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EU-Gegner in Großbritannien sorgen für Überraschung

14. Juni 2004

In zahlreichen EU-Staaten haben die Bürger die Europawahl zur Abrechnung mit ihren nationalen Regierungen genutzt. In Großbritannien erreichte die europafeindliche UKIP überraschend 18 Prozent.

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Wahlschlappe für Blair - Anti-Europäer triumphierenBild: AP


Bei der Europawahl in Großbritannien haben die EU-Gegner ersten Angaben zufolge ein triumphales Ergebnis erzielt. Die bisher eher unbedeutende UK Independence Partei (UKIP), die einen EU-Austritt Großbritanniens fordert, kam auf 18 Prozent und nahm vor allem den konservativen Tories zahlreiche Wählerstimmen ab, wie eine am Sonntagabend veröffentlichte Nachwahlbefragung des TV-Senders Sky News ergab. Die regierende Labour-Partei von Premierminister Tony Blair verlor demnach gegenüber der Europawahl 1999 sechs Prozentpunkte und kam auf 22 Prozent der Stimmen, die oppositionellen Konservativen verloren sogar 14 Prozentpunkte und kamen ebenfalls auf 22 Prozent.

Anstieg für Rechtsextreme

Bei der Europawahl 1999 hatte die UKIP nur 6,7 Prozent der Stimmen erzielt. Auch andere kleinere Parteien verzeichneten den Angaben nach Zuwächse, unter ihnen die Grünen, die auf acht Prozent kamen und die Rechtsextremen, die bei vier Prozent lagen. Für die Rechtsextremen bedeutet das einen Anstieg um drei Prozentpunkte. Die Liberaldemokraten profitierten der Nachwahlbefragung zufolge nicht vom Verlust der Labour-Partei und der Tories und landeten mit 14 Prozent auf dem vierten Platz.

Europawahl 2004 Wahlwerbung der UK Independence Party
Wahlwerbung der UK Independence Party

Schon bei den Kommunalwahlen hatte Blairs Labour-Partei eine schwere Schlappe einstecken müssen, was zu großen Teilen mit der umstrittenen Irak-Politik begründet wurde. Im Bereich der EU-Politik hatte Blair den Briten eine Volksabstimmung über die EU-Verfassung versprochen.

Große Parteien mit Einbußen

In Frankreich und Deutschland bekamen die wichtigsten Regierungsparteien am Sonntag (13.6.2004) nur etwa die Hälfte der Stimmen der größten Oppositionskraft. Die UMP des französischen Präsidenten Jacques Chirac erlitt damit bereits die zweite Niederlage in knapp drei Monaten. In Deutschland rutschte die SPD von Bundeskanzler Gerhard Schröder Hochrechnungen zufolge auf das schlechteste Ergebnis bei einer bundesweiten Wahl überhaupt ab. Wenn regierende Parteien hinzugewannen, dann meist erst kürzlich gewählte wie in Spanien und Griechenland. Die Wahlbeteiligung erreichte einer EU-Prognose zufolge wegen des geringen Interesses in den zehn neuen EU-Staaten mit 44,6 Prozent ein historisches Tief.

Sechs Länder - Großbritannien, Irland, Litauen, Malta, die Niederlande und Tschechien - haben bereits in den Tagen zuvor gewählt. Vorläufige Ergebnisse und Hochrechnungen zeigen, dass auch dort die Wähler ihre jeweilige Regierung teils drastisch abstraften und Oppositionskräfte unterstützten.

Chiracs UMP kam Prognosen zufolge auf rund 17 Prozent der Stimmen, während die oppositionellen Sozialisten mehr als 30 Prozent bekamen. Die Linksparteien kamen insgesamt auf gut 42 Prozent, die bürgerliche Mitte dagegen nur auf knapp 38 Prozent. Ein Kurswechsel wurde wie in Deutschland aber nicht erwartet.

Innenpolitik Schuld an schlechten Ergebnissen

Der SPD-Spitzenkandidat Martin Schulz machte die Innenpolitik für das historisch schlechte Ergebnis seiner Partei verantwortlich. Die Europawahl sei EU-weit wieder zu einer Bilanzwahl für die nationale Regierung geworden, sagte er. Einer ARD-Umfrage zufolge gaben rund 30 Prozent der Wähler ihre Stimme unabhängig von der Europapolitik ab.

Die SPD kam Hochrechnungen zufolge auf unter 22 Prozent. Größte deutsche Fraktion im EU-Parlament wird weiter die der Union sein, möglicherweise konnte sie trotz Verlusten die absolute Mehrheit verteidigen. Die beiden Parteien erhielt rund 45 Prozent und damit gut dreieinhalb Prozentpunkte weniger. Die größten Gewinne konnten die Grünen verbuchen, die um gut fünf Prozentpunkte zulegen. Die Liberalen verdoppelten ihr Ergebnis von drei Prozent und ziehen nach über zehn Jahren wieder ins Parlament ein. Die PDS konnte ihr Ergebnis halten.

Schüssel verliert

In Österreich überholte die oppositionelle SPÖ die ÖVP von Bundeskanzler Wolfgang Schüssel, der als konservativer Kandidat für den Posten als EU-Kommissionspräsident gilt. Beide Parteien gewannen jedoch hinzu. Großer Wahlverlierer war Schüssels rechtspopulistischer Koalitionspartner FPÖ.

Gewinnen konnten die erst kürzlich gewählten Regierungen Griechenlands und Spaniens. Umfragen zufolge werden die Italiener wohl Ministerpräsident Silvio Berlusconi für seine

Unterstützung des von den USA angeführten Irak-Krieges abstrafen. Aus dem Stand heraus waren EU-kritische Listen erfolgreich. In Österreich schaffte der früher sozialdemokratische Abgeordnete Hans-Peter Martin mit einer eigenen Liste den Einzug ins Parlament, nachdem er Spesenabrechnungen seiner Kollegen kritisiert hatte. "Das schreit nach Aufräumen in Brüssel", sagte Martin. In den Niederlanden hatte der Kommissionsbeamte Paul van

Buitenen den Einzug ins Parlament geschafft. Er hatte einen Kampf gegen Betrug versprochen. Van Buitenens Vorwürfe hatten 1999 zum Rücktritt der EU-Kommission unter Jacques Santer geführt. (ali)