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Europa Interview

Ruth Reichstein26. Juli 2007

Der Deutsche Michael Cramer sitzt für die Grünen im Europäischen Parlament. Ruth Reichstein hat mit ihm über Strategien für klimafreundliches Reisen gesprochen

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Bild: EU

Herr Cramer, wohin zieht es Sie denn so in den Urlaub und welche Verkehrsmittel benutzen Sie in der Regel?

- Ich habe in Europa die Alpen durchwandert von Nord nach Süd, die Pyrenäen von West nach Ost, ich bin mit dem Fahrrad gefahren von Hamburg nach Prag. Ich bin mit dem Paddelboot gefahren von Ingolstadt zum Schwarzen Meer.

Sie scheinen also auf diverse alternative Verkehrsmittel zurückzugreifen.

- Es reden ja auch alle über den Klimaschutz und dass man nicht mehr so viel Auto fahren soll. Trotzdem sind gerade während der Sommerferien alle Strassen verstopft. Das spricht ja nicht gerade für einen Klimafreundlichen Tourismus. Die, die jammern, kann ich nicht mehr bedauern, sie sind selbst schuld. Es gibt Alternativen. Es ist stressfreier, ruhiger. Diejenigen, die ich vor 30 Jahren im Stau getroffen habe, treffe ich heute auf dem Donau- oder Elbe-Radweg und das ist gut. Denn der Fahrradtourismus boomt seit 20 Jahren mit 15/20 Prozent Zuwachsraten jedes Jahr und das stärkt auch die lokale Ökonomie. Denn alle Untersuchungen haben herausgefunden: Der Fahrradtourist gibt mehr aus als der Autotourist. Wenn ich den ganzen Tag geradelt bin, dann schaue ich nicht: wie viel kostet das essen, das Zimmer. Ich will mich ja belohnen. Da schaue ich nicht aufs Geld. Aber trotzdem ist es ja so, dass immer noch sehr viele mit dem Auto in den Urlaub fahren.

Woran liegt das denn?

- Für Familien mit Kindern ist es natürlich viel praktischer mit dem Auto. Die Kinder können die Spielsachen mitnehmen. Die werden einfach eingepackt. Und es ist auch billiger. Wir müssen feststellen: Der Verkehr in Europa ist zu billig – nur der umweltfreundliche ist teuer. Also für eine vierköpfige Familie von Berlin in den Harz zu fahren ist teurer als wenn sie nach Mallorca fliegen. Das ist absurd.

Heißt das, es gibt in der EU eigentlich gar kein Konzept für Klimafreundlichen Tourismus?

- Es gibt einen Widerspruch zwischen dem Reden und dem Handeln und vor allem: Der Verkehr ist immer ausgeklammert worden. Wir haben die Situation, dass wir zum Beispiel bei der Schiene eine Maut haben, die von der EU verbindlich für alle Mitgliedsstaaten vorgeschrieben ist - in der Höhe unbegrenzt. Sie gilt für jede Lokomotive auf jeder Strecke. Bei der Strasse haben wir die Situation: Die Maut ist freiwillig, die Länder können sich entscheiden. Sie ist in der Höhe begrenzt, also gedeckelt. Sie gilt nur auf Autobahnen, nur für Lkws und nur für Lkw ab zwölf Tonnen. Das ist eine schreiende Ungerechtigkeit – auch was Klimapolitik betrifft.

Daraus höre ich: Auch auf EU-Ebene passiert Ihnen da nicht genug.

- Die EU macht vieles besser als Deutschland. Wir haben zum Beispiel bei den 30 Transeuropäischen Netzen – das wäre vergleichbare mit dem Bundesverkehrswegeplan in Deutschland – da haben wir die überwiegende Mehrheit Schienenprojekte. Und in Deutschland stellen wir fest, die Schienenprojekte werden immer auf die lange Bank geschoben, aber die Straßenprojekte, da fehlt nie Geld, da dauert es nie lange, da habe ich noch nie gehört, dass angesichts der Debatte jetzt zum Klimawandel, dass da eine Autobahn gestrichen worden wäre.

Gibt es denn Dinge, die die EU tun könnte, um solche Dinge zu fördern – Sie haben vorhin vom Fahrrad-Tourismus gesprochen – um auch einfach die Menschen anzuregen, nicht nach Mallorca zu fliegen, sondern von Berlin nach München zu radeln?

- Das tut sie. Das unterstützt die EU auch, nur die Länder und Kreise müssen selbst aktiv werden. Also Garmisch-Partenkirchen war ja vorbildlich mit der Stärkung des öffentlichen Verkehrs, den Verkehr auf die Schiene zu bringen, damit sie die Probleme vor Ort nicht haben. Diese Projekte wurden von der EU unterstützt. Das heißt, da kann es eine Co-Finanzierung geben. Leider gehen 95 Prozent der Verkehrsprojekte in die Strasse, aber wir haben im ersten Eisenbahnpaket durchsetzen können mit großer Mehrheit, dass jetzt 40 Prozent in die Schiene gehen soll. Denn die EU kann nicht jedes Projekt untersuchen, aber sie kann sagen, Deutschland – Ihr habt Euer Limit erreicht. Jetzt müsst Ihr mal die Schiene fördern. Es geht nicht nur in Straße.