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EU will 40 Prozent weniger Klimagase

Bernd Riegert/Elizabeth Shoo22. Januar 2014

40 Prozent weniger Klimakiller, 27 Prozent erneuerbare Energie bis zum Jahr 2030. Das sind die Ziele der EU-Kommission. Zu wenig, sagen Umweltgruppen. Das sollen andere erst einmal bringen, sagt die EU-Kommission.

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EU Klimaziele 2030 PK 22.01.2014
Klare Zahl vor Augen: Kommissare Oettinger (li.), Barroso (Mi.), HedegaardBild: picture-alliance/dpa

Gleich drei Kommissare hatte die EU aufgeboten, um das ganze Bündel an Vorschlägen, Studien und Berichten vorzustellen, mit denen die Energieerzeugung in Europa von 2030 an klimafreundlicher, billiger und wettbewerbsfähiger werden soll. Der Chef der EU-Kommission, Präsident Jose Barroso, sagte, er wolle mit seinen Kollegen für Energie, Günther Oettinger, und Klimawandel, Connie Hedegaard, eine umfassende Diskussion anstoßen. Erste Entscheidungen werden die EU-Mitgliedsstaaten und das Europäische Parlament frühestens im Frühjahr 2015 treffen. Als oberstes Ziel verkündete Barroso 40 Prozent Einsparung von schädlichen Treibhausgasen bis zum Jahr 2030, verglichen mit dem Jahr 1990. Bislang galt das Ziel 20 Prozent bis zum Jahr 2020. Barroso nannte das Ziel ehrgeizig, aber zu schaffen. Um dieses Klimaziel zu erreichen, soll der Anteil der erneuerbaren Energieformen, Wind, Wasser, Sonne, Erdwärme, bis zum Jahr 2030 auf 27 Prozent gesteigert werden. Dieses Ziel gelte für die ´gesamte Europäische Union. Welchen Anteil jedes der heute 28 Mitgliedsländer erbringen soll, ließ Barroso bewußt offen: "Wir schlagen keine verbindlichen nationalen Ziele für erneuerbare Energiequellen von Staat zu Staat vor, wie wir das bisher gemacht haben. Denn wir haben gelernt, dass diese individuellen Ziele den europäischen Binnenmarkt zersplittern. So könnten wir die Ziele nicht auf dem kostengünstigsten Weg erreichen."

Zu wenig, zu viel? Umweltgruppen protestieren

Belgien EU Demonstration in Brüssel gegen neue Klima- und Energieziele
Notruf für das Klima: Umweltschützer vor der EU-Kommission in BrüsselBild: DW/B. Riegert

Bereits vor der Veröffentlichung der Klimaschutz-Ziele hatte es unter den Mitgliedsstaaten heftige Diskussionen gegeben. Eine Gruppe von Staaten, zu denen auch Deutschland und Frankreich gehören, hatten sich für striktere Regeln eingesetzt. Eine andere Gruppe, zu der Großbritannien und Polen gehören, wollten laschere Ziele. Der Weg zu diesen Zielen sollte möglichst nicht vorgeschrieben werden.
Den Kompromiss, den die EU-Kommission jetzt anbietet, griffen zahlreiche Umwelt- und Klimaschutzgruppen in Brüssel an. Sie demonstrierten vor der EU-Kommission während im Gebäude die Klimaziele verkündet wurden. Brook Riley, Sprecher der Organisation "Friends of the Earth", sagte der DW, die Europäische Union sollte ehrgeiziger sein: "Wir sagen laut und deutlich, dass die EU-Kommission ambitionierte Ziele für die Reduzierung von Klima-schädlichen Gasen vorschlagen muss, und zwar 60 Prozent im Jahr 2030. Wir wollen außerdem bindende Ziele bei Energieeffizienz und erneuerbarer Energie, damit wir in Europa ein sauberes Energiesystem bekommen, das den Bürgern nützt." Die EU-Kommissarin für Klimaschutz, Connie Hedegard, warf den Umweltgruppen vor, sie machten es sich zu einfach. Die maximalen Forderungen seien politisch überhaupt nicht durchzusetzen. Man müsse realistisch bleiben. "In meinem zweiten Leben könnte ich auch für eine Nichtregierungsorganisation arbeiten. Da hätte ich es schön einfach."

Wirtschaftliche Interessen sollen größere Rolle spielen

Die Klimaziele müssten auf jeden Fall so erreicht werden, dass die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen nicht leidet, sondern sogar besser werde. Dazu müßten die EU-Mitgliedsstaaten ihre Energienetze grenzübergreifend ausbauen und vernetzen, so EU-Kommissionspräsident Jose Barroso. "Ich will ernsthafte Anstrengungen sehen, unsere Energieversorgung so kostengünstig wie möglich zu machen. Die zu hohen Kosten rühren zum großen Teil daher, dass wir keinen funktionierenden Binnenmarkt in Europa haben. Die sehr unterschiedlichen Fördersysteme der Mitgliedstaaten erzeugen zusätzliche Kosten."

Infografik Kosten Stromproduktion Europa

Dem deutschen EU-Kommissar für Energiepolitik, Günther Oettinger, sind vor allem die relativ hohen Gas- und Strompreise in Europa ein Dorn im Auge. "Wenn wir feststellen müssen, das zum Beispiel der Gaspreis in der Europäischen Union das Dreifache bis Vierfache umfasst im Vergleich zu den USA, dann ist das ein entscheidender Standortnachteil, den man erkennen muss und wo man handeln muss. Dreifache Gaspreise sind für die industrielle Wertschöpfung nicht hinnehmbar", sagte Oettinger in Brüssel.
Der Strompreis für die Industrie sei in Europa doppelt so hoch wie in den USA. Die Preise, so rechnete Oettinger vor, würden nicht nur von den Kosten für erneuerbare Energie getrieben, sondern durch Steuern, Abgaben und falsche Fördersysteme. Er meinte damit auch das Umlagesystem, das in Deutschland angewendet wird, um Windräder und Sonnenkollektoren zu subventionieren.

Die EU-Kommission will deshalb auch den Handel mit Abgas-Kontingenten, den so genanten CO2-Handel, reformieren. Die Emmissionsrechte sollen teurer werden und je nach Marktlage verknappt werden können. Außerdem spricht sich die EU-Kommission dafür aus, die umstrittene "Fracking-Methode" zur Gewinnung von Gas aus Schiefergestein in Europa zuzulassen. Großbritannien, Polen und Rumänien hätten großes Interesse an dieser Art der Gasförderung, die in den USA massiv eingesetzt wird.

Grüne wollen kämpfen

Die grünen Umweltparteien im Europäischen Parlament lehnen die Pläne der EU-Kommisson ab. Die deutsche Vorsitzende der grünen Fraktion, Rebecca Harms, sagte der Deutschen Welle, die EU brauche viel ehrgeizigere Klimaschutz-Ziele. Klimaschutz schaffe auch wirtschaftliches Wachstum und neue Jobs. "Wir werden als europäische Grüne nicht zulassen, dass das, was heute verkündet wird, Wirklichkeit wird. Das wäre das Ende der Klimapolitik und ein Sieg der alten Ideen von Kohle und Atom." Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag sieht als Vertreterin der Wirtschaftsunternehmen genau das Gegenteil. Der DIHK-Präsident Eric Schweitzer erklärte in Brüssel, es sei ein großer Fortschritt, dass die EU ihre Klima- und Energiepolitik jetzt im Zusammenhang mit industrieller Wettbewerbsfähigkeit sehe.

Belgien EU Demonstration in Brüssel gegen neue Klima- und Energieziele Rebecca Harms
Europaabgeordnete Harms: Mehr EhrgeizBild: DW/B. Riegert

"Ein wenig Stolz"

Mit dem neuen Klimaschutz-Ziel von 40 Prozent will EU-Kommissarin Connie Hedegaard auch in die internationalen Verhandlungen bei der UN-Klimakonferenz in Paris im nächsten Jahr ziehen. Die EU-Kommission habe jetzt einen wichtigen Schritt gemacht, so Hedegaard: "Hoffentlich haben die Regierungen und Parlamente in Europa den politischen Mut, diesem Beispiel zu folgen. Wenn alle großen Wirtschaftsnationen in der Welt einen so ambitionierten Schritt machen würden, dann wäre die Welt bei der Bekämpfung des Klimawandels in einer viel besseren Lage."

Auch EU-Kommissionspräsident Jose Barroso wies Kritik an den Vorschlägen der EU-Kommission zurück. Weltweit gesehen stünden bereits heute in Europa fast die Hälfte aller Anlagen zur Nutzung erneuerbarer Energie. "Wir sollten ein wenig stolz sein auf das, was wir leisten, ohne selbstgefällig zu sein. Lassen Sie uns andere auffordern, mit auf den Weg zu kommen, der nicht nur wichtig für Europa sondern für die Menschheit ist." Abgesehen vom Pathos räumte Barroso aber auch ein, dass der EU noch lange interne Diskussionen und Gesetzgebungsverfahren bevorstehen, die die nächste EU-Kommission und das nächste EU-Parlament nach den Wahlen im Mai für Jahre beschäftigen werden.