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Kindergeldregeln in Österreich diskriminierend

16. Juni 2022

Kindergeld und andere Familienleistungen müssen EU-weit einheitlich gewährt werden. Das hat der Europäische Gerichtshof entschieden. Österreich hatte die Zahlungen an Ausländer in bestimmten Fällen gesenkt.

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Der Europäische Gerichtshof in Luxemburg
Der Europäische Gerichtshof in LuxemburgBild: Alexandre Marchi/MAXPPP/dpa/picture alliance

Der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zufolge ist eine sogenannte Indexierung für Wanderarbeitnehmer aus anderen EU-Staaten nach den Lebenshaltungskosten im Herkunftsland unzulässig. Entsprechende Regelungen in Österreich seien eine indirekte Diskriminierung wegen der Staatsangehörigkeit, urteilten die Luxemburger Richter.

Kindergeld und andere Familienleistungen oder Steuervergünstigungen sind nach EU-Recht auch an Wanderarbeitnehmer aus anderen Mitgliedstaaten zu gewähren, deren Kinder - meist mit dem anderen Elternteil - im Herkunftsland blieben. Seit 2019 gilt dabei in Österreich ein "Anpassungsmechanismus". Sind im Herkunftsland die Lebenshaltungskosten geringer als in Österreich, werden die Beträge entsprechend gesenkt. Sie werden aber auch angehoben, wenn die Lebenshaltung im Herkunftsland teurer ist.

Kaufkraftunterschiede irrelevant

Die EU-Kommission wertete dies als unzulässige Ungleichbehandlung von Wanderarbeitnehmern gegenüber Inländern. Beim EuGH reichte die Kommission daher eine Vertragsverletzungsklage gegen Österreich ein.

Supermarkt im polnischen Krakau
Supermarkt in Krakau: Das Kindergeld darf nicht an die Kaufkraft im Herkunftsland angepasst werden, so der EuGHBild: Jakub Porzycki/NurPhoto/picture alliance

Dieser gab der EuGH nun statt. Österreich habe mit der Regelung gegen die EU-Verordnung zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit verstoßen. Die Familienleistungen für Wanderarbeitnehmer müssten "exakt" denen für Inländer entsprechen. Schließlich würden bei diesen Leistungen auch die Kaufkraftunterschiede im jeweiligen Land, hier Österreich, nicht berücksichtigt. Daher sei auch die Berücksichtigung der Kaufkraftunterschiede zwischen den EU-Staaten nicht gerechtfertigt. Falls Österreich seine Praxis nicht ändert, kann die Kommission erneut klagen und eine Geldstrafe beantragen.

Nach dem Urteil ist die sogenannte Indexierung auch bei Vergünstigungen unzulässig, die der EuGH nicht als Familienleistungen wertet, etwa Steuervergünstigungen für Alleinerziehende oder Alleinverdiener. Betroffen seien hier vorrangig Wanderarbeitnehmer, weil insbesondere deren Kinder oft in einem anderen EU-Staat leben.

Prestigeprojekt von ÖVP und FPÖ

Dabei kämen diese Wanderarbeitnehmer größtenteils aus EU-Staaten, in denen die Lebenshaltungskosten niedriger sind als in Österreich. Der "Anpassungsmechanismus" sei daher eine indirekte Diskriminierung der Wanderarbeitnehmer aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit. Auch die Freizügigkeitsrechte dieser Wanderarbeitnehmer seien dadurch verletzt.

Die Kindergeld-Regelung aus dem Jahr 2019 galt als Prestigeprojekt der damaligen Koalitionsregierung zwischen konservativer ÖVP und rechter FPÖ. Die Anpassung führte zu mehr Kindergeld, wenn Kinder etwa in Großbritannien oder Irland lebten. Die Zahlungen für Kinder in Rumänien beispielsweise wurden dagegen mehr als halbiert.

gri/AR (afp, dpa, epd)