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Europa Hautnah

Jutta Wasserrab7. Mai 2007

Meeresschutzparks sollen helfen, Europas Fischbestände zu schützen.

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Bild: AP

Es ist eine erschreckende Zahl, die die Vereinten Nationen über die Lebensbedingungen der Fische verbreitet: Drei Viertel der Fischbestände weltweit sind durch Überfischung gefährdet. Meeresschutzparks, die Fischbestände schützen können, sind zwar hilfreich, machen aber nur ein Prozent der Ozeanflächen aus. Davon funktionieren noch nicht einmal alle: Oft fehlt das Geld oder die Technik, das Parkpersonal ist schlecht geschult oder der Meerespark wird bei der Bevölkerung einfach nicht akzeptiert. Genau davon können auch portugiesische Umweltschützer ein Lied singen. Sie wollen im Fischerstädtchen Sesimbra, in der Nähe Lissabons, Portugals erstes Meeresschutzgebiet einrichten und stoßen auf Widerstand. Jutta Wasserrab über Fischer, die das offene Meer fürchten und Umweltschützer, die das große Ganze hüten.

Reportage:

Strahlender Sonnenschein, ruhiger Seegang. Trotzdem liegen die Fischerboote im Fischerstädtchen Sesimbra nahe Lissabon fast alle im Hafen. Das Wetter wird umschlagen. Jetzt aufs Meer zu fahren, wäre viel zu riskant. Auch Victor Raimundos Schiff tänzelt im Hafenbecken. Es sieht aus wie eine kleine Yacht - Metallgeländer, weiß gestrichen, hell lackierte Holztüren. 100.000 Euro hat Raimundo in das neue Schiff investiert, sein altes dafür verhökert.

"Mein Schiff hatte nur sechseinhalb Meter und war mir nicht sicher genug. Also habe ich ein neues bauen lassen. Aber das misst nun sieben Meter zwanzig. Es liegt zwanzig Zentimeter über dem Limit. Jetzt darf ich wegen 20 Zentimeter nicht mehr im Meerespark an der Küste fischen. Nur außerhalb von zwei Meilen darf ich noch fischen. Das sind fast 4.000 Meter. Je nach Wetter ist es da draußen aber zu gefährlich mit so einem sieben Meter langen Schiff."

Seit August 2005 ist die Meerespark-Resolution in Kraft. Seither setzt das portugiesische Umweltministerium den Meeresschutzpark vor Sesimbra schrittweise um - bis 2009. Ein Band entlang der Küste vor Sesimbra - 38 Kilometer lang. Insgesamt werden es 53 Quadratkilometer geschütztes Meer sein. Das Gebiet wird einem Fleckenteppich gleichen. Zehn Prozent will das Umweltministerium total schützen. Das heißt, diese Meeres-Flecken sind für den Menschen Tabu: für Fischer ebenso wie für Sportangler, Freizeitsegler oder Urlaubstaucher. 40 Prozent will das Ministerium nur teilweise schützen. In diesen Zonen wird es Ökotourismus geben.

Außerdem soll Fischen erlaubt sein - allerdings nur mit Angelhaken oder kleinen Korbfallen. Und schließlich richtet das Umweltministerium noch so genannte Komplementär-Zonen ein. Sie bleiben nahezu ungeschützt. Fischer mit Lizenz dürfen weiterhin fischen - auch mit Leinen und Setznetzen.

Victor Raimundo kann dies nicht trösten, denn solch eine Lizenz wird er wegen der 20 Zentimeter nicht kriegen. Und so muss er weiterhin auf gutes Wetter hoffen und dann zwei Meilen raus.

"Die Küste hier fällt sehr steil ab. Da draußen komme ich deshalb an die Arten nicht ran, die ich fische. Nur innerhalb des Parks finde ich das, worauf die ich mich spezialisiert habe: Kraken, Seezunge, Rochen, Kalmar oder Sepia. Da draußen, da gibt's doch keine Sepien."

Gerade in unmittelbarer Landnähe sehen Umweltschützer Fischer aber gar nicht gerne - denn die nährstoffreiche Küste ist Laichgebiet, Kinderstube und zugleich Zufluchtsort für viele Meerestiere.80 Prozent aller Meeresfische leben in Küstengebieten. Für Miguel Henriques, Techniker am staatlichen Institut für Naturschutz ICN, gibt es deshalb keine Alternative zum Meerespark.

"Wenn dieser Meerespark auch Vorteile bringt, dann werden Nachahmer-Parks, die wir entlang der portugiesischen Küste einrichten wollen, einfacher umzusetzen sein. Vor allem, wenn die größten Quellen für Konflikte konkrete Vorstellungen haben, welchen Wert ein solcher Park für sie hat, dann werden sie die Maßnahmen anwenden und sogar einfordern."

Die Konfliktquellen, wie Henriques die Fischer nennt, wollen aber keinen Vorteil aus dem Meerespark für sich erkennen.Seitdem der Umsetzungsplan bekannt ist, gehen die Fischer auf die Straße. Sie kämpfen dafür, dass der Meerespark doch noch kippt. Miguel Henriques vom Naturschutz-Institut hofft, dass es soweit nie kommen wird.

"Auf europäischer Ebene gibt es eine Reihe von Abmachungen - Konventionen oder ähnliches - die ganz klar vorschreiben, dass dieMitgliedsstaaten solche Schutzzonen einrichten müssen. Den Meerespark rückgängig zu machen, ist deshalb nahezu unmöglich. Es würde nicht genügen, die portugiesische Regierung zu überzeugen. Man müsste ganz Europa davon überzeugen."