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EU im Kampf um faire Steuern

Bernd Riegert10. September 2016

Die EU-Finanzminister zeigen sich im Steuerstreit zwischen Brüssel und Apple fast einig. Bis auf Irland. Nun stehen Reformen an, die Steuervermeidung schwieriger machen sollen. Aus Bratislava berichtet Bernd Riegert.

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Angel Gurria, Peter Kazimir und Jyrki Katainen Copyright: picture-alliance/dpa/F.
Einigkeit in Bratislava: EU-Kommissar Katainen, der slowakische Finanzminister Kazimir, OECD-Chef GurriaBild: picture-alliance/dpa/F. Singer

Pierre Moscovici ist sehr zufrieden. "Als ich vor zwei Jahren mein Amt angetreten habe, haben alle Kollegen gesagt, im Steuer-Ressort könne ich nichts erreichen, weil alles sehr langsam geht und die Mitgliedsstaaten mauern", erzählt der zuständige EU-Kommissar am Rand des informellen Finanzminister-Treffens in Bratislava. Jetzt beobachte er, nicht erst nach dem 13 Milliarden Euro Paukenschlag gegen Apple und Irland, eine zunehmende Bewegung an der Steuerfront. "Die Öffentlichkeit macht Druck und fordert die faire Besteuerung von internationalen Konzernen." Bei den Staaten bewege sich etwas, frohlockt Pierre Moscovici, obwohl Irland und Apple im Steuerstreit Klage gegen die Europäische Kommission eingereicht haben.

Immer mehr Länder schließen sich der sogenannten "BEPS"-Initiative der großen Industrienationen an, die in der "Organisation für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit" (OECD) zusammengeschlossen sind. "Hier zeigen wir, dass die EU nötig ist. Denn niemand kann alleine gegen Steuervermeidung vorgehen. Dazu braucht man die EU und wahrscheinlich auch eine globale Zusammenarbeit", sagt Moscovici. BEPS soll weltweit für eine faire Besteuerung sorgen.

Irland Apple Campus in Cork Foto: PAUL FAITH/AFP/Getty Images
Auf grünen Wiesen: Die Idylle vor Apples Firmensitz in Cork täuscht. Der Konzern hat mächtig ÄrgerBild: Getty Images/AFP/P. Faith

Irland auf verlorenem Posten

Der irische Finanzminister Michael Noonan kann die Freude nicht ganz teilen. "Wir haben gegen die Entscheidung der EU-Kommission, von Irland und Apple Steuern nachzufordern, Klage eingereicht", ließ er die Finanzminister-Kollegen wissen. Irland bestreitet, dass die Kommission den Fall nach Wettbewerbsrecht beurteilen darf. In Wahrheit mische sich die Kommission in die geschützte Steuerhoheit eines Mitgliedslandes ein. Und das gehe nicht an. Pierre Moscovici wies die Angriffe aus Irland prompt zurück. Es gehe darum, dass nur Apple die extrem niedrigen Steuersätze gewährt worden seien und nicht auch anderen Unternehmen. Das sei eine unerlaubte staatliche Beihilfe durch die Hintertür. "Es geht nicht um eine politische Entscheidung gegen die USA, gegen amerikanische Unternehmen oder gegen die irische Regierung. Der Fall basiert auf Zahlen und Fakten."

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble Copyright: DW/B. Riegert
Schäuble: Reformpläne der EU zu Steuern sind "sehr gut"Bild: DW/B. Riegert

Schäuble: Steuersystem für digitale Wirtschaft

Der Prozess Irlands gegen die EU-Kommission vor dem Europäischen Gerichtshof werde extrem kompliziert werden und lange dauern, orakelte der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble. Er findet gut, dass die EU-Kommission gegen die Steuervorteile für Apple vorgeht. Ob es am Ende 13 Milliarden Euro oder mehr werden und ob auch andere EU-Staaten Forderungen gegen Apple anmelden können, will Schäuble erst einmal abwarten. "Natürlich prüfen wir auch in Deutschland", sagt Schäuble. Allerdings habe es solche Steuerentscheidungen wie in Irland weder für den US-Konzern Apple noch für andere Unternehmen gegeben. Die BEPS-Initiative zur fairen Besteuerung unterstützt Schäuble ausdrücklich. "Wir müssen auf diesem Weg vorangehen." Im kommenden Jahr will der deutsche Finanzminister die Entwicklung eines neuen weltweiten Steuersystems für Unternehmen anregen, die ausschließlich im Internet agieren. Wo ist zum Beispiel der steuerliche Sitz eines Unternehmens, das nur in der Cloud existiert, fragen sich Steuerexperten schon lange.

Boomendes Autoland Slowakei

EU will einheitliche Bemessungsgrundlage versuchen

Der EU-Steuerkommissar Pierre Moscovici will auch voran schreiten und bis Ende des Jahres eine einheitliche steuerliche Bemessungsgrundlage für alle Unternehmen in der EU schaffen. Welche Einkünfte sollen besteuert werden? Wo sollen sie besteuert werden? Wer sind die wahren Eigentümer der Unternehmen? Diese Fragen müssen europaweit, besser noch global, geklärt werden, glaubt Moscovici. Das leitende Prinzip müsse sein, dass Firmen dort besteuert würden, wo ihre Gewinne tatsächlich erwirtschaftet werden. Bislang können multinationale Unternehmen ihren Tochtergesellschaften in Steueroasen so lange Gewinne zu schieben, bis sie am Ende in den USA oder Europa gar nicht mehr steuerpflichtig seien.

Moscovici verspricht den Finanzministern: "Wir respektieren die Souveränität der Mitgliedsstaaten und werden keinen Mindeststeuersatz vorschlagen." Die EU-Kommission will also nur festlegen, dass ein Unternehmen besteuert werden muss. Wie viel es zahlt, entscheidet dann der einzelne Staat. Für Steuersätze ist Brüssel nämlich gar nicht zuständig. Eine ähnliche Initiative der EU-Kommission ist vor Jahren schon einmal am Widerstand der Mitgliedsstaaten gescheitert. Jetzt, nach dem Steuerskandal um Apple könnte es klappen, glaubt der französische EU-Kommissar.

Automatischer Austausch von Steuerdaten

Der Generalsekretär des Industriestaaten-Klubs OECD, Angel Gurria, war von der slowakischen EU-Ratspräsidentschaft nach Bratislava zur Berichterstattung über die BEPS-Initiative eingeladen worden. Er berichtete stolz, dass inzwischen 100 Staaten in über 3000 Abkommen den Austausch von Steuerdaten vereinbart hätten. Von September 2017 an werden die Auskünfte über Konten, Steuersätze und Steuervorbescheide automatisch ausgetauscht. "Wir schaffen Transparenz", sagte Angel Gurria. Veröffentlicht werden die Daten allerdings nicht. Sie sind nur für den internen Gebrauch der Steuerbehörden gedacht. Die Welt sei nicht nur durch Fälle wie Apple, sondern auch über Steuervermeidungsmodelle wie sie über Stiftungen in Panama abgewickelt wurden, aufgeschreckt, meint der OECD-Chef. Die Staaten hätten in den vergangenen Jahren vor allem durch Selbstanzeigen von Steuersündern rund 55 Milliarden Euro zusätzlich an Steuern eingenommen.

Flaggen von EU und Slowakei © Getty Images/AFP/S. Kubani
Steuersatz für Firmen in der Slowakei: 23 %, in Deutschland: ca. 30 %, in Irland: 12,5 %, für Apple aber nur 0,005 %Bild: Getty Images/AFP/S. Kubani

Irland hat die Wende eingeleitet

Der irische Finanzminister Michael Noonan war in Bratislava mit seiner Kritik an der Verfolgung von Steuervermeider Apple ziemlich allein auf weiter Flur. Die meisten Minister hielten es wie der niederländische Ressort-Chef Jeroen Dijsselbloem. "Meine Botschaft an die Unternehmen: ihr kämpft die falsche Schlacht. Ihr müsst nach vorne schauen. Ihr müsst eure Steuern zahlen, einen Teil davon in Europa, einen Teil davon in den USA. Bereitet euch darauf vor, das zu tun." Allerdings haben auch die Niederlande gegen eine ähnliche Entscheidung der EU-Kommission im vergangenen Jahr Klage eingereicht, ebenso Belgien und Luxemburg. Auch in diesen Fällen geht es um Konzerne aus den USA und Italien, die in den BeNeLux-Staaten äußerst niedrige Steuern zahlen.

"Es geht jetzt sowieso nur noch um die Aufarbeitung der Vergangenheit", sagte der irische Finanzminister Noonan im Gespräch mit Journalisten. Seit 2013 gibt es das beanstandete Steuervermeidungsmodell in Irland für neue Kunden nicht mehr. Das bestätigte auch der Generalsekretär der OECD, Angel Guria: "Sie haben es komplett abgeschafft." Heute sei Irland ganz vorne bei der Umsetzung der BEPS-Regeln zur fairen Besteuerung dabei. Und der gebeutelte irische Minister stellte nüchtern fest: "Irland gehört heute zu den führenden Ländern bei der Reform der Besteuerung."