinliche Alternative dazu beschreiben die Beiden so: Wenn auf einer Party gebaggert wird, die Gäste sich gegenseitig anbaggern oder angraben, versuchen sie – wie mit einer Baggerschaufel – Zuneigung und Aufmerksamkeit zu erlangen. Es beschreibt die aufdringliche Kontaktsuche mit sexuellen Absichten.

Sprecherin:
Im After Work Club im Teatro geht es zwar scheinbar auch ganz harmlos zu, doch findet eine Besucherin, befragt zum Thema Kontakt- und Partnersuche, andere, nicht gerade harmlose Worte:

Gast:
"Ich glaube, dass auf Parties immer die gleichen Loser zu finden sind, die schon seit Jahren in Diskotheken gehen und immer noch keinen Partner gefunden haben. Oder nur so Geschichten, die dann nicht länger als eine Nacht oder eine Woche oder meinetwegen einen Monat dauern, oder, na ja, ich glaube, so weit kommt es noch nicht mal. Nee, ich glaube, das hat nicht so einen Zweck. Also ich bin auf jeden Fall zum Feiern hier und nicht, um irgendwelche Männer kennen zu lernen."

Sprecher:
"Loser" ist ein sehr abwertendes Schimpfwort. Es kommt aus dem Englischen und bedeutet Verlierer. Die hier so bezeichneten Menschen schaffen es nicht, einen Partner für eine lang dauernde Liebesbeziehung zu finden. Ihre vorübergehenden und eher kurzen Kontakte werden hier, ebenfalls abwertend, als Geschichten bezeichnet. Eine Geschichte ist eigentlich eine Erzählung oder Schilderung einer Angelegenheit; eine Geschichte hat Anfang und Ende. Im hier genannten Fall sind damit zwischenmenschliche Abenteuer und Erlebnisse gemeint, deren Ende abzusehen ist, weswegen sie als missglückte Partnersuche betrachtet werden.

Sprecherin:
Eben bezeichnete die Veranstalterin ihre Gäste als offen. "Offen" meint hier, aufgeschlossen und interessiert gegenüber anderen Partybesuchern zu sein, ungehemmt, ehrlich und direkt Gespräche zu führen und Kontakte zu knüpfen. Ein weiterer Gast ist der Ansicht, dass viele hier auf der Suche sind, also Singles, die einen Beziehungspartner finden oder zumindest flirten möchten. Doch dafür seien sie eben gerade nicht offen genug:

Gast:
"Die Leute sind im Großen und Ganzen relativ verschlossen. Das merkt man daran, dass sie relativ wenig nach links und rechts gucken, sondern mehr so für sich, und ich stehe hier alleine und lass' mich bitte in Ruhe. Obwohl sie alle irgendwie auf der Suche sind, aber ich glaub', irgendwie kriegen das alle nicht auf die Kette."

Sprecher:
Den Partybesuchern gelänge es nicht, ihr Anliegen, nämlich die Partnersuche, erfolgreich umzusetzen. Bildlich gesprochen scheitern sie – gleich einem Schmuckhersteller – bei dem Versuch, ihre Anliegen wie Perlen auf die Kette zu kriegen. Man könnte auch sagen, Beide kriegen es nicht auf die Reihe.

Sprecherin:
Es ist nicht möglich, genau festzustellen, was auf After Work Parties passiert und warum sie besucht werden. Ob es darum geht, ganz offen oder eher verschlossen den ein oder anderen zuvor im Büro zwischen Kopiergerät und Kaffeemaschine begonnenen Flirt fortzusetzen oder doch lieber geschäftlich unterwegs zu sein, bleibt letztlich jedem selbst überlassen.


Fragen zum Text

Wenn jemand "schickimicki" ist, dann ist er/sie … gekleidet.
1. hässlich
2. fein
3. geschmacklos

Wer einen auf dicke Hose macht, will den Eindruck erwecken, dass …
1. er/sie besonders gute Gene hat.
2. er/sie besonders reich ist.
3. er/sie zugenommen hat.

Jemand, der/die offen ist, ist …
1. schlecht gelaunt.
2. verschlossen.
3. aufgeschlossen und interessiert.


Arbeitsauftrag
Wie verbringen Sie normalerweise Ihren Feierabend? Schreiben Sie einen kurzen Aufsatz darüber, was Sie nach der Arbeit erledigen müssen und wie Sie Ihre Freizeit gestalten. Lesen Sie ihn anschließend Ihrer Klasse vor.

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