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"Die Kassen voll, die Kirchen leer"

Christoph Strack18. März 2016

Kurien-Erzbischof Georg Gänswein hat der katholischen Kirche in Deutschland mangelndes Glaubenszeugnis vorgeworfen. Im DW-Interview sagte er, während "die Kassen voll sind", seien "die Kirchen leider immer leerer".

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Georg Gänswein - hier 2015 mit Bundeskanzlerin Angela Merkel
Georg Gänswein - hier 2015 im Vatikan mit Bundeskanzlerin Angela MerkelBild: Reuters/M. Rossi

Gänswein: "Irgendwo stimmt da was nicht." Heute müsse Kirche "den Glauben mutig verkünden" und nicht auf einen "Glauben light" setzen. Der 59-jährige Gänswein, seit rund 20 Jahren im Vatikan tätig, ist Präfekt des Päpstlichen Hauses von Papst Franziskus und arbeitet weiterhin als Privatsekretär für den emeritierten Papst Benedikt XVI.

Entweder fehlten dem Glauben "irgendwo die Wurzeln" oder die richtige "Wurzelnahrung", so der Erzbischof im deutschen Auslandssender. Im Vergleich zu anderen Ländern sei "zu wenig Glaubenszeugnis da". Ausdrücklich bemängelte Gänswein den schulischen Religionsunterricht in Deutschland. Zwar werde Religion als verpflichtendes Schulfach unterrichtet. Aber nach der Schule wüssten die jungen Leute von ihrer Religion "fast gar nichts".

Deutschland spielt "großartige Rolle" in der Flüchtlingsfrage

Der Erzbischof würdigte das deutsche Engagement für Flüchtlinge. Deutschland spiele eine "großartige Rolle", das müsse man anerkennen. Man schaue auf Deutschland "als das Land, in dem die ganze Frage der Migration vorbildlich angegangen wird – mit all der Not und all den Schwierigkeiten, die wir in den letzten Wochen gesehen haben", sagte Gänswein.

Die Verfolgung von Christen in der Gegenwart bezeichnete Gänswein als "allerhöchste Alarmstufe". In vielen Ländern müssten Menschen, weil sie Christen seien, um ihr Leben bangen. Papst Franziskus verweise immer wieder darauf, dass heute mehr Christen als je zuvor verfolgt würden.

Gänswein, während der gesamten Amtszeit von Papst Benedikt (2005 bis 2013) dessen Sekretär, äußerte sich auch zur Person von Papst Franziskus. Als Präfekt des Päpstlichen Hauses zählt Gänswein zu dessen engen Mitarbeitern. Vor allem, so der Kurien-Erzbischof, schätze er die Klarheit, mit der Franziskus spreche, und eine Menschlichkeit, die jeden berühre. Damit gewinne er auch außerhalb der Kirche viele Menschen.

Innerhalb des Vatikan gelte: "Es mag sein, dass einige mit der Schnelligkeit oder auch mit der Heftigkeit, mit der Papst Franziskus Dinge tut, Schwierigkeiten haben." Aber ein Gegenrudern könne er nicht erkennen.

"Reformation" als Begrifflichkeit "historisch belastet"

Mit Blick auf innerkirchliche Veränderungen unter Papst Franziskus wandte sich Gänswein gegen die Begrifflichkeit "reformieren" oder "Reformation". Diese sei "historisch etwas belastet" und scheine ihm "zu weit, zu schwammig und auch erklärungsbedürftig". Die katholische Kirche sei "kein Paddelboot", bei dem man schnell den Kurs verändern könne, sondern "ein großes Schiff". Das lenke man "mit Bedacht, mit Klugheit, auch mit Tiefe, mit Tiefgang". Daher erwarte er nicht, dass bei der Zölibatsverpflichtung unter Papst Franziskus "eine Änderung erfolgt". Dieses Thema bewege nach seinem Eindruck gar nicht "so viele Menschen".

Gänswein ging im DW-Interview auch auf Frage des Zugangs von wiederverheirateten Geschiedenen zu den kirchlichen Sakramenten ein. Dies sei "keine Weltfrage", so der Erzbischof. Er zeigte sich überzeugt, dass Franziskus "auf der Linie seiner Vorgänger, das heißt auch auf der Linie des kirchlichen Lehramtes, weiterschreitet". Voraussichtlich im April will der Vatikan ein umfassendes Schreiben des Papstes zum Thema Familie veröffentlichen.