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"Für die historische Wahrheit"

9. September 2004

- Polnische Stadt Jaslo erstellt Dokumentation über Zerstörung während des Zweiten Weltkrieges

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Warschau, 8.9.2004, WIRTUALNA POLSKA, poln.

Zum Jahrestag des deutschen Überfalls auf Polen haben sich die Stadtbehörden der Stadt Jaslo in der Region Podkarpacie entschieden, eine Dokumentation über die Zerstörung der Stadt zu erstellen. Jaslo war die am meisten zerstörte Stadt während des Zweiten Weltkrieges. Die Stadt Jaslo, die vor dem Zweiten Weltkrieg etwa 15 000 Einwohner zählte, wurde zu 97 Prozent zerstört und nach dem Zweiten Weltkrieg sind hier nur drei Gebäude übrig geblieben.

Die Stadtbehörden fordern jedoch vorerst keine Entschädigung von Deutschland. Diese Dokumente wurden "für die historische Wahrheit" erstellt und sie sollen der nachfolgenden Generationen in Erinnerung bleiben. "Wir werden sie an die obersten Behörden Deutschlands, an die deutschen Medien und an Erika Steinbach und an die "Preußische Treuhand" schicken. Sie sollten das lesen und vielleicht werden sie dann endlich begreifen, dass der Krieg nicht von Polen angezettelt wurde", sagt Krzysztof Wnek, stellvertretender Bürgermeister von Jaslo. Er gibt zu, dass sich die Stadtbehörden bei ihrem Vorhaben von dem Präsidenten Warschaus - Lech Kaczynski - inspirieren ließen.

"Wenn die deutschen Organisationen jedoch auf ihren Entschädigungsforderungen weiterhin beharren sollten, sind wir jederzeit imstande, unsere eigene Rechnung vorzulegen. Uns stehen Dokumente zur Verfügung, die von dem Besatzer selbst gefertigt wurden, d. h. was in welchen Mengen aus der Stadt weggebracht wurde", fügt Krzysztof Wnek hinzu.

Im Falle der Stadt Jaslo wird das eine hohe Rechnung sein, die mindestens einige Milliarden Zloty betragen wird. Im Jahre 1947 wurden die Verluste der Stadt Jaslo auf 70 000 Millionen Zloty geschätzt.

Vor dem Zweiten Weltkrieg wohnten etwa 15 000 Menschen in Jaslo, ein Drittel davon waren Juden. Die Stadt stand unter Denkmalschutz und war sehr gepflegt. Hier gab es keine nationalen Auseinandersetzungen. Sie wurde vor allem von reichen und pensionierten Einwohnern der Region Podkarpacie bevorzugt, die in Jaslo ihren Lebensabend verbringen wollten.

Diese Stadt wurde am 8. September 1939 von den Deutschen besetzt. Sie ließen sie total zerstört erst am 15. Januar 1945 zurück. Zuerst wurden Juden auf dem hiesigen jüdischen Friedhof erschossen. Die anderen Juden wurden in das Konzentrationslager Belzec verschleppt. Von den mehreren tausend Juden aus Jaslo haben nur weinige Personen den Zweiten Weltkrieg überlebt. Sie wurden von den polnischen Nachbarn versteckt und gerettet.

Nach dem Plan von Walter Gentz, dem deutschen Starosten von Jaslo, sollte hier eine deutsche Musterkolonie entstehen, um der Welt zu zeigen, wie gut die Besatzer die von ihnen eroberten Gebiete pflegen. Als sich im Sommer 1944 die Ostfront der Stadt näherte, befahl Walter Gentz zuerst die Evakuierung der Einwohner und dann gab er den Befehl, diese Stadt zu zerstören. (...)

Die detaillierten Informationen über die "Requirierung" in der Stadt Jaslo wurden in den Originaldokumenten gefunden, die von den Deutschen selbst zusammengestellt und weggebracht wurden. Sie wurden im Fort Alexandria im Bundesstaat Virginia in den USA aufbewahrt. Auf Bitte des stellvertretenden Bürgermeisters von Jaslo fand sie dort ein pensionierter Historiker der Universität Marie Curie-Sklodowska in Lublin.

Bei der Untersuchung dieser Dokumente zeigte sich, dass die Besatzer mit deutscher Gründlichkeit beschrieben haben, was, wo und wie viel sie in Jaslo geraubt haben und in welche Stadt die "Beute" dann geschickt wurde und zwar mit Angabe des genauen Datums und der Stunde des Transports.

"Dabei handelt es sich nicht um unsere Schätzungen, sondern um originale Dokumente, die von dem Besatzer selbst gefertigt wurden. Niemand kann uns also vorwerfen, dass wir uns nicht an die historische Wahrheit halten", betont der stellvertretende Bürgermeister von Jaslo. (sta)