Der eine wird gelb vor Neid, der andere bekommt die rote Karte gezeigt. Manche sehen alles grau in grau oder sogar schwarz. Besonders dann, wenn sie trotz anfänglichem Optimismus nicht auf einen grünen Zweig kommen.
Sprecher:
Farben machen das Leben bunter. Und mit Farben wollen wir uns heute beschäftigen. Gelb ist eine Farbe mit langer Geschichte. So stand Gelb im Altertum für Vitalität und Kraft. In China durften nur die Himmelssöhne, die Kaiser, gelbe Kleider tragen, gelbe Dächer auf ihren Häusern haben oder von gelbem Geschirr essen. Später im Mittelalter war Gelb zum einen die Farbe einer erfüllten Liebe, aber auch käufliche Liebe stand im Zeichen der gelben Farbe, denn Prostituierte trugen zumeist gelbe Gewänder. Andererseits – und diese negative Bedeutung ist der Farbe bis heute geblieben – war Gelb damals die Farbe von Tod, Bosheit und Neid. Wer also gelb vor Neid wird, ist missgünstig, gönnt anderen nicht den Erfolg oder die Freude.
Sprecherin:
In welchen Zusammenhängen Farben in unserer Alltagssprache sonst noch verwendet werden, ist unser Thema heute und dafür haben wir natürlich nur das Gelbe vom Ei für Sie herausgepickt.
O-Töne:
"Das Gelbe vom Ei, das ist eben das Wichtige, der Kernpunkt, das Innen, das Wichtige. / Der Kasus Knacktus. / Wenn etwas besonders gut ist. / Das Gelbe vom Ei ist, das ist was Gutes, was Positives, würd ich sagen. / Das Gegenteil ist, wenn etwas nicht ganz in Ordnung ist. / Das Gelbe vom Ei ist das, was, ja, absolut Nonplusultra, das Beste, das Schönste. / Das ist das Leckere vom Ei, also das ist das, die Essenz vom Ei. / Ja, also, wenn ich sage, dat ist das Gelbe vom Ei oder das ist nicht dat Gelbe vom Ei, dann heißt dat eben, das ist das Wahre oder das ist nicht das Wahre."
Sprecher:
An dieser Stelle muss natürlich zuerst einmal erklärt werden, was ein Kasus Knacktus ist. Der lateinische Kasus ist, ganz klar, identisch mit dem grammatischen Kasus, dem Fall. Und eine Sache knacken bedeutet, ihren Kern aufdecken. Der Kasus Knacktus ist also ein Fall zum Knacken oder der Knackpunkt, der Kern einer Sache. Das Nonplusultra kann man ganz leicht übersetzen: es ist das, was nicht mehr übertroffen werden kann. Doch zurück zu unseren Farben. In Verbindung mit der Farbe Gelb ist es ganz natürlich zu bedenken, dass gelb eine Vorstufe von rot ist.
Sprecherin:
Und zwar nicht nur auf der Farbenskala und auch nicht nur beim Fußball. Wenn Ihr Chef Ihnen die gelbe Karte zeigt, dann zieht er kein gelbes Zettelchen aus seiner linken Jackentasche. Jemandem die gelbe Karte zeigen ist eine Metapher, die bedeutet "Sei gewarnt!". Man sollte also in Zukunft etwas vorsichtiger an die Dinge herangehen, wenn man sich nicht selbst disqualifizieren will, also die rote Karte riskieren will.
O-Töne.
"Jemanden warnen beziehungsweise extrem warnen, rote Karte. / Wenn sich einer so daneben benimmt, dass man ihn nicht mehr sehen möchte. / Bis hierher aber nicht mehr weiter."
Sprecherin:
Wer sich im Sport durch ein Foul, einen Fehler, disqualifiziert, der bekommt vom Schiedsrichter die rote Karte und muss das Spielfeld verlassen. Im übertragenen Sinne würde es schlimmstenfalls bedeuten, dass man seinen Job verliert. Aber auch in weniger kritischen Situationen kann man sich durch eine dumme Bemerkung disqualifizieren, kann man also sein Gesicht verlieren. So, lange Rede kurzer Sinn. Ich hoffe, jetzt ist Ihnen klar, worum es heute geht, was der rote Faden all dieser Erörterungen ist.
Sprecher:
Der rote Faden, das ist der Grundgedanke, der alles zusammenhält. Und dies ist nicht etwa meine persönliche Meinung, sondern das vielbenutzte Zitat eines viel berühmteren Menschen. Johann Wolfgang Goethe sagte dies in seinen Wahlverwandtschaften im zweiten Teil des zweiten Kapitels. Glaubt man Goethe, dann geht die Herkunft des roten Fadens zurück auf einen Brauch in der englischen Marine. Seit 1776 war es dort üblich geworden, alle auf einem Schiff verwendeten Taue, die der Krone gehörten, durch einen eingewebten roten Faden kenntlich zu machen. Der rote Faden, sowohl bei Goethe wie auch im heutigen Sprachgebrauch, bezeichnet daher das Innere einer Sache, ihren Kern, das Wesentliche, die Quintessenz. So kann sich ein philosophischer Gedanke wie ein roter Faden durch einen Roman bewegen, oder so kann ein einziger Witz der rote Faden einer Talkshow sein. Rot ist nicht nur in diesem Zusammenhang eine Farbe, die auf etwas aufmerksam macht. Rot taucht in vielen Ausdrücken auf, die starke Gefühle beschreiben, so zum Beispiel wenn jemand rot sieht oder wenn jemand wie ein rotes Tuch auf einen anderen wirkt.
Sprecherin:
Ich sehe natürlich nicht rot, sondern bleibe ganz cool. Mich regt so leicht nichts auf. Aber so ein Stier, wenn der rot sieht, wenn der ein rotes Tuch sieht, dann geht's zur Sache.
O-Töne:
"Das kommt ganz klar vom Stierkampf, vom Torrerokampf, das heißt, es kann einen jemand nicht leiden oder gerät in Wut, sobald er einen anschaut. / Also wenn einer so – im Charakter – so ist, dass er einen aufregt, dann ist er für mich 'nen rotes Tuch. / Besondere Abneigung zeigen. / Wenn man selber ein rotes Tuch für jemanden ist, ja, dass der andere einen absolut nicht leiden kann. / Jemanden überhaupt nicht abkönnen, jemanden gar nicht zu mögen. / Jemanden nicht leiden können."
Sprecher:
Rot ist also in jedem Fall eine Signalfarbe, sowohl positiv als auch negativ. Wenn das eigene Konto in den roten Zahlen steht, so wie in der Buchführung der Minusstand in Rot vermerkt wird, muss man den Rotstift ansetzen. Das heißt klar und deutlich, sparen ist angesagt. Überflüssige Ausgaben müssen gestrichen werden. Das muss natürlich nicht notwendigerweise mit einem roten Stift geschehen, am Sparen an sich ändert sich dennoch nichts. Angenehmer wird es, wenn Ihnen ein roter Teppich ausgerollt wird, denn das ist ein Zeichen von Ehrerbietung, wie sie sonst nur dem Papst oder Politikern zuteil wird. Doch auch im übertragenen Sinne benutzt man den roten Teppich gerne, um einer anderen Person zu sagen, das war eine tolle Leistung, Respekt. Und Sie dürfen einen solchen Tag getrost rot in Ihrem Kalender anstreichen.
O-Töne:
"Aufmerksamkeit, aufmerksam machen auf 'nen bestimmten Termin, zum Beispiel. / Etwas rot im Kalender anstreichen, bedeutet für mich, das ist ein Geburtstag, das fällt auf, und das sehe ich dann sofort. / Ich war kürzlich in Russland, und da heißt ja rot schön. Also das passt jedenfalls nicht, aber im Kalender rot anstreichen, rot ist die auffallendste Farbe und daher ist eine Sache der Notwendigkeit. / Wenn man sich was merken will, ja, Weihnachten, Ostern und Pfingsten, aber das steht ja schon sowieso im Kalender. / Das sind Dinge, die ich mir unbedingt merken muss, Geburtstage, oder irgendwelche Erinnerungstage, Termine."
Sprecherin:
Wer Rot trägt, zeigt Gefühle. Rot ist schließlich nicht umsonst die Farbe der Liebe, der Herzen, des Blutes, der Gefühle und Leidenschaften. Und vielleicht entwickelte sich mit Blick auf die starken Gefühle der folgende Ausdruck, nämlich etwas durch die rosarote Brille sehen. Hierbei handelt es sich nicht um eine modische Neuschöpfung für Brillenträger. Eine rosarote Brille trägt, wer gewisse Dinge sehr gefühlsbetont, manchmal geradezu gefühlsduselig angeht.
O-Töne:
"Rosarote Brille macht die Bilder ein bisschen schöner, die man so einfängt mit den Augen. / Zu naiv die Dinge sehen, zu ideell vielleicht. / Was schöner zu sehen, als es in Wirklichkeit ist. / Wenn ich vielleicht nicht ganz klar sehe, oder das mit anderen Augen sehe, ich sehe das rosarot, ein anderer sieht das vielleicht nüchterner, ne. / Eine rosarote Brille ist für mich also Optimismus und Fröhlichkeit, Lebensbejahung und alles schön sehen. / Wenn die Leute bewusst nichts mehr hören und sehen wollen. Das hat mit der Brille des Sehens im weitesten Sinne nichts zu tun
Sprecher:
So wie die rosarote Brille die Wirklichkeit in einem manchmal zu positivem Licht erscheinen lässt, so trist mag die Welt für diejenigen sein, die immer nur alles Grau in Grau sehen. Grau wird gerne als typische Novemberfarbe bezeichnet und erhält durch den religiösen Hintergrund, dass der November der Monat der Toten ist, einen weiteren mit Trauer und Tristesse verbundenen Charakter. An trüben Tagen hört man oft den Spruch, der mehr beschreibt als nur die derzeitige Wetterlage: Der Himmel ist aber heute wieder einmal Grau in Grau. Hier fehlen die Lichtblicke – ebenso wie bei dem trostlosen Klischee des grauen Alltags, hinter dem sich eigentlich Langeweile und Antriebslosigkeit verbergen. Wer also die Dinge Grau in Grau sieht, stellt sie zu pessimistisch dar, wobei Kritiker diesen Ausdruck besonders gerne benutzen, um politische oder ökonomische Missstände anzuprangern oder wiederholt ins öffentliche Gedächtnis zu rufen.
Sprecherin:
Nicht viel anders ist es um die Schwarzseher bestellt. Diese Menschen neigen keineswegs zum Okkultismus, zu schwarzen Messen und pseudo-religiösen Ritualen. Auch wird ihnen nicht plötzlich schwarz vor Augen, sprich, sie fallen in Ohnmacht. Schwarzsehen ist einfach, na was denn?
O-Töne:
"Zum Negativismus neigen. Pessimismus, ne? Ein Mensch, der optimistisch ist, der sieht eben nicht schwarz, ne und ein Pessimist, der sieht eben alles schwarz, ne. Ich sehe alles schlecht, ne, in der Zukunft, ne. Wenn ich jetzt zum Beispiel sage, ja was erwartet uns noch? Der andere sät, 'och dat wird schon werden', und eben der schwarz sieht, der sagt, es wird nichts mehr. Es kann nicht besser, es kann höchstens schlechter werden, ne. / Der ist in allem ein bisschen pessimistisch beziehungsweise negativ, und der richtet sich ganz wie im Mittelalter nach Kassandra."
Sprecher:
Kassandra ist eine Figur aus der griechischen Mythologie, die Tochter des Königs Priamos. Der Gott Apollo hatte ihr eine ganz besondere Gabe übertragen, sie konnte weissagen. Doch eine andere wichtige Gabe versagte ihr der als Liebhaber verschmähte Apollo, die der Überzeugung. So kam es, dass Kassandra Paris und Helena vergeblich vor dem hölzernen Pferd von Troja warnte. Ungeachtete Warnungen nennt man daher Kassandrarufe.
Sprecherin:
Doch nun wollen wir wieder etwas Farbe ins Spiel bringen. Und da kommt mir ein lustiger Zwischenfall bei meinen Streifzügen durch unsere Alltagssprache gerade recht. Es geht um die grüne Minna. Minna nannte man früher die Hausmädchen betuchter Familien. Heute kann man jemanden schon mit ein paar deftigen Worten ganz schnell zur Minna machen, also einschüchtern. Aber was ist denn nun eine grüne Minna?
O-Ton:
"Dat ist ein fahrbares Mobil, die, das sind Leute, die mit dem Gesetz in Konflikt gekommen sind und dann jetzt verreisen müssen. / Grüne Minna ist 'ne Polizeistreife, ein Polizeiauto, was, ich glaub, das kommt aus Berlin, ist umgangssprachlich."
Sprecherin:
Bei soviel Informationen möchte ich auch einmal mein Wissen an die Frau oder an den Mann bringen, sonst kommen wir ja nie auf einen grünen Zweig hier. Und auch das ist natürlich wieder ein Spruch mit Hintergrund.
Sprecher:
Der Ursprung des grünen Zweigs liegt in einem alten Rechtsbrauch aus der Zeit des Lehenswesens. Wollte ein Gutsbesitzer ein Grundstück verkaufen, übergab er dem Käufer eine Rasenscholle mit einem kleinen Zweig eines Baumes von diesem Grundstück als rechtswirksame Vertragsunterzeichnung. Wer also keinen grünen Zweig sein Eigen nennen kann, hat kein Eigentum erworben, ist ein armer Schlucker.
O-Töne:
"Das ist jemand, der im Leben nicht zurecht kommt, mindestens finanziell nicht zurecht kommt. Wie auch immer, ob nun beeinflussbar oder nicht, aber er kommt eben nicht dahin, wo er hingehen möchte eigentlich. Ich würde sagen, das ist mehr finanziell gedacht, materiell. / Der kann sich anstrengen wie er will, der schafft nichts im Leben, ne. Manche Menschen, die machen alles spielend, und der andere rackert sich ab und schafft doch nichts. / Das ist, wenn einer ewig Schulden hat und kommt aus seinen Schulden nicht raus und kommt nicht auf einen grünen Zweig. / Es nicht zu schaffen, auf den richtigen Weg zu kommen/ Nicht aus 'ner bestimmten finanziellen Misere rauskommen. / Wenn man kein Glück hat. / Dass einem nichts Sinnvolles einfällt."
Sprecherin:
Ehe die Farbe Grün nun für Sie zum roten Tuch wird, machen wir doch einfach Schluss für heute, ziehen unsere rosarote Brillen auf und drehen eine Runde mit der grünen Minna, oder wie war das noch mal gleich?
Musik:
Volkslied: "Grün sind alle meine Kleider"
"Grün, grün, grün sind alle meine Kleider,
Grün, grün, grün ist alles, was ich hab.
Darum lieb ich alles was so grün ist,
Weil mein Schatz ein Jäger, Jäger ist …"
Fragen zum Text
Neid und Missgunst werden mit der Farbe … in Verbindung gebracht.
1. Rot
2. Gelb
3. Schwarz
Will man sich etwas merken, dann …
1. setzt man die rosarote Brille auf.
2. streicht man etwas rot im Kalender an.
3. malt man alles grau in grau.
Ein ständiger Misserfolg bedeutet, dass jemand …
1. auf keinen grünen Zweig kommt.
2. sich nur das Gelbe vom Ei herauspickt.
3. Kassandrarufen nachgibt.
Arbeitsauftrag
Im Deutschen gibt es viele Redewendungen, in denen Farben verwendet werden. Zählen sind mindestens 20 unterschiedliche auf und erklären Sie deren Bedeutung.
Autorin: Gabriele Klasen
Redaktion: Beatrice Warken