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Europa Interview

Ruth Reichstein6. Juli 2007

Auch die Brüsseler Europapolitiker haben entdeckt, dass Musik und Kultur die europäische Integration fördern könnten. Die EU sei mehr als ein gemeinsamer Wirtschaftsraum, hört man da immer häufiger.

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Bild: EU

Entsprechend wurde der Etat für die europäische Kulturförderung in diesem Jahr verdoppelt. Aber was bringt diese Förderung überhaupt? Darüber sprach Ruth Reichstein mit der Grünen Europaabgeordneten Helga Trüpel, die im Kulturausschuss des Europäischen Parlaments sitzt:

Wie ist das in der Europäischen Union – gibt es eine gemeinsame Kultur? Gibt es eine europäische oder EU-Kultur?

Es gibt eine europäische Kulturpolitik und ansonsten gibt es ganz viele verschiedene Kulturen in der EU, auf die wir auch sehr stolz sind. Wir sind ja die Europäische Union der kulturellen Vielfalt.

Wenn ich Sie richtig verstehe, heißt das, man braucht auch gar nichts Gemeinsames.

Doch. Wir brauchen ein gemeinsames politisches Fundament und Europa ist ja eine politische Wertegemeinschaft. Die ganze Diskussion um den Verfassungsvertrag beschreibt ja, was uns eint. Und uns eint eben nicht eine Leitkultur, wo alle verpflichtet sind, kulturell gleich zu sein. Das sind wir nicht. Das wollen wir nicht sein. Aber es einigen uns politische Grundwerte wie Gewaltenteilung, Rechtsstaat, Geschlechtergleichstellung, Minderheitenschutz. Das sind die Grundlagen des Gemeinsamen.

Aber wir werden nicht darauf verpflichtet, alle Christen, alle Moslems zu sein oder die gleichen Klamotten zu tragen oder die gleiche Musik zu hören. Und die politischen Grundwerte, zu denen muss man sich bekennen, weil wir sind zum Beispiel kein islamischer Gottesstaat oder sozialistischer Kommunismus wie in China, sondern wir sind freiheitliche Demokratien mit einem politischen Fundament.

Vielleicht können wir da noch einen Schritt weiter gehen in der Kulturpolitik. Wer bekommt von der EU Geld wofür? Was fördert europäische Kulturpolitik?

Es gibt ein großes Kulturprogramm, was die Europäische Union aufgelegt hat, was für die nächsten sieben Jahre eine Größenordnung von 400 Millionen Euro hat, was nicht übertrieben viel ist für 27 Mitgliedsstaaten. Das Kulturprogramm hat drei große Ziele, nämlich den Austausch von Künstlerinnen, den Austausch von kulturellen Gütern und die Förderung von Interkulturalität. Das sind die drei großen Ziele. Dann ist es so, dass die Kommission Ausschreibungen macht und alle die Projekte vorhaben, die zu diesen Zielen passen, müssen sich bewerben und dann entscheiden europaweite Jurys darüber, wer gefördert wird.

Was viele Menschen kennen, ist europäische Filmförderung. Gibt es auch europäische Musikförderung?

Es gibt das europäische Jugendorchester und es gibt europäische Verbände von Musikern, die kooperieren und auch Fördergelder bekommen. Es gibt kein spezielles Musikprogramm wie es ein Filmprogramm gibt. Musik ist Teil des allgemeinen Kulturprogramms aber es werden natürlich auch Musikprogramme, Chorzusammenschlüsse und ähnliches gefördert.

Haben Sie das Gefühl, dass mit der Diskussion um die Verfassung auch das Bewusstsein, dass man mehr braucht als den Austausch von Waren, größer geworden ist?

Ja, den Eindruck habe ich, weil alle gemerkt haben, dass sich die Menschen sich nicht in den Binnenmarkt verlieben, sondern eher von Kultur und Kunst angesprochen werden und dass es da natürlich viel mehr um Gefühle geht, als um wirtschaftliche Transaktionen. Ich glaube, dass es vielen Akteuren – bis hin zum Kommissionspräsidenten Barroso – klar geworden ist, dass es ohne ein verstärktes kulturelles Engagement nicht geht, weil man sonst die Menschen nicht erreicht.