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Euro-Rettungspaket in der Kritik

28. März 2011

Die Euro-Länder haben sich auf eine Gesamtstrategie zum Schutz der Gemeinschaftswährung geeinigt. Sie weise in die richtige Richtung, reiche aber nicht aus, um die Finanzmärkte zu beruhigen, sagen Experten.

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Euro-Münzen (Foto: dpa)
Ist der Euro krisenfest gemacht? Exprten sind skeptischBild: picture-alliance/dpa
Diskussion an der Evangelischen Akademie in Loccum mit Ole Funke vom Auswärtigen Amt, Joachim Lange von der Akademie und Angelica Schwall-Düren, Europa-Ministerin in NRW (Foto: DW)
Diskussion an der Evangelischen Akademie in Loccum: Ole Funke (l.), Joachim Lange von der Akademie (M.) und Angelica Schwall-DürenBild: DW

Die Beschlüsse vom EU-Gipfel vergangener Woche tragen eine deutliche deutsche Handschrift. Naturgemäß gibt sich die Bundesregierung zufrieden. Ole Funke vom Auswärtigen Amt: "Die jetzt betroffenen Beschlüsse sind ein ganz wesentlicher Meilenstein für die Weiterentwicklung der Währungsunion. Wir bekommen den schärfsten Stabilitätspakt seit Gründung der Währungsunion."

Damit meint er, dass den Defizitsündern nicht nur wie bisher Geldstrafen drohen, wenn das Haushaltsdefizit drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts übersteigt, sondern auch, wenn die Gesamtverschuldung 60 Prozent der Wirtschaftsleistung überschreitet.

Stabilitätspakt hat weiterhin keinen Biss

Torsten Windels, Chefvolkswirt der Norddeustchen Landesbank (Foto:Nord/LB)
Torsten Windels, Chefvolkswirt der Norddeustchen LandesbankBild: Norddeutsche Landesbank

Auch der schärfere Stabilitätspakt sieht keine automatischen Sanktionen vor. Zudem spielt der Europäische Rat bei der Entscheidung, ob Sanktionen gegen ein Land verhängt werden sollen, immer noch eine maßgebliche Rolle. Es fehle von daher nach wie vor der Glaube, dass es diesmal funktionieren sollte, nachdem der Stabilitätspakt schon einmal ausgehebelt sei, meint Torsten Windels, Chefvolkswirt der Nord LB, "weil die EU-Staaten untereinander keine Strafzettel ausstellen wollen." Daher gebe es Forderung von Ökonomen, eine übergeordnete Instanz wie die EU-Kommission oder andere damit auszustatten, die auch die Sanktionen verhängen, die blauen Briefe verschicken und die Strafen umsetzen. "Und das steht noch aus", sagt Windels weiter.

Es bleibt also zu befürchten, dass in Zukunft weiterhin potenzielle Defizitsünder über aktuelle Sünder urteilen und im Zweifel ein Auge zudrücken.

Pakt "Euro Plus" ebnet den Weg in die Wirtschaftsregierung

Die Evangelische Akademie in Loccum (Foto: DW)
Die Evangelische Akademie in LoccumBild: DW

Ähnlich umstritten ist der Pakt "Euro Plus", in dem sich die Euro-Länder verpflichtet haben, ihre Lohn- und Sozialpolitik eng miteinander abzustimmen. Für Angelica Schwall-Düren (SPD), Europa-Ministerin in Nordrhein-Westfalen, bedeutet der Pakt eine stärkere Austeritätspolitik: "Das bedeutet, dass vor allem Einschnitte im sozialen Bereich vorgenommen werden sollen, sowohl Lohnkürzungen wie auch eine Reduzierung der Leistungen der Sozialsysteme." Ökonomisch schwäche das die Binnenkaufkraft der Länder und sei mit ein Grund dafür,dass das Wachstum nicht vorankomme. "Es ist auch ein großes politisches Problem, weil das die Menschen aufbringt gegen die Europäische Union", sagt die Ministerin weiter.

Thomas Fricke, Chefökonom von der Financial Times Deutschland (Foto: G+J)
Thomas Fricke, Chefökonom von der Financial Times DeutschlandBild: G+J

Kritik übt auch Thomas Fricke, Chefökonom von der Financial Times Deutschland. Für ihn sei der Pakt eine kuriose Konstruktion, "die von der Annahme ausgeht, dass das Hauptproblem dieser Krise darin liegt, dass die Löhne in bestimmten Ländern zu stark gestiegen sind." Da sei zum Teil was dran, das sei aber nicht wirklich der Kern der Krise. "Die Löhne steigen manchmal deswegen, weil die Wirtschaft überhitzt", meint Thomas Fricke.

Der Pakt "Euro Plus" soll nach Einschätzung von Fricke den Weg in eine Wirtschaftsregierung ebnen, die vor einem Jahr für Bundeskanzlerin Angela Merkel noch unvorstellbar war.

Das Wort "Transferunion" macht die Runde

Ein weiterer Tabubruch ist durch den permanenten Rettungsfonds vollzogen, der ab 2013 gelten soll. Der Europäische Stabilitätsmechanismus (EMS) umfasst 700 Milliarden Euro. Davon übernimmt Deutschland in Form von Bareinlage und Garantien 190 Milliarden. Der Fonds darf direkt Anleihen der Krisenländer kaufen. Damit ist für viele Beobachter die Grenze zur Vergemeinschaftung der Risiken und zur Transferunion überschritten.

Bundeskanzlerin Angela Merkel auf dem EU-Gipfel in Brüssel (Foto: AP/dapd)
Angela Merkel ist nicht bereit, eine Garantie für Staatsschulden der Krisenländer abzugebenBild: dapd

Torsten Windels von der Nord LB erkennt zwar an, "dass die Versuche, Stabilität reinzubringen, vernünftig sind. Es ist aber auch klar, dass das den Marktteilnehmern nicht ausreichen wird." Es gebe keine Garantie für die griechischen Staatsschulden, auch nicht für die portugiesischen und die irischen; auch gebe es keinen klaren Beschluss eines Abschlags. "Das heißt, wir befinden uns in unserer Wahrnehmung immer noch da, wo wir uns fragen: Fallen die Anleihen aus, oder fallen sie nicht aus? Da wir vorsichtig agieren, gehen wir immer davon aus, dass sie ausfallen", beschreibt Windels die Sicht der Banken.

2011 - Das Jahr des Vertrauens?

Da der Fonds keine präventive Hilfe vorsieht und ein langer Entscheidungsprozess vorprogrammiert ist, kommt der Beschluss für Thomas Fricke von der Financial Times Deutschland einer Einladung an die Spekulanten gleich.

Angela Merkel sagte am Ende des EU-Gipfels: "Mit dieser Gesamtstrategie wird 2011 zum Jahr des Vertrauens". Torsten Windels hat so seinen Zweifel: "Der ESM hat es nicht vermocht, Ruhe an den Finanzmärkten einkehren zu lassen. Es gibt keine positiven Bewegungen bei den Risikoaufschlägen."

Autorin: Zhang Danhong
Redaktion: Rolf Wenkel