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Europa Interview

Manfred Götzke25. Oktober 2007

Obwohl der Fachkräftemangel fast alle EU-Länder betrifft, stemmen sich einige Staaten rigide gegen vereinfachte Zuwanderungsregeln - allen voran Deutschland.

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Bild: DW

Und das obwohl in Deutschland mehr als 160.000 Stellen für Fachkräfte dauerhaft unbesetzt sind. Besonders Ingenieure und Computerspezialisten fehlen. Die meisten Konservativen wie Sozialdomokraten sind dennoch gegen eine europäische Bluecard. Die SPD-Politikern Lale Akgün sitzt im Bundestag und befasst sich da vor allem mit dem Thema Einwanderung.

Frau Akgün, warum ist ihre Partei gegen den Vorschlag der EU-Kommission?

Man kann nicht sagen, dass meine Partei dagegen ist. Es gibt in der SPD Leute, die die Bluecard kritisch sehen und Leute, die sie begrüßen. Ich zähle zu denen, die die Bluecard begrüßen, weil ich der Meinung bin, wir müssen die Dinge regeln.

Warum wehrt sich gerade Deutschland immer wieder reflexartig gegen eine Öffnung des Arbeitsmarktes?

Ich glaube, dass in der Politik – über alle Parteien hinweg – der Glaube vorherrscht, man könne das den Menschen draußen nicht zumuten, weil wir Arbeitslose haben. Das ist einfach eine sehr verkürzte Darstellung. Ich glaube, man muss den Menschen klarmachen, dass wir Zuwanderung brauchen, wenn wir unseren Wohlstand erhalten wollen und dass Zuwanderung Arbeitsplätze schafft und nicht abbaut. Wenn es so wäre, wie es gern dargestellt wird, dass wir die eigenen Leute einsetzten könnten, dann würden wir das ja bereits tun, wir haben in Deutschland 3,5 Millionen Arbeitslose aber auch eine Million offener Stellen, offensichtlich kann man eben nicht aus den 3,5 Millionen Arbeitslosen Menschen für die eine Million offene Stellen rekrutieren.

Der Arbeitsminister aus ihrer Partei ist dennoch gegen die europäische Bluecard – wie wollen sie ihn überzeugen?

Ich glaube, dass sich Franz Müntefering sich mit der Sache in den nächsten Wochen noch beschäftigen wird und auch erkennen wird, dass Qualifizierung – wofür er sich so sehr einsetzt – und Zuwanderung keine Gegensätze sind, sondern komplementär behandelt werden müssen. Man muss auch klarmachen, dass mit kleinen Lösungen wie Arbeitserlaubnissen innerhalb der EU das Problem bei weitem nicht gelöst werden wird, denn innerhalb der EU hat bereits die Ab- und Zuwanderung von Fachkräften eingesetzt und da Deutschland sich innerhalb der EU dieser Frage verschlossen hat, sind diejenigen, die aus osteuropäischen Ländern ausgewandert sind, über Deutschland nach Großbritannien, Spanien und in andere Länder gegangen. Das heißt, wir haben da den Zug verpasst.

Hat die europäische Bluecard ihrer Meinung nach eine Chance?

Sie hat dann eine Chance, wenn sich die Europäer der Frage öffnen und damit auch damit auch konstruktiv umgehen, ansonsten werden wir bei dem Kampf um die besten Köpfe der Welt den Kürzeren ziehen, denn wer kommt schon auf einen Kontinent, auf dem er nicht erwünscht ist? Die Amerikaner, die Kanadier reiben sich die Hände, sie hohlen sich die besten. Wenn wir den Leuten nicht gute Konditionen anbieten, werden sie nicht zu uns kommen. Während wir hier der Frage nachgehen, sollen sie kommen oder nicht, werden die Zuwanderer sich in Zukunft die Frage stellen, wollen sie uns oder nicht – und nicht werden wir Europäer die Zuwanderer wollen.