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EU-Kommission erhöht Druck auf Lobbyisten

Bernd Riegert24. Juni 2008

Die Interessensvertreter von Unternehmen, Verbänden, Organisationen sollen offen legen, wie viel Geld sie bei ihrer Tätigkeit ausgeben. Die Kommission verabschiedete einen Verhaltenskodex. Sein Manko: er ist freiwillig.

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Hände schütteln sich vor Europa-Flagge
Politik und Wirtschaft arbeiten in Brüssel Hand in HandBild: bilderbox

Die spanische Telefongesellschaft Telefonica steht auf Platz 1.Sie war am Montag Morgen die erste Firma, die sich in das neue Lobbyistenregister der EU-Kommission eingetragen hat. Der Eintrag ist freiwillig, und das ist auch gut so, findet der Europaabgeordnete Ingo Friedrich, der im Parlament für dessen Lobbyistenregister zuständig ist. Der Konservative aus Bayern lehnt die von kritischen Anti-Lobby-Gruppen oft geforderten verpflichtenden Register ab: "Das kommt mir sehr nach Pranger im Mittelalter vor", sagt er. "Schwarze Listen sind in einem demokratischen Staat nicht wirklich angebracht, sondern es muss ein so hohes Prestige sein für einen seriösen Verband, dass sein Name im offiziellen Register der EU erscheint. Das muss ehrenwert und erstrebenswert sein."

Lobbyismus, also die Interessenvertretung beim Europäischen Parlament oder bei der EU-Kommission, ist an sich nichts Schlechtes oder Anrüchiges, meint der für Verwaltung zuständige EU-Kommissar Sim Kallas. Interessenvertretung sei ganz normaler Teil des politischen Geschäfts, nur transparent müsse sie eben sein. "Dies ist das allererste Register für Lobbyisten in einer europäischen Institution, das zeigt, wer wessen Interessen vertritt, wer die Kunden sind und wer bezahlt."

"Seriöse Unternehmen haben kein Problem damit"

Flaggen wehen vor dem Europäischen Parlament in Brüssel
Brüssel ist Tummelplatz für LobbyistenBild: Photo European Parliament/Architecture Studio

Geschätzte 15000 Lobbyisten tummeln sich im Brüsseler Bürokratendschungel. 70 Prozent davon arbeiten für Wirtschaftsunternehmen oder Wirtschaftverbände. Nur 10 Prozent vertreten Gewerkschaften, Kirchen, Verbraucher oder Menschenrechtsgruppen. 20 Prozent arbeiten für Bundesländer, Städte und Kommunen. Bislang gab es überhaupt keine Erfassung, von diesem Montag an ist das Register im Internet nachzulesen, verspricht Sim Kallas, der zuständige EU-Kommissar: "Verglichen mit dem bisherigen Zustand, als es gar nichts gab, haben wir jetzt ein System, das von der EU-Kommission überwacht wird", sagt er. "Deshalb glaube ich, dass das mehr ist als freiwillige Selbstkontrolle."

Für alte Hasen im Lobbygeschäft wie Hermann Drummer ist das Register keine schlechte Sache. Seriöse Unternehmen hätten damit keine Probleme, meint Drummer: "Ich bekomme alle meine Termine, die ich haben will. Ich finde immer Gesprächspartner, die in hohem Maße kooperativ und gesprächsbereit sind. Ich habe keinen Wunsch offen." Interessengruppen wie Lobbycontrol, die für die Beschränkung und Überwachung vor allem der Wirtschaftslobbyisten eintreten, geht das neue Register nicht weit genug. So müssen zum Bespiel nur Unternehmen, nicht aber einzelne Mitarbeiter gemeldet werden. Honorare und Finanzmittel werden nur mit Pauschalsummen angegeben.

Keine pauschale Geißelung

Starke Sanktionen sind beim Verstoß gegen den Verhaltenskodex von Ehrlichkeit und Transparenz nicht vorgesehen. Trotzdem hofft Heidi Klein von Lobbycontrol, dass trojanische Pferde besser aufgespürt werden können. "Die haben sich ausgegeben als Bürgerinitiative, die sich für starke Patentrechte einsetzt. Tatsächlich war es eine Kampagne, die von SAP und Microsoft, also großen Softwarefirmen, betrieben wurde." Das habe man offen gelegt. Seitdem gebe es diese Kampagne nicht mehr. "Natürlich werden diese Interessengruppen weiter ihre Lobbyarbeit betreiben, aber nicht mehr unter dem Namen." Nun wollen die EU-Kommission, das Parlament und auch der Ministerrat, die Vertretung der Mitgliedsstaaten, an einem gemeinsamen Register arbeiten, um Lobbyisten unnötige Bürokratie zu ersparen. EU-Kommissar Sim Kallas sagt, man könne noch einiges verbessern, es ginge aber nicht darum, Lobbyismus pauschal zu geißeln oder abzuschaffen. Transparenz sei schließlich keine Hexenjagd.