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Europa Interview

Interview: Mirjam Stöckel15. Juni 2007

Freier Wettbewerb und günstige Strompreise - was die EU-Kommission schon seit 1999 durchsetzen will, funktioniert bis heute immer noch nicht so richtig.

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Bild: European Communities

In fast allen EU-Staaten außer Großbrittanien dominieren wenige Konzerne den Energie-Markt. Die EU kämpft dagegen an und will notfalls die Stromkonzerne zerschlagen. Ein Vorschlag, den auch Rebbecca Harms befürwortet. Sie ist energiepolitische Sprecherin der Grünen im Europaparlament. Mirjam Stöckel hat mit ihr gesprochen.

DW: Frau Harms, Ihnen eilt ja der Ruf voraus, dass Sie ziemlich kritisch mit der europäischen Energiewirtschaft umgehen. Worüber ärgern Sie sich denn am meisten?

Rebecca Harms: Ich bin der Auffassung, dass seit 30 Jahren über einen notwendigen Paradigmenwechsel in der Energiewirtschaft diskutiert wird und der nicht erfolgt. Und ein richtiger Durchbruch für die erneuerbaren, ein richtiger Durchbruch für Einsparung und Effizienz, das ist noch nicht mal im Ansatz zu spüren. Und das macht mich eben langsam wirklich wütend. Und ich halte die Energiewirtschaft dafür eben zentral verantwortlich. Das Zweite ist: Die Preise für Energie, sie sind bis heute nicht transparent und nicht fair. Und das Dritte: Zukunftsfähige Technologien haben immer noch keine echte Chance. Zu hohe Preise, das bemängelt ja auch die EU-Kommission immer wieder.

Und sie sagt, dass sie da gerne noch etwas tun möchte auf dem Markt für Energie in Europa. Was ist denn da genau geplant von Seiten der Kommission?

Die Kommission hat eine Dominanz von einigen wenigen Unternehmen erkannt und möchte, dass mehr Wettbewerb, also mehr Akteure, auf diesen Markt kommen und gegen die Konzentration antreten können. Und als ein ganz wichtiges Instrument sieht die Kommission die Entflechtung von Erzeugung und Netz an. Und sie hat sich jetzt quer durch verschiedene Ressorts in der Europäischen Kommission auch aufgestellt und wird diese Forderung nach weniger Konzentration und nach Entflechtung weiterverfolgen.

Was bedeutet das denn genau: die Entflechtung?

Die großen Energieversorgungsunternehmen sind ja – an Deutschland kann man das immer sehr gut nachvollziehen – ehemalige Staatsunternehmen. Und diese Staatsmonopole sind irgendwann privatisiert worden und den privaten Unternehmen ist als ein ganz wichtiges Instrument das Netz in den Schoß gefallen. Wenn andere Stromerzeuger zum Beispiel auf den Markt wollen, müssen die das Netz nutzen können. Und die gleichberechtigte Nutzung dieses Netzes, der Zugang zum Netz wird von den alten Monopolen erschwert und wird in der Regel sehr teuer gemacht.

Was würde das für den Verbraucher konkret bedeuten?

Für den Verbraucher würde das konkret bedeuten, dass es dann möglich wäre, dass ein Unternehmen, das regenerativen Strom anbietet, möglicherweise kostengünstiger anbietet, als das Monopolunternehmen, weil die hohen Gebühren für den Netzzugang und die Durchleitung wegfallen würden.

Wie realistisch ist es, dass diese Entflechtung tatsächlich irgendwann Realität wird?

Ich glaube, dass es jetzt sehr stark davon abhängt, dass die Kommission – und das sind drei Kommissare, die da an einem Strang ziehen, nämlich der Energiekommissar, der Umweltkommissar und die Wettbewerbskommissarin, – dass die hart bleiben bei dieser Anstrengung zu Gunsten des Wettbewerbs und zu Gunsten von Transparenz, das heißt auch zu Gunsten von Verbraucherschutz. Und sie müssen den Widerstand überwinden von einzelnen Regierungen von Mitgliedsstaaten, die im Zweifelsfall dann doch wieder das Unternehmensinteresse eines großen nationalen Players aus dem Energiebereich höher stellen als den Verbraucherschutz.

Aus welchen Ländern kommt diese Gegenwehr?

Zum Beispiel Deutschland hat sich immer wieder gegen die Entflechtung aufgestellt. Auch das französische Unternehmen EDF ist immer wieder von den Franzosen beschützt worden. Es sind in der Regel natürlich die Staaten, die starke, auch internationale Player im Energiebereich haben, die da die Unternehmensinteressen schützen.

Sie sprechen immer wieder Widerstand der Energiewirtschaft an. Wenn Sie sich mal umschauen in Europa: Gibt es denn Länder, wo Sie sagen, da ist die Energiewirtschaft schon fortschrittlicher, vorbildlicher als in anderen Ländern?

Also wir haben in Europa ein Land, wo ich finde, dass man wirklich versucht, die Struktur der Energiewirtschaft auch zu verändern. Das ist Dänemark. Also ausgehend von der Auseinandersetzung um die Atomenergie, aber auch ausgehend davon, dass es wichtig ist, nationale und erneuerbare Reserven wirklich zu erschließen, haben die Dänen sehr viel geändert. Da spielt zum Beispiel auch Effizienz seit langer Zeit eine große Rolle, Kraft-Wärme-Kopplung. Ohne das geht es in Dänemark eigentlich gar nicht mehr. Jetzt gibt es ja eine Initiative von Deutschland, Frankreich und den Beneluxstaaten, ihre Strommärkte zusammenzuschließen.

Warum tun die das denn jetzt?

Ich denke, dass die den Handel mit Energie noch mal vereinfachen wollen. Es gibt ja einen wachsenden auch transnationalen Austausch, Handel von Strom zum Beispiel. Es würde aber meiner Meinung nach auch nicht bedeuten, dass wir mehr Transparenz haben. Es würde auch nicht bedeuten, wenn EDF und EON jetzt zusammenarbeiten, dass dann der Verbraucher, der Kunde oder auch das kleinere Unternehmen eine stärkere Position hat. Sondern in erster Linie geht es darum, dass EON und EDF oder RWE ihre Interessen stärken durch diese Zusammenarbeit.

Also das heißt, so eine Zusammenarbeit könnte Ihrer Meinung nach diese geplante Entflechtung, die die Kommission ja fordert, nicht ersetzen.

Das könnte das meiner Meinung nach überhaupt nicht ersetzen.

Stichwort Zukunftstechnologien: Haben Sie denn den Eindruck, dass die europäische Energiewirtschaft da schon genug tut?

Also die tun es ja auf Druck. Wir wären ja schon viel weiter, wenn die Technologien, die vorhanden wären, auch immer schon genutzt würden. Dass es immer politischen Druck braucht, bis Erneuerbare oder Effizienztechnologien zum Einsatz kommen, ist einfach ein schlechtes Zeichen.