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Religiöse Rechte eingefordert

Christoph Strack12. November 2013

Die Europäische Rabbinerkonferenz hat ihr Jahrestreffen in Berlin 75 Jahre nach den Nazi-Pogromen als erfolgreich bewertet. Dennoch kritisierten die Rabbiner Einschränkungen ihrer religiösen Bräuche - europaweit.

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Rabbiner vor dem Brandenburger Tor (Foto: Britta Pedersen/dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Die europäischen Rabbiner haben Einschränkungen religiösen Lebens in Europa beklagt. Als Beispiel nannte der Vizepräsident der Konferenz Europäischer Rabbiner (CER), Yaakov Dov Bleich, das Verbot des Baus von Minaretten in der Schweiz. „Wenn die Einschränkungen jetzt Muslime treffen, dann treffen sie als nächstes die Juden“, sagte der ukrainische Oberrabbiner in Berlin.

Dort hatten sich mehr als 200 Rabbiner aus 33 europäischen Ländern während eines dreitägigen Treffens mit wachsenden rechtlichen Problemen jüdischen Lebens in europäischen Ländern befasst. Als jüngstes Beispiel nannte Bleich ein Votum der Parlamentarischen Versammlung des Europarats, die im Oktober mit großer Mehrheit eine Resolution gegen religiös motivierte Beschneidungen von Kleinkindern verabschiedet hatte.

Lob für Kanzlerin Merkel

In diesem Zusammenhang würdigte Rabbiner Bleich das Engagement von Bundeskanzlerin Angela Merkel im Streit um Beschneidungen in Deutschland, der 2012 zu einer gesetzlichen Regelung führte. Allerdings sei das Thema für die jüdische Seite noch nicht vom Tisch. „Wir haben eine Schlacht gewonnen, aber nicht den Krieg“, so Bleich. Heute gehe es um die europäische Ebene. Das Votums des Europarats sei für die jüdischen Gemeinden in Europa „nicht akzeptabel“. Die europäische Politik müsse die Freiheit der Religion respektieren.

Signalwirkung

Die Konferenz Europäischer Rabbiner hielt erstmals überhaupt ihre Mitgliederversammlung in der deutschen Hauptstadt ab. Zum 75. Jahrestag der Pogromnacht wollten sie damit auch ein Signal für das wiedererstarkte jüdische Leben in Europa setzen. Während der Tagung ging es in einem Schwerpunkt auch um Fragen des jüdischen Familienrechts wie die Regelung der Scheidung, die im orthodoxen Judentum bislang nur vom Mann beantragt werden kann.

Bei der anschließenden Pressekonferenz drängte der CER-Vizepräsident Bleich zudem auf weiteres Engagement der europäischen Länder im Kampf gegen Antisemitismus. Das Konzept dabei müsse lauten „Bildung, Bildung, Bildung“, um Respekt und Toleranz zu vermitteln. Beim Thema Antisemitismus gehe es um die „Frage nach Europa insgesamt“.

Kooperation mit Christen und Muslimen

Die europäischen Rabbiner arbeiten nach Angaben Bleichs im Kampf gegen Antisemitismus und Beschränkungen religiösen Lebens eng mit Muslimen und der katholischen Kirche zusammen. Der CER-Exekutivsekretär Rabbi Elimelech Vanzetta erläuterte, die katholische Kirche engagiere sich bei diesem Thema nachdrücklich an der Seite der Juden. So erinnerte er daran, dass das erste Schreiben des neuen Papstes Franziskus an den römischen Oberrabbiner gerichtet gewesen sei. Und in Polen engagiere sich die katholische Kirche im Streit um religiöse Freiheiten „als größter Unterstützer“ von Juden und Muslimen.

Eine scharfe Absage erteilten die CER-Spitzenvertreter der Bewegung sogenannter „messianischer Juden“. So bezeichnen sich ganz überwiegend freikirchliche Christen, die an Jesus glauben und sich zugleich in der Tradition des Judentums sehen. Diese Ausrichtung habe die Bezeichnung Jude regelrecht „gehijacked“, so der in den USA geborene Bleich. Jesus als Messias, als göttliche Gestalt oder Teil der Trinität werde eben vom heutigen Judentum nicht akzeptiert. Es gebe auch keine „messianischen Rabbiner“. Er erwarte diesbezüglich aber keine Klarstellung aus Rom, erläuterte Bleich. In der Regel handele es sich bei sogenannten messianischen Juden schließlich nicht um Katholiken, sondern um Protestanten.

Rabbiner gedenken in Berlin

Holocaust-Gedenken

Am späten Montagabend hatten die Rabbiner aus allen Teilen Europas am Berliner Holocaust-Mahnmal der Opfer der Shoah gedacht (Artikelbild). Nach ihrem Abendprogramm begaben sie sich zum Brandenburger Tor und zogen mit Kerzen zum nahegelegenen Denkmal für die ermordeten Juden Europas. Dort verweilten sie einige Minuten in stillem Gebet und mit Gesang bis kurz vor Mitternacht. Einer der Gelehrten sprach im Namen der Gruppe das Kaddisch, eines der wichtigsten Gebete des Judentums, das auch zum Totengedenken dienen kann. CER-Präsident Rabbiner Pinchas Goldschmidt betonte am Rande, heute sei jüdisches Leben in vielfacher Form in Deutschland wieder lebendig. Dafür sei man dankbar.