Der eine müsste, der andere will es: fasten. Nichts essen, um abzunehmen oder den Körper von Giftstoffen zu reinigen, egal zu welcher Zeit. In vielen Religionen ist eine Fastenzeit jedoch an bestimmte Termine gebunden.
„Umso schärfer aber sind diejenigen zu verurteilen, die die Lebensmittel, die sie erzeugt haben unter Missachtung ihrer Ablieferungspflicht gegen überhöhte Preise oder nur gegen wertvolle Sachgegenstände veräußern“. In Köln war er früher jedem bekannt: Josef Kardinal Frings. Das war jener legendäre Erzbischof, der nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs den frierenden Kölnern, die von den Waggons und Lastwagen Kohle für den Hausgebrauch stahlen, ihre Sünde des Diebstahls vergab.
Fastenaktionen
In seiner Silvesterpredigt erlaubte er, dass jeder sich das nahm, was er brauchte, um im harten Winter zu überleben. In den deutschen Wortschatz ging diese Form des Diebstahls als „fringsen“ ein. 1958 bewies der hohe Kirchenmann ein weiteres Mal, dass er ein großes Herz hat: Zusammen mit zwei weiteren Geistlichen rief er die sogenannte Fastenaktion „Misereor“ der katholischen Kirche ins Leben.
Seitdem sammelt sie jedes Jahr beginnend mit der Fastenzeit Geld für Hilfsprojekte in Afrika, Asien und Lateinamerika. Die entsprechende Aktion der evangelischen Kirche nennt sich „Brot für die Welt“.
Enthaltsamkeit ist gefragt
Was hat eine solche Fastenaktion mit „Fasten“ zu tun, mag man sich fragen? Verzicht ist das Wesen des Fastens und zwar in allen Religionen, die das Fasten kennen. Es bedeutet – auch vom Wortursprung her –, sich der Nahrung für eine gewisse Zeit ganz oder teilweise zu enthalten. Das althochdeutsche „fastēn“ bedeutete ursprünglich „an den Geboten der Enthaltsamkeit“ festhalten. Darüber hinaus waren früher Jagden, Schauspiele, Prozesse und – wie es hieß – Lustbarkeiten aller Art während der Fastenzeit verboten.
Die Fastenzeit dauert für die Christen von Aschermittwoch bis zum Ostersonntag und dient zur Vorbereitung auf Ostern. Der Islam schreibt das Fasten im Monat Ramadan vor. Im Buddhismus gibt es monatliche Fastentage. Und bei einigen Indianerstämmen mussten die jungen Männer früher eine strenge Fastenzeit einhalten, ehe sie in die Stammesgemeinschaft aufgenommen wurden.
Reinigung ist angesagt
Allen Formen des religiösen, rituellen Fastens ist eines gemeinsam: Sie sollen der Reinigung des Körpers und der Seele dienen. Fasten bedeutet eben auch Askese. Bei den Schamanen und Medizinmännern ist die Askese eine Vorstufe für Zustände der Ekstase. Diese sollen Visionen und Träume herbeiführen – und letztendlich die Nähe zu Gott.
Die Reinigung des Körpers durch Verzicht zum Beispiel auf bestimmte Nahrungsmittel geht einher mit der Reinigung der Seele. In allen Weltreligionen wird dem Fasten diese Bedeutung beigemessen. Durch das Entsagen von der Welt wird das Individuum in einen Zustand versetzt, in dem der Kontakt mit dem Göttlichen hergestellt wird.
Das Heilfasten
Ganz viel Wasser trinken beim Fasten
Weitaus irdischer, aber dem Sinn nach durchaus diesen Ursprüngen entlehnt, ist das „Heilfasten“, ein Begriff, der inzwischen ausschließlich in medizinisch-therapeutischer Bedeutung gebraucht wird. Heilfasten dient zwar in erster Linie der Entlastung der inneren Organe und der Regulierung des Stoffwechsels.
Unbestritten ist aber, dass es auch für die Psyche wohltuende Auswirkungen hat, vorausgesetzt man hält die Fastenzeit durch. Diese ist, ob nun ärztlich verordnet oder durch eine Religion vorgegeben, nicht so ohne Weiteres zu überstehen. Wer „Vollfasten“, sprich Nulldiäten, „Saftfasten“ oder einfach eine strenge Diät hinter sich gebracht hat, weiß wovon wir reden. Allerdings ist das Gefühl, es geschafft zu haben, ein wunderbares und rechtfertigt alle Mühen und Entsagungen im Nachhinein.
Fastenbrechen
Wie wohltuend ist nach Tagen oder Wochen das „Fastenbrechen“, wenn man wieder das essen kann, was man will. Aber Vorsicht: Nicht direkt dicke Sahnetorte oder eine fette Gans vertilgen! Der Organismus muss langsam an die normale Kost gewöhnt werden.
Das religiöse Fastenbrechen sieht ein bisschen anders aus: Bei den Katholiken werden Speisen in der Kirche gesegnet, die am Ostersonntag im Kreise der Familie gegessen werden. Im Islam wird während des Fastenmonats Ramadan abends zu einer bestimmten Zeit der Fastentag durch das Fastenbrechen beendet.
Fastenwandern
Wer möchte, kann sich auch einer besonderen Form des Fastens hingeben: dem „Fastenwandern“. 1995 wurde in Deutschland ein entsprechender Verein gegründet. Eine Fasten-Wander-Zentrale ist, wie es in der Werbung heißt, „bemüht, die Fasten-Wander-Idee auszubreiten“. Das bedeutet: keine feste Nahrung, Bewegung, frische Luft – ob in Deutschland, Europa oder sogar in Afrika.
„Sprachlich gefastet“ wird dabei allerdings selten. Denn das Fastenwandern findet in der Regel in einer Gruppe statt. Und dann steht das Mundwerk bestimmt nicht still. Wer will, kann den „Fastenwanderfreund“ oder die „Fastenwanderfreundin“ über die Herkunft einer bekannten deutschen Redensart aufklären, die mancher während des Fastens sogar freiwillig anwendet: am Hungertuch nagen.
Am Hungertuch nagen
Ist jemand arm oder hat nicht genug Geld, um sich etwas Außergewöhnliches zu leisten, dann „nagt“ er „am Hungertuch“. Ursprünglich bedeutete die Redewendung aber „am Hungertuch zu nähen“. Und das Hungertuch hieß im Mittelalter „Fastenvelum“.
Dies war ein großes Leinentuch, das während der Fastenzeit bis kurz vor Ostern in Kirchen vor dem Altarraum aufgehängt wurde. Es sollte den Altar verhüllen und zur Buße mahnen. Manchmal war es bestickt oder bemalt.
Gemeinsame Beschäftigung zum Ende der Fastenzeit
Am Karmittwoch wurde es mit den Worten: „Und der Vorhang im Tempel zeriss!“ (lateinisch: „Velum templi scissum est!“) entfernt. Da die einzelnen Stücke des Vorhangs zusammengenäht werden mussten, nähte man am Hungertuch. Diese Bedeutung ging im Laufe der Jahrhunderte verloren. Aus „nähen“ wurde „nagen“, weil man sich das im Zusammenhang mit Hunger besser vorstellen konnte.