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ReiseEuropa

Europa mit dem Zug: 50 Jahre Interrail

Sophie Dissemond
19. Juli 2022

Seit 50 Jahren reisen Menschen mit dem Interrail-Pass durch Europa. Mit dem Ticket erleben die Bahnfahrer neue Länder und lernen deren Bewohner kennen.

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Ein Zug passiert das Landwasserviadukt in der Schweiz
Europa entdecken mit dem Interrail-Ticket - auch die Rhätische Bahn in der Schweiz darf genutzt werdenBild: Micha Korb/pressefoto_korb/picture alliance

Bäume so weit der Blick reicht, mal ein Haus, mal ein Feld - die Landschaft zieht an Sophia Klimpel vorbei, die neugierig aus dem Zugfenster schaut. Ein tolles Gefühl, sagt sie über die Reise. "Zugfahren ist viel realer als zum Beispiel fliegen, weil sich die Veränderungen der Welt draußen miterleben lassen." Etwa zwölf Stunden Fahrt liegen vor der 22-jährigen Interrailerin - von Saarbrücken in Deutschland bis nach Ljubljana in Slowenien.

Freiheit, Freundschaft, Abenteuer - so bewirbt die Deutsche Bahn das 50-jährige Interrail-Jubiläum. Interrail, das bedeutet Europa mit dem Zug entdecken. 1972 als einmalige Testaktion gestartet, etablierte sich das Interrail-Ticket schnell zum festen Bestandteil des Bahnangebots. Seitdem haben bereits 10 Millionen Reisende einen Interrail-Pass erworben, mit dem mehr als 10.000 Reiseziele in 33 europäischen Ländern, darunter auch die Türkei und Schifffahrtsverbindungen zwischen Italien und Griechenland, entdeckt werden können. Die Reisezeiträume variieren dabei zwischen drei Tagen bis drei Monaten, ebenso die Preise des Tickets je nach Dauer, Anzahl der Reisetage oder Nutzung der 1. Klasse. Den günstigsten Interrail Global-Pass gibt es ab 185 Euro.

Halle im Südkreuz Bahnhof in Berlin im Sonnenuntergang
Am Bahnhof beginnt das Abenteuer InterrailBild: Chromorange/picture alliance

Südeuropa besonders beliebt

Während der Reise berechtigt das Ticket aber auch zu zeitweisen Unterbrechungen und Vergünstigungen am Aufenthaltsort. Besonders beliebt sind die Monate Juni bis September, in denen vorwiegend in Süd- und West- bzw. Mitteleuropa, aber auch in den Küstenregionen, insbesondere in Italien, Frankreich und Spanien gereist wird.

Für Südeuropa hat sich auch Valerie Maas entschieden. Sie hat im Internet recherchiert, wie sie ihre Zeit bis zum Masterstudium noch nutzen kann und ist dabei zufällig auf den Jubiläumsrabatt von Interrail gestoßen. Spontan hat sie sich den Interrail Global-Pass für zwei Monate mit unbegrenzten Reisetagen für 274 Euro gekauft.

Ausfüllen eines Interrail-Reisetagebuchs
Ticket kaufen, Reisetage eintragen und los geht'sBild: Eurail Group G.I.E./dpa/picture alliance

Verkaufsrekord dank Jubiläums-Rabatt

Im Jubiläumsjahr gab es einen Rabatt von 50 Prozent im Mai. Über die Seite der Bahn wurden bereits in den fünf Verkaufstagen mehr Pässe als in den ersten vier Monaten des Jahres verkauft. Das Jubiläumsangebot habe die Erwartungen bei Weitem übertroffen, sagt die Bahn-Sprecherin. Die Deutsche Bahn wird anteilig an den Erlösen der verkauften Pässe beteiligt, welche von Reisenden mit Wohnsitz in Deutschland erworben wurden oder welche für eine Deutschland-Reise genutzt werden.

Obwohl sich das Angebot zunächst nur an junge Menschen richtete, ist der Interrail-Pass mittlerweile für jede Altersgruppe erhältlich. Kinder bis 11 Jahre reisen kostenfrei mit. Nichtsdestotrotz sind die Jugendlichen mit 64 Prozent immer noch die größte Nutzungsgruppe.

Deutschland | Jugendliche mit Rucksäcken in der Innenstadt von Staufen
Vor allem junge Menschen reisen gern mit dem Interrail-Ticket durch EuropaBild: Patrick Seeger/dpa/picture alliance

Mit Interrail klimafreundlich reisen

Sophia Klimpel beschreibt sich als großen Interrail-Fan. Sie schätzt das relativ günstige "Reisen mit grünem Gewissen". Auch Valerie Maas betont ein komfortables und langsames Reisen. Stören würde Sophia aber die schwierige und unflexible Planung in den Hauptreisewellen sowie die teilweise überteuerten Sitzplatzreservierungen, die sich nicht über die Interrail-App durchführen lassen.

Eine Bahn-Sprecherin beschreibt Interrail als Lebensgefühl, da es nicht allein um die Beförderung ginge. Interrail sei bewusstes, entschleunigtes Reisen mit einem Erlebnisfaktor und solle Menschen zusammenbringen. Gleichzeitig erfülle Interrail auch den vermehrten Wunsch nach klimafreundlichem Reisen.

Der kleine gelbe Zug fährt durch die grüne Landschaft der Pyrenäen
Mit dem Gelben Zug geht es durch die PyrenäenBild: pressefoto_korb/picture alliance

Erinnerungen sammeln gehört zu Interrail

Ein besonders Gefühl bekommt Valerie Maas in Frankreich. In Vernet-les-Bains, einem Dorf in den Pyrenäen, steigt sie um. Dort gibt es unter anderem viele Hexenartikel zu kaufen. Diese beruhen auf einer Legende, die besagt, dass die Hexen zum Ende des Winters aus ihrem Wald herauskommen, um den Winter zu bekämpfen. Damit wird Platz für den Frühling geschaffen. Als Zeichen des Schutzes und der Erneuerung verschenkt man in dem Dorf kleine Hexenfiguren. "Dieses sehr eigene Dorf kennenzulernen, war bisher die schönste Erfahrung", sagt Valerie. Von dort aus nimmt sie den Train Jaune (gelber Zug), einen alten Zug und die höchste Linie Frankreichs.

Valerie Maas mit einer Ukulele in der Hand vor dem Sonnenuntergang in Spanien
Valerie Maas genießt die Zeit auf ReisenBild: Valerie Maas

Die Menschen wollen wieder auf Reisen gehen und Erinnerungen sammeln. So auch Sophia Klimpel, die aber aufgrund der Corona-Pandemie weiterhin vorsichtig bleibt und versucht, volle Bahnen zu meiden. Die Deutsche Bahn stellt eine Zunahme der Fahrgastzahlen in den Zügen fest. Sophia habe sich auf einer Interrailreise so unwohl gefühlt, dass sie viele Stunden des Nachtzuges auf dem Boden im Gang, angelehnt an die WC-Tür verbracht hat, anstatt in ihrem überfüllten Abteil zu sitzen.

Sophia Klimpel von hinten läuft mit ihrem Gepäck durch eine enge Gasse in Piran
Sophia Klimpel entdeckt die Gassen von Piran, SlowenienBild: Sophia Klimpelin

Reiselust steigt wieder

Die Corona-Pandemie hat auch die Interrail-Bilanz beeinflusst. So sind die Verkäufe 2020 in Deutschland um 76 Prozent, europaweit um 86 Prozent zurückgegangen. Erst in der zweiten Jahreshälfte von 2021 kam es zu einer leichten Erholung. 2022 ist die Reiselust wieder groß!

Sophia Klimpel macht auf ihrer Reise durch Slowenien besondere Erfahrungen. Auf ihrer Fahrt nach Ljubljana lernt sie ein Paar kennen, mit dem sie sich fast acht Stunden lang bestens unterhält und weiterhin in Kontakt bleibt. Später dann in Piran, einer Küstenstadt Sloweniens, treffen sie sich wieder auf ein Bier. Solche Momente beschreibt sie als den Grund dafür, sich immer wieder für eine Zugreise zu entscheiden, auch in Zeiten einer Pandemie.