Auf Bewährung
26. September 2006Da war noch eitel Sonnenschein, als im April 2005 ein bulgarischer Chor die Europahymne schmetterte. In Luxemburg wurden die Beitrittsverträge und Bulgarien und Rumänien feierlich unterschrieben. Doch seither hagelt es aus Brüssel von der EU-Kommission schlechte Noten. Die Reformen in Justiz und Verwaltung verlaufen nicht schnell genug. Besonders in Bulgarien wird nicht genug gegen Korruption und Schwerverbrechen unternommen, beklagte Olli Rehn der EU-Erweiterungskommissar. Im Juni 2006 setzte er eine letzte Frist: "Meine Botschaft an meine Freunde in Bulgarien ist, dass es jetzt Zeit ist, die Ärmeln hochzukrempeln."
Strenge Überwachung
Den Sommer über haben Verwaltung und Parlamente in Sofia und Bukarest nachgebessert, aber noch immer sind nicht alle Standards erreicht, heißt es jetzt im neuesten Bericht der EU-Kommission. Dennoch ist Erweiterungskommissar Olli Rehn entschlossen, den Beitritt der beiden relativ armen Länder zum 1. Januar 2007 zu empfehlen, so wie ursprünglich geplant. Allerdings werden zum ersten Mal in der Geschichte der EU so genannte Schutzklauseln angedroht. Damit könnte die Auszahlung von EU-Hilfen unterbrochen werden. Rumänien und Bulgarien sollen einer strengen Überwachung unterworfen werden. Beiden Staaten wirft die EU-Kommission vor, ihre Behörden seien auf die korrekte Verwaltung und Verteilung der EU-Mittel nicht ausreichend vorbereitet. Bis Ende März 2007 müssen Rumänien und Bulgarien nachweisen, dass Subventionen ausgezahlt werden können, ohne in dunklen Kanälen zu verschwinden. Der Leiter der Anti-Korruptionsbehörde in Rumänien, Staatsanwalt Daniel Morar, geht davon aus, dass sein Land noch lange mit Schmiergeld und Betrug kämpfen wird: "Die Korruption ist in Rumänien leider immer noch ein allgegenwärtiges Phänomen. In allen Bereichen wird Schmiergeld gezahlt, das ist in der Mentalität der Leute fest verankert. Wir richten unser Augenmerk jetzt auf die höheren und höchsten Ebenen. Wir kämpfen gegen korrupte Politiker, ermitteln in den Führungsetagen der Polizei und der Justiz."
Blamage abgewendet
Kritik gibt es auch an der Lebensmittelhygiene, der Lage der Roma-Minderheit und zu laschen Regeln für Adoptionen. Die EU-Kommission hätte den Beitritt um ein Jahr verschieben können. Das hätte aber eine Blamage für die Regierungen in Sofia und Bukarest und die Reformkräfte bedeutet. Der bulgarische Ministerpräsident Sergej Stanischew versprach bei einem Besuch in Brüssel, dass sein Land alle Hausaufgaben machen wolle: "Wir lernen immer dazu durch die Zusammenarbeit mit der Kommission. Wir werden stetig besser und ich glaube, dass wir ein gutes Mitglied der Union sein können."
Jetzt müssen die Mitgliedsstaaten das Beitrittsdatum noch förmlich billigen. In drei Staaten, Frankreich, Dänemark und Deutschland, muss der Beitrittsvertrag noch ratifiziert werden, was aber als Formsache gilt.
Drittel des Einkommens
Die durchschnittlichen Verdienste in Rumänien und Bulgarien liegen nur bei einem Drittel des EU-Durchschnitteinkommens, allerdings sind die Wachstumsraten der Wirtschaft hoch. Die Arbeitslosigkeit sinkt, während die Preise steigen. Wie viele der 8 Millionen Bulgaren und 22 Millionen Rumänien in ein anderes EU-Land ziehen wollen, um Arbeit zu suchen, ist unklar. Viele Alt-Staaten - darunter Deutschland und erstmals Großbritannien - wollen Rumänen und Bulgaren erst nach fünf Jahren Freizügigkeit einräumen. Solange werden nationale Arbeitsmärkte abgeschottet. Wenn überhaupt werden Rumänen und Bulgaren wohl eher nach Italien oder Spanien streben, wo die Arbeitserlaubnis wesentlich einfacher zu bekommen ist.
Nach dieser zweiten Osterweiterung ist für den EU-Kommissionspräsidenten Jose Barroso erst einmal Schluss. Mit 27 Mitglieder seien die jetzigen Institutionen am Ende ihrer Leistungsfähigkeit angelangt: "Ich glaube, es wäre unredlich mit der Erweiterung fortzufahren, ohne zuvor die Verfassungsfrage zu klären, weil diese Fragen immer drängender und wichtiger werden."
Verschlankung - und Aufstopfung
Die EU-Verfassung, die in Frankreich und den Niederlanden abgelehnt wurde, sieht verschlankte Institutionen und Verfahren vor. Dieses Junktim betrifft vor allem Kroatien, Mazedonien und später auch die übrigen Staaten auf dem westlichen Balkan.
Die EU-Kommission, die Verwaltungsspitze in Brüssel, wird im Januar zwei neue Mitglieder aus Bulgarien und Rumänien aufnehmen. EU-Kommissionspräsident Barroso ist derzeit dabei, den Ressortzuschnitt zu überdenken, damit alle dann 27 EU-Kommissare auch etwas Sinnvolles zu tun haben werden.