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Krieg - und was nun?

8. April 2010

In Deutschland wird wieder über den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr diskutiert. Doch die Debatte geht am Kern des Problems vorbei, meint Nina Werkhäuser.

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Kommentar (Grafik: DW)
Bild: DW

Wieder einmal nimmt die Politik Anteil am Schicksal der deutschen Soldaten in Afghanistan, und wieder einmal greift die Debatte zu kurz. Es geht um Ausrüstung und Bewaffnung, könnten die nicht noch besser sein? In einem Anfall von verbaler Aufrüstung sieht die Politik schon schwere Kampfpanzer durch den afghanischen Sand rollen und schreibt alles auf den Wunschzettel, was die Leistungsschau der Rüstungsindustrie zu bieten hat. Sicher ein Aufschrei der Verzweiflung nach dem Tod von drei deutschen Soldaten am Karfreitag - aber einer, der nicht wirklich weiterhilft.

Das Gefecht um die beste Ausrüstung ist ein Scheingefecht, das nur spärlich verdeckt, woran es wirklich fehlt: An dem Eingeständnis, dass die Bundeswehr in Afghanistan nicht so weitermachen kann wie bisher. Wenn die Taliban sich trotz der Präsenz der Bundeswehr im Norden Afghanistans breitmachen und die deutschen Soldaten mit Minen, Sprengfallen und heimtückischen Hinterhalten bekämpfen, dann ändert das die Lage dramatisch: Dann geht es vorrangig um die Selbstverteidigung und nicht mehr um die Stabilisierung des Landes und den Wiederaufbau. Wenn jede Patrouille lebensgefährlich ist, dann kann die Bundeswehr nicht mehr viel ausrichten rund um Kundus und Masar-i-Scharif. Sie wird jedenfalls keine Offensive gegen die Taliban starten, denn dazu hat sie kein Mandat. Konsequenterweise müsste sie abziehen, wenn sie ihren Auftrag nicht mehr erfüllen kann: Das Einsatzgebiet sicher machen und die Bevölkerung schützen.

Die Bedingungen werden schwieriger

Das Jahr 2010 soll die Entscheidung bringen in Afghanistan. Mehr als 100.000 ausländische Soldaten sind bereits am Hindukusch aufmarschiert. Trotz aller Beteuerungen der NATO, Afghanistan sei militärisch nicht zu gewinnen, will der Westen das Land mit Gewalt ruhig stellen. Allerdings unter immer schlechteren Vorzeichen. Während ausländische, auch deutsche Soldaten in Afghanistan sterben, fällt Präsident Karsai den Verbündeten in den Rücken. Er stellt von langer Hand geplante militärische Operationen in Frage, er macht das Ausland für die Wahlmanipulationen verantwortlich und sympathisiert sogar mit den Taliban.

Es bedeutet nichts Gutes, dass Karsai, bekanntermaßen eine Marionette des Westens, ausgerechnet im wichtigen Jahr 2010 sein politisches Überleben auf diese Weise sichern will. Bisher baute der Einsatz der ISAF-Schutztruppe auf einem Grundkonsens zwischen der NATO und der Regierung in Kabul auf. Fällt er weg, dann steht der Einsatz in Frage, und es wird noch gefährlicher für die NATO-Soldaten, die von vielen Afghanen ohnehin als unerwünschte Besatzer geschmäht werden.

Muss der Einsatz neu ausgerichtet werden?

Zwar sichert die Bundeswehr quasi nur das Hinterland, während die Amerikaner und andere gegen die Hochburgen der Taliban vorrücken. Aber auch die Bundeswehr steckt in einer Sackgasse, und dafür trägt die Regierung einen guten Teil der Verantwortung. Sie hat Warnsignale wissentlich überhört, Probleme schön geredet und das Märchen vom erfolgreichen Stabilisierungseinsatz auch dann noch erzählt, als der Krieg längst ins deutsche Einsatzgebiet im Norden zurückgekehrt war. Nun darf der Krieg zwar endlich regierungsamtlich Krieg heißen, aber was folgt daraus für die Bundeswehr mit ihrem defensiven Auftrag? Eine ehrliche Antwort darauf ist die Regierung den Soldaten, die Tag für Tag ihr Leben riskieren, bisher schuldig geblieben.

Autorin: Nina Werkhäuser

Redaktion: Kay-Alexander Scholz