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Medwedews Eigentor

Ingo Mannteufel5. November 2008

Seine Rede zur Lage der Nation hielt Russlands Präsident Medwedew ausgerechnet kurz nach dem historischen Sieg von Obama bei den US-Präsidentenwahlen. Nicht nur der Zeitpunkt war schlecht gewählt, meint Ingo Mannteufel.

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Bild: DW

Eigentlich wollte der russische Präsident Dmitri Medwedew seine Rede zur Lage der Nation Ende Oktober vor beiden Kammern des russischen Parlaments halten, doch dann verschob er sie auf den 5. November, also auf einen Zeitpunkt wenige Stunden nach den US-Präsidentenwahlen. Vor dem Hintergrund der angespannten Beziehungen zwischen dem Westen und Russland kann es wohl kaum einen schlechteren Zeitpunkt für eine strategische Rede des russischen Präsidenten geben als diesen Tag.

Es spricht zwar für Medwedews politische Klugheit, dass er in seiner Rede zur Lage der Nation heftige anti-amerikanische Ausfälle im Stile anderer russischer Politiker vermieden hat. Dennoch war es nicht günstig, dass Medwedew seine Rede so kurz nach dem historischen Sieg von Barack Obama gehalten hat.

Europäische Ängste geschürt

Ingo Mannteufel (Quelle: DW)
Ingo Mannteufel, Leiter der Russischen Online- und Radio-Redaktion der Deutschen Welle

Denn die Wiederholung der primitiven These, dass die USA Schuld am Georgien-Krieg, der Finanzkrise und allem anderen Ungemach dieser Welt seien, wirkt vielleicht in russischen Augen überzeugend. Der komplexen Realität wird diese Behauptung nicht gerecht. Und in Europa wird sie trotz mancher Kritik an Washington nicht geteilt - erst recht nicht, nachdem nun mit Barack Obama der politische Wandel in der US-Politik gewählt worden ist.

Ebenso war die russische Ablehnung des US- Raketenabwehrschildes in Polen und Tschechien mehr als bekannt. Dazu bedurfte es nicht der heutigen Rede von Medwedew. Seine Ankündigung, in Kaliningrad russische Abwehrraketen vom Typ Iskander zu stationieren, ist wohl die Kernaussage, die in den Köpfen der westlichen Politiker und Bürger von der heutigen Medwedew-Rede hängen bleiben dürfte. Selbst wenn die militärische Bedeutung dieser russischen Raketen-Stationierung in der Mitte Europas begrenzt ist, so gibt sie dem Bild des aggressiven Russlands neue Nahrung. Die Verkündigung der Iskander-Stationierung sollte Stärke dokumentieren, doch stärkt sie eher die europäische Furcht vor Russland.

Schleichende Abkehr vom System Putin?

Mit dem Zeitpunkt seiner Rede und den außenpolitischen Äußerungen hat sich Medwedew also keinen Gefallen getan, auch wenn er in mancher kremlnologischer Hinsicht einiges Interessantes zu bieten hatte: Insbesondere seine politischen Reformvorhaben – beispielsweise die Senkung der 7-Prozent-Hürde bei Parlamentswahlen und die Vereinfachungen bei der Registrierung von Parteien und Kandidaten – könnten auf sehr vorsichtige Bemühungen einer Liberalisierung der von Putin geschaffenen politischen Strukturen schließen lassen.

Ebenso zeigen Medwedews massive Kritik am allmächtigen bürokratischen Staatsapparat und seine Pläne für eine Bildungsoffensive, dass er verstanden hat, wo die eigentlichen Probleme Russlands liegen. Doch diese Absichtserklärungen sind am heutigen Tag für einige Russland-Experten interessant, doch nicht für die öffentliche Meinung in Europa.

Vergebliches Werben um Europa

Denn mit dem historischen Sieg Obamas und dem Ende der achtjährigen Regierung von George W. Bush beginnt eine neue Phase in den transatlantischen Beziehungen, an der Russland nicht teilhaben will. Denn auch wenn nicht Einigkeit in allen politischen Fragen zwischen den USA und der Europäischen Union existiert, so sollte die russische Führung begreifen, dass für Europa - und auch für Deutschland - die Partnerschaft mit den USA als vorrangig gesehen wird.

Die Beziehungen zu Russland sind für Europa wichtig und bedeutend, aber eben im Vergleich zu den USA – auch wenn man das vielleicht in Moskau nicht gerne hört – nicht gleichrangig. Das zeigt sich auch darin, dass das Interesse in Europa für die US-Wahlen sehr groß war – und auch die Begeisterung über den Sieg von Barack Obama. Dagegen wird von Medwedews Rede nur eins in Erinnerung bleiben: Russland wird neue Raketen in Kaliningrad stationieren.

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