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E.T.A. Hoffmann

Heike Mund
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E.T.A. Hoffmann (Porträt: picture alliance / akg-images, Montage: Philip Kleine / Peter Steinmetz)
Bild: Fotomontage: DW

"Nichts war mir lieber, als schauerliche Geschichten von Kobolden, Hexen, Däumlingen usw. zu hören oder zu lesen. (…) Aber obenan stand immer der Sandmann, den ich in den seltsamsten, abscheulichsten Gestalten überall auf Tische, Schränke und Wände mit Kreide, Kohle, hinzeichnete."

Der Autor

Der Schriftsteller E.T.A. Hoffmann (Foto: picture alliance / dpa)
E.T.A. HoffmannBild: picture-alliance / dpa

Geboren am 24.Januar 1776 in Königsberg
Gestorben am 25.Juni 1822 in Berlin

"Ich bin das, was ich scheine und scheine das nicht, was ich bin, mir selbst ein unerklärliches Rätsel, bin ich entzweit mit meinem Ich." E.T.A. Hoffmann hatte viele Seelen in seiner Brust: widersprüchlich, miteinander zerworfen, sich zeitweise bekämpfend. Er war Dichter, Zeichner, Komponist, Musikkritiker und im Brotberuf Richter, getrieben in allem, was er tat, vom Wahnsinn der Perfektion. Die gewissenhafte Alltagswelt des preußischen Beamten stand der phantastischen Welt des leidenschaftlichen Künstlers gegenüber.

Hoffmann wächst in freudlosen, schwierigen Familienverhältnissen auf. Sein trunksüchtiger Vater, Gerichtsadvokat in Königsberg, verlässt die Mutter, als der Junge vier Jahre alt ist. Die nächsten 20 Jahre lebt er unter der strengen Vormundschaft seines Onkels, da seine Mutter nach der Scheidung in unheilbare Schwermut versinkt. 1782 kommt er auf die reformierte Burgschule in Königsberg. Die Lehrer erkennen seine zahlreichen Talente und fördern ihn: Er zeichnet Karikaturen, komponiert erste kleine Musikstücke und entdeckt für sich die Wunderwelt der Literatur. Mit 16 schreibt sich Hoffmann an der Universität Königsberg für das Jurastudium ein und besteht 1795 das erste juristische Examen. Er bekommt gleich eine ordentliche Anstellung am Obergericht, aber insgeheim will er nur eins: ein freies Künstlerleben führen. So oft es sein schmales Salär erlaubt, besucht er Opern und Theater-Vorstellungen, hört Konzerte. Der Zwiespalt bestimmt sein Leben: "Die Wochentage bin ich Jurist und höchstens etwas Musiker, sonntags wird am Tage gezeichnet. Abends bin ich ein witziger Autor bis spät in die Nacht."

Nach Affairen und einer unglückseligen Verlobung heiratet er 1802 Maria Thekla Rorer-Tryzynska, die Tochter eines polnischen Stadtschreibers, Aber kurz darauf setzt er seine sichere Anstellung in Posen durch einen Skandal aufs Spiel: Mit anzüglichen Karikaturen hatte er sich über die "feine Gesellschaft" mokiert. Noch in der Nacht als die Blätter zirkulieren, geht eine Eilstaffette nach Berlin: Er wird postwendend strafversetzt, seine Promotion aberkannt.

Federzeichnung von E.T.A. Hoffmann, undat. Blatt 2 aus einem Klebealbum mit Karikaturen und Skizzen (Foto: picture alliance / akg-images)
"Wilhelmchen greif dich nicht gar zu sehre an" - Federzeichnung von E.T.A.HoffmannBild: picture-alliance / akg-images


Bittere Armut ist die Folge. In Warschau bekommt er eine Chance: Hoffmann wird Mitglied der neu gründeten musikalischen Gesellschaft, entwirft Bühnendekorationen und führt zum ersten Mal den Dirigentenstab. Am 6.August 1806 wird seine einzige Sinfonie aufgeführt. Im selben Jahr marschieren die Franzosen in Preußen ein und besetzen die Stadt. Als sie von allen Beamten und Bürgern einen Ergebenheitseid verlangen, verweigert sich Hoffmann und muss daraufhin die Stadt verlassen. Er versucht in Berlin Fuß zu fassen, verkauft Zeitungen, bietet Musikverlagen seine Kompositionen an und bewirbt sich bei den Theatern – ohne Erfolg. 1808 dann ein Hoffnungsschimmer: Am Bamberger Theater wird ihm die Stelle als Kapellmeister angeboten, aber ein halbes Jahr später muss die Spielstätte Konkurs anmelden. Wieder ist seine finanzielle Sicherheit weg. Er entschließt sich, fortan die freie Schriftstellerei zu wagen. Im Januar 1809 erscheint in der "allgemeinen musikalischen Zeitung" seine erste Erzählung "Ritter Gluck".

1816 wird er durch Protektion Kammergerichtsrat in Berlin. Das üppige Gehalt lässt ihm zum ersten Mal genügend Zeit, seiner Schriftstellerei nachzugehen. Und er hat Erfolg: Seine Oper "Undine" wird am königlichen Schauspielhaus uraufgeführt. Aber schwer an Gicht erkrankt, kann er nur wie unter Fieber und mit schwindender Kraft schreiben. Seine letzen literarischen Texte diktiert er vom Lehnstuhl aus, an den er, fast vollständig gelähmt, gegen Ende seines Lebens gefesselt ist. Am 25.Juni 1822 stirbt er mit 46 Jahren. Er hinterlässt eine Menge Schulden – die meisten für Wein.

Der Text

Titelblatt E.T.A. Hoffmann: Der Sandmann (Germanistisches Institut der Universität Köln)
E.T.A. Hoffmann: Der SandmannBild: Germanistisches Institut Uni Köln/DW

Jeden Abend, wenn die Kinder nicht schlafen wollen, erzählt die Mutter von Nathanael vom Sandmann, der kommt und den Kindern die Augen ausreist. Als Student begegnet Nathanael die Sandmann-Geschichte wieder: Er muss sich nach einer Begegnung mit dem unbekannten Wetterglasschleifer wieder mit diesen Ängsten seiner Kindheit auseinandersetzen. Die Figur des bösen Advokaten Coppelius aus einem Albtraum, den er seit dem gewaltsamen Tod seines Vaters bei einem alchimistischen Experiment immer wieder träumt, taucht in der Gestalt dieses fremden Mannes wieder auf. Der versucht ihn mit der Hilfe von Olimpia zu verführen, aber die Schöne entpuppt sich als künstliche Holzpuppe, und es ist nicht mehr klar, ob es sich um eine wahnhafte Vorstellung oder die Realität handelt…

Die Erzählung "Der Sandmann" gehört zu Hoffmanns Sammlung von "Nachtstücken", die 1817 in Berlin erschien. Er knüpfte in diesem Text bewusst an die Tradition der trivialen Schauerromane an, die zu seiner Zeit der Hochromantik nicht nur in Deutschland, sondern auch in England bei Lesern sehr beliebt waren. Das trug ihm den Namen "Gespenster-Hoffmann" ein.

Der Sprecher

Der Schauspieler Wolfgang Rüter (Foto: Thilo Beu)
Wolfgang RüterBild: Thilo Beu

Bei Wolfgang Rüter bekommt das Wort "Leidenschaft" ganz hautnah seine eigentliche Bedeutung: Nicht nur auf der Bühne, sondern auch im Radiostudio ringt er vor dem Mikrofon gleichsam mit den Sätzen, spürt allen ihren Höhen und Tiefen nach und leidet mit seinem Protagonisten mit. Er gibt alles.

Geboren wurde Wolfgang Rüter im Ruhrgebiet, am 22.Mai 1950 in Castrop-Rauxel. Seine Ausbildung zum Schauspieler absolvierte er an der renommierten Folkwang-Schule in Essen, eine gute Empfehlung für schauspielerisches Handwerk. Danach folgten Engagements am Schauspiel Köln, am Düsseldorfer Schauspielhaus und jetzt am Schauspiel Bonn, wo er im festen Ensemble spielt. Neben der Bühnenarbeit ist er ein vielbeschäftigter Sprecher für Radio-Feature, Literaturlesungen und Hörspiele.

Die Klassiker - E.T.A. Hoffmann: Der Sandmann
Sprecher: Wolfgang Rüter
Produktion: interface studios, Köln
Regie: Heike Mund
Online-Realisation: Claudia Unseld
Redaktion: Gabriela Schaaf