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EU-weit gegen das Verbrechen

Ruth Reichstein11. Juli 2004

Nach Dutroux nun der Kinderschänder Fourniret, der neun Morde gestanden hat. Möglich waren die Taten auch, weil er von Frankreich nach Belgien umgezogen ist. Den Behörden wird mangelnde Zusammenarbeit vorgeworfen.

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Michel Fourniret ist geständig - immerhinBild: dpa

Das ganze Ausmaß des Falles Michel Fourniret liegt noch immer im Dunkeln. Der heute 62-jährige Franzose hat im Sommer 2004 bereits neun Morde gestanden. Zahlreiche Fälle in Frankreich, Belgien, Dänemark und den Niederlanden werden noch untersucht. Nach dem Kinderschänderskandal um Marc Dutroux stellt der Fall Fourniret nun auch die grenzübergreifende Zusammenarbeit der Justizbehörden in Frage. Für einige Experten hätte das Schlimmste verhindert werden können, wenn Frankreich mehr Informationen an Belgien weitergegeben hätte. Der Fall zeigt auch: auf europäischem Niveau ist noch viel zu tun.

Umzug ins Nachbarland

Die Fakten: Fourniret war in Frankreich vorbestraft - wegen Vergewaltigung von Minderjährigen in den späten 1980er-Jahren. Zu sieben Jahren Gefängnis war der heute 62-Jährige damals verurteilt worden. Er musste zwar nur einige Monate absitzen, sein Vorstrafenregister war aber eindeutig. Nach seinem Umzug ins Nachbarland Belgien wurde Fourniret trotz dieser Vergangenheit als Aufseher in einer Schulkantine eingestellt.

Für die Organisation "Childfocus", die sich in Belgien seit acht Jahren für vermisste Kinder einsetzt, ist das ein schrecklicher Beweis für die mangelnde Zusammenarbeit der europäischen Justizbehörden. Isabelle Marneffe, Pressesprecherin des Vereins, sagt: "Es nicht normal, dass Frankreich den Fall Fourniret nicht weiter verfolgt hat - nach seiner Freilassung aus dem Gefängnis. Frankreich hat seine europäischen Partner nicht vorgewarnt. So kommt es, dass jemand, der im Nachbarland einschlägige Verbrechen begangen hat, in Belgien ein einwandfreies Führungszeugnis bekommen kann. Da stimmt doch etwas nicht."

Einwandfreies Dokument

Bisher sind Polizeibehörden nicht dazu verpflichtet, Informationen über einen freigelassenen Straftäter unaufgefordert an die Nachbarländer weiter zu geben. Auf der anderen Seite gibt es kein Gesetz, dass Staatsanwälten vorschreibt, sich Informationen aus einem anderen Land zu besorgen, wenn ein Verdächtiger einst dort gelebt hat. Und: auch wenn in einem französischen Führungszeugnis zahlreiche Vorstrafen aufgelistet sind, kann Fourniret in Belgien ein einwandfreies Dokument ausgestellt bekommen. Mit anderen Worten: Verbrechen bleiben bisher an der Grenze zurück.

Auch Cedric Visart de Bocarme, Staatsanwalt von Dinar, der in Südbelgien mit dem Fall Fourniret beauftragt ist, fordert eine bessere Zusammenarbeit in Europa: "Ich denke, wenn man wirklich effektiv im Kampf gegen Sexualverbrecher sein will, muss man künftig die Delikte wesentlich länger in den Führungszeugnissen belassen. Auch bei einem Umzug in ein anderes europäisches Land. Es würde die Ermittlungen unheimlich erleichtern, wenn die internationale Zusammenarbeit besser organisiert wäre."

Einwände aus Berlin

Immer mehr Justizbehörden und Betroffene fordern deshalb ein gesamteuropäisches Straf-Register. Die belgische Justizministerin hat die niederländische EU-Präsidentschaft Anfang Juli 2004 aufgefordert, das Thema so schnell wie möglich zu behandeln. Die Justiz- und Innenminister sollen am 19. Juli in Brüssel darüber beraten. Einige Länder haben aber schon jetzt Bedenken angemeldet. Ein solches Register greife zu stark in die staatlichen Hoheitsrechte ein, heißt es zum Beispiel aus Berlin.