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Europa Hautnah

Hanna Grimm9. März 2007
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Bild: AP

Ein Besuch im katholischen Kloster

Vorurteile wie "düstere Gemäuer, spartanisch eingerichtete Zellen und strenge Verhaltensregeln" kommen vielen Menschen in den Sinn, wenn sie sich den Alltag in einem Kloster vorstellen. Vielleicht treten auch deshalb verhältnismäßig wenige Europäer in ein Kloster ein. Nachwuchsprobleme gibt es dort nämlich trotz Internetanschluss und Tischfussball, hat Hanna Grimm herausgefunden.

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Es ist 6 Uhr 40 an einem Donnerstag Morgen. In der kleinen Kapelle haben sich Patres, Fratres und ein paar Schwestern versammelt. Gemeinsam beten sie Psalme. Sie alle leben im Steyler Missionskloster in St. Augustin bei Bonn.

Weltoffen im Kloster

Nach dem gemeinsamen morgendlichen Gebet wird erst einmal gefrühstückt. Die Priesteramtsanwärter, die Fratres, haben einen eigenen Frühstücksraum. Einer von ihnen hat bereits den Tisch gedeckt. Es gibt frische Brötchen, Aufschnitt, gekochte Eier und Joghurt.

Die 26 jungen Männer kommen aus der ganzen Welt in Sankt Augustin zusammen, um bei den Steyler Missionaren Theologie zu studieren. Einer von ihnen ist der 34-jährige Vinh. Er findet, dass die angehenden Priester keineswegs weltfremd sind. "Ich meine, dass man keine Mauer bauen sollte zwischen Menschen und Menschen. Wir leben doch in der Welt."

Auf der Suche nach Sinn

Der Katholik Vinh kam 1989 als Flüchtling aus Vietnam nach Deutschland. Damals war er 16. In Deutschland hat er dann die Schule beendet und auf dem zweiten Bildungsweg sein Abitur nachgeholt. Nach einer Ausbildung zum Krankenpfleger merkte er aber, dass ihm etwas fehlte im Leben. Als er dann gemeinsam mit einem Pater der Steyler eine Jugendgruppe betreute erfuhr er von der Möglichkeit bei den Missionaren Theologie zu studieren. Über den Eintritt ins Kloster waren seine Freunde überrascht. Lächelnd sagt Vinh: "Da gibt es Freunde, die sagen ich bin verrückt. Aber hinterher akzeptierten sie es, weil ich sagte: das ist mein Leben, ich möchte mein Leben so leben."

Seine Eltern, die ebenfalls in Deutschland leben, unterstützen ihn in seiner Entscheidung und reagierten gelassen auf Vinh’s Entscheidung. "Sie fanden es okay und sagten: was du entscheidest, das ist für dich und dein Leben und das finden wir gut so. Und sie haben auch gesagt: unsere Tür ist immer offen für dich," erzählt der angehende Priester.

Kloster mit Internetzugang

Doch auf dieses Angebot möchte Vinh so schnell nicht zurück kommen. Ihm gefällt das Leben in dem weitläufigen Kloster. Die Fratres wohnen in einem eigenen Flügel. Jeder von ihnen hat ein eigenes Zimmer mit Computer und Internetanschluss. Häufig sitzen die jungen Männer in den Freizeiträumen zusammen, reden, machen Musik oder spielen Tischfußball.

Doch die angehenden Priester haben auch streng geregelte Pflichten und Dienste. Sie müssen die Gemeinschaftsräume ordentlich halten, Küchendienste übernehmen, das Morgengebet vorbereiten und natürlich auch noch ein Theologiestudium bestreiten. Der Tagesablauf ist stark strukturiert und geregelt. Vor und nach dem Essen wird gebetet.

Arm, ehelos , gehorsam

Zu Beginn ihrer Ausbildung legen die Fratres drei Gelübde ab. Arm, ehelos und gehorsam wollen sie leben. Diese Gelübde werden sechs Mal für jeweils ein Jahr abgelegt, bevor sich die Fratres dafür entscheiden, das Ewige Gelübde abzulegen. Ausbildungsleiter Pater Martin Üffing betreut die angehenden Priester während ihrer Ordensausbildung. Er kennt die Sorgen seiner Schützlinge: "Während dieses Jahres stellt sich jeder natürlich auf Grund eigener Erfahrungen immer wieder die Frage: Kann ich das, arm, gehorsam sein oder ehelos zu sein?"

Arm sein, das bedeutet mit 50 Euro Taschengeld im Monat auskommen. In seiner Freizeit geht Vinh gern mit seinen Freunden ein Bier trinken oder im China Restaurant essen. Das ist durchaus gut mit dem Leben als Ordensmann vereinbar, sagt er. "Armut bedeutet nicht materielle Armut, sondern Armut hier bedeutet, dass man bewusst lebt."

Mangel an Nachwuchs

Für die meisten jungen Männer und auch Frauen in Europa kommt ein Leben im Kloster allerdings nicht in Frage. Wie auch vielen anderen Orden fehlt es den Steyler Missionaren an einheimischem Nachwuchs. Die Pressesprecherin der Steyler Missionare, Tamara Häußler - Eisenmann hat dafür eine Erklärung: "Wirklich sich für ewig an eine Gemeinschaft zu binden, ich glaub, das ist keine Aussicht, die für besonders viele junge Männer und junge Frauen verlockend ist."

Der größte Teil der Missionare kommt mittlerweile aus Asien und Afrika. Die Menschen dort lebten einfach in einer anderen religiösen Kultur, sagt Tamara Häußler-Eisenmann "Da ist einfach diese Verwurzelung der Religion noch viel stärker, so wie das bei uns halt auch früher war und es dementsprechend keine Nachwuchsprobleme gab."

Zeit für Hobbies

Vinh aus Vietnam ist mittlerweile deutscher Staatsbürger. Sein Tag beginnt um 6 Uhr 30 mit der Morgenandacht und endet um 23 Uhr. Trotz des regen Klosteralltags bleibt ihm Zeit für Hobbies, wie malen, lesen oder Gitarre spielen.