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Europa Interview

Ruth Reichstein5. Oktober 2007

Die Preise für Getreide haben sich in diesem Sommer fast verdoppelt. Einerseits liegt das daran, dass es in manchen Regionen Europas zu heiß und in anderen zur Unzeit viel zu regnerisch war.

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Bild: DW

Ein anderer Grund für den enormen Preisanstieg: Ein immer größerer Teil der landwirtschaftlichen Produkte wird verbrannt - als Biosprit. Wie sinnvoll das ist, darüber hat Ruth Reichstein mit dem grünen Europaabgeordneten Friedrich-Wilhelm Graefe zu Baringdorf gesprochen.

Sie sind ja selbst Landwirt. Bauen Sie auch schon irgendetwas an, aus dem man Biokraftstoff machen kann?

Man könnte aus Scheiße Gold machen und die Restenergie aus der Gülle holen. Das wäre ein absoluter Gewinn. Ansonsten erzeuge ich Lebensmittel für Verbraucher und begebe mich noch nicht in Konkurrenz mit Energieproduzenten.

Gibt es einen Zusammenhang zwischen der zunehmenden Verwendung von Flächen für den Anbau von Biokraftstoffen und dem Anstieg der Lebensmittelpreise?

Ja, das gibt es. Das heißt, weltweit wird es interessanter, in die Energie zu investieren. Das nimmt Flächen in Anspruch und macht – je mehr das kommt - Lebensmittel knapp und darauf reagiert der Markt.

Bei uns halten sich die Preiserhöhungen ja noch in Grenzen, meistens geht es ja nur um eine Preiserhöhung von ein paar Cents. Wie ist das in Entwicklungsländern oder in Ländern in Lateinamerika, wo sich die Leute noch sehr viel mehr von Mais ernähren?

In den Ländern der dritten Welt hat die EU, auch die USA, durch das Export-Dumping in den vergangenen Jahrzehnten viele bäuerliche Betriebe aus der Erzeugung heraus gedrängt und die Leute finden sich in den Slums der Großstädte wieder. Jetzt steigt der Preis für das Grundnahrungsmittel Mais und jetzt werden die ein zweites Mal bestraft. Vorher konnten sie für das Geld nicht erzeugen und jetzt können sie sich für das höhere Geld nicht satt machen.

Die EU-Kommission preist Biokraftstoffe als Alternative zum CO-2-Abbau. Müsste man das nicht auch hier in Brüssel kritischer sehen?

Es wird hier kritisch gesehen. Die Spritherstellung ist eine Schnapsidee, um es etwas populär zu sagen. Die Erzeugung von Bio-Ethanol ist für sich gesehen in der Energiebilanz schon negativ, ganz abgesehen davon, dass es Flächen in Anspruch nimmt. Wenn man auf Treibstoffe geht, dann könnte man sagen, kaltgepresstes Rapsöl in einer Quetsche in der Scheune und dann in den Elsbeth-Motor getan, würde in der Energiebilanz positiv sein, würde auch Flächen in Anspruch nehmen aber nicht so viele wie Bio-Ethanol. Hier kommt es auch darauf an, in welche Energie man geht. Auch die Biogas-Erzeugung ist weitaus lukrativer in der Energiebilanz als dieser Unsinn mit der Spritherstellung.

Das wäre also ein Mittelweg zwischen dem Erhalt der Flächen für den Anbau von Lebensmitteln und der Herstellung von sauberer Energie?

Es darf insgesamt nicht darüber hinweg täuschen, dass wir nicht die fossile Energie einfach mit Energie aus nachwachsenden Rohstoffen ersetzen können und so weiter Autofahren können wie bisher, so weiter leben wie bisher und so Flugzeuge fliegen lassen. Man kann die Pflanze entweder nur essen oder man kann sie in den Tank tun. Volle Teller und volle Tanks sind weltweit nicht möglich – möglicherweise für die Reichen, aber nicht für die Armen.