1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Glaube

„Es gibt noch viele Marlyns“

7. März 2019

Deutsche Männer reisen auf die Philippinen und missbrauchen Kinder: Sextourismus nennt man das. Ute Stenert von der katholischen Kirche über das Kinderschutzzentrum PREDA und die Solidarität Bonner Frauen mit den Opfern.

https://p.dw.com/p/3Ebcx
Frau mit Kind
Marlyn Capio (r.) hält Pia im Arm: beide wurden als Kind Opfer von Sextouristen. Das Kinderschutzzentrum PREDA in Manila bietet missbrauchten Kindern Zuflucht.   Foto: missio/FlitnerBild: Missio/Flitner

Marlyn geriet als Kind in der philippinischen Hauptstadt Manila in die Fänge eines brutalen Sextouristen. Der Missbrauch wäre niemals öffentlich geworden, wenn sie nicht Zuflucht im Kinderschutzzentrum PREDA gefunden hätte. Aufgebaut hat es der irische Pater Shay Cullen. Seit 45 Jahren setzt sich die von ihm gegründete Stiftung für Menschenrechte und für eine gerechte soziale Entwicklung ein. Dazu gehören die Verfolgung pädophiler Straftäter und die Hilfe für sexuell Missbrauchte. Er erwirkte, dass 1995 auf den Philippinen ein hartes Durchgreifen gegen den Handel mit Kindern angeordnet wurde. Er hat dazu beigetragen, dass auch in Deutschland eigene Staatsbürger strafrechtlich verfolgt werden, wenn sie im Ausland Kinder missbrauchen. So auch im Fall von Marlyns Peiniger. Der katholische Priester zeigte den flüchtigen Täter an, und der Pädosexuelle wurde verurteilt.

Marlyn hat Fürchterliches erfahren. Aber der Täter hat es nicht geschafft, sie zu brechen. Im Schutzzentrum, das vom katholischen Hilfswerk „missio“ unterstützt wird, hat sich die heute 37-Jährige einer Therapie unterzogen. Später nahm sie ein Studium auf. Mittlerweile gehört sie zu den wichtigsten Mitarbeiterinnen von PREDA. Für die Verzweifelten, die dort medizinische Versorgung und psychologische Betreuung finden, ist sie ein Vorbild.

„Ich habe es geschafft!“

Marlyn weiß, dass die Therapie langwierig und schmerzvoll ist. Mit den eindringlichen Worten „Schau mich an, ich habe es geschafft!“ motiviert sie jene, die Ähnliches wie sie erleben mussten. Zudem betreut sie auch eine Telefonhotline. Diese richtet sich vor allem an Kinder, die sich melden können, wenn sie sexuell bedroht werden. Wiederholt ist es ihr gelungen, mit Hilfe der Polizei Mädchen aus den Bordellen zu befreien. Marlyn ist eine starke und mutige Frau. Sie ist der Beweis, dass es sich lohnt, nicht aufzugeben, für sich und seine Würde und auch sein Seelenheil zu kämpfen. Sie ist auch der Beleg dafür, wie wichtig die Arbeit von PREDA ist.

Das findet auch der Club Bonn von Soroptimist International (SI). Unter diesem Namen haben sich weltweit berufstätige Frauen zusammengeschlossen. Rund 74.000 sorores optimae – lateinisch „die besten Schwestern“ – engagieren sich in 132 Ländern für Hilfsanliegen von und die Förderung von Bildungschancen für Mädchen und Frauen. So auch die sorores im SI-Club Bonn. PREDA hat die Clubschwestern sofort überzeugt. „Wir wollen einen Beitrag leisten, um sexuell misshandelten Frauen und Kindern auf den Philippinen den Weg in ein sicheres Leben zu ermöglichen“, sagt Ute Wenner, Präsidentin des SI-Club Bonn. „missio-Mitarbeiter haben von Marlyns Schicksal und ihrem schwierigen Weg zurück ins Leben berichtet. Die Willensstärke dieser Frau hat uns beeindruckt“, führt Ute Wenner weiter aus.

Kinder in Philippinischen Gefängnissen PREDA Malabon Rosie
Bild: PREDA

Marlyn ist kein Einzelfall. Deshalb möchte der SI-Club Bonn Kindern und jungen Frauen mit ähnlich grauenhaften Erlebnissen helfen. „Was wir erfahren haben, spornt uns an, Spenden für weitere Betreuungsplätze zu akquirieren“, erklärt die Präsidentin. Im vergangenen Herbst haben die sorores beispielsweise in der „Nacht der Bonner Kirchen“ Gelder gesammelt: „Jeder Beitrag ist hilfreich. Er ist zudem ein Zeichen der grenzüberschreitenden Solidarität mit Menschen in Not. Ein Zeichen auch, um Brutalität und Ausbeutung nicht ohnmächtig hinzunehmen.“

Solidarität mit den Opfern

Höhepunkt der Aktionen bildet ein Benefiz-Konzert am 16. März in der Lutherkirche in Bonn. Dafür konnte der Deutsche Welle Chor gewonnen werden. Sängerinnen und Sänger aus 20 Nationen singen Lieder aus aller Welt in der Originalsprache. Eindrucksvoll vermittelt der Chor, der sich als Friedensbotschafter zwischen Menschen und Kulturen versteht, die völkerverbindende Kraft der Weltsprache Musik.

Ohne Zweifel, der SI-Club Bonn leistet einen wichtigen ehrenamtlichen Dienst. Aber ist angesichts des unendlichen Leids weltweit nicht jegliches Engagement ein Tropfen auf dem heißen Stein? „Für Marlyn wurde der vermeintliche Tropfen zur Lebensquelle“, entgegnet Ute Wenner. Daher werden sich die Frauen weiter einbringen. Was treibt sie an? Die Soroptimistinnen unterstützen weder politische Parteien noch sind sie konfessionell ausgerichtet: „Bei uns sind Muslima, Christinnen, Atheistinnen und Agnostikerinnen vertreten. Und das Miteinander funktioniert bestens. Uns eint das gemeinsame Anliegen, sich für die Würde, Freiheit und Unversehrtheit aller Menschen einzusetzen. Denn es gibt noch viele Marlyns.“

 

Dr. Ute Stenert
Bild: Ute Stenert

Dr. Ute Stenert ist Rundfunkbeauftragte der Deutschen Bischofskonferenz und Geschäftsführerin der katholischen Rundfunkarbeit in Bonn. Seit über 20 Jahren ist sie freie Autorin für unterschiedliche Medien tätig.