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Die Zukunft des Stroms

1. Juni 2009

Immer mehr europäische Länder setzen bei der Stromversorgung auf erneuerbare Energien. Sonne, Wind, Wasser und Biomasse könnten bald die "alten" Energiequellen wie Kohle und Kernkraft weitestgehend vom Markt verdrängen.

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Eine große Solaranlage (Foto: AP)
Die Zukunft gehört den erneuerbaren EnergienBild: AP

Es gibt ein paar Tage im Jahr, da ist Deutschland nah dran an der Zukunft der Energieversorgung. An Heilig Abend zum Beispiel, wenn die Förderbänder in Fabriken abgeschaltet und die Kerzen am Tannenbaum angezündet werden, steht der ein oder andere deutsche Atomreaktor still. Wenn sich dann die Windräder in der kalten Winterbrise drehen, können sie an den Feiertagen bereits die Hälfte des Stroms produzieren, der benötigt wird. Ein Szenario, das immer öfter eintreten wird, wenn die ehrgeizigen EU-Klimaziele umgesetzt werden.

Die konventionellen Stromerzeuger stehen vor einer Bewährungsprobe: Bis zum Jahr 2020 soll der Anteil an erneuerbaren Energien am europäischen Strommix mindestens 35 Prozent betragen. Darüber hinaus bekommen die erneuerbaren Energien einen gesicherten Vorrang im Stromnetz. Diesen "prioritären Netzzugang" hat die EU in diesem Frühjahr formell in einer Richtlinie beschlossen.

Kohle nicht mehr rentabel

Eine Grafik, wie sich die fossilen und nukleare Stromproduktion verändern wird (Quelle: Branchenprognose 2020)

In Deutschland ist eine solche Regelung bereits in Kraft. Das ein oder andere Atomkraftwerk muss deshalb schon jetzt an windstarken Sonntagen vom Netz. Da in Zukunft neue Solarparks und Off-Shore-Windanlagen entstehen, müssen die konventionellen Kraftwerksbetreiber künftig immer öfter den Erneuerbaren weichen.

Die Lobby der großen Stromversorger müsste den Vormarsch der Erneuerbaren Energien deshalb mit Sorge betrachten, gibt sich aber kämpferisch: "Wir betrachten das als eine Herausforderung. Klar, dass damit Belastungen verbunden sind. Aber es gibt auch Chancen", glaubt Norbert Schneider, Repräsentant des Energiekonzerns Eon in Brüssel.

Was der Lobbyist aber nur ungerne zugibt, ist, dass die herkömmlichen großen Braunkohle- und Atom-Kraftwerke ein wirtschaftliches Problem bekommen, wenn ihre Energie auf dem Strommarkt nicht mehr so gefragt ist und ihre Kraftwerke nicht mehr rentabel unter Volllast laufen können. Trotzdem ist da von einem Umdenken noch wenig zu spüren. "Der Großteil der Energie wird nach wie vor aus den konventionellen Kraftwerken kommen", sagt Schneider und warnt außerdem vor einer Energielücke, wenn alte Kraftwerke abgeschaltet werden.

Überhebliche Stromlobby

Ein Kraftwerk hinter einem Rapsfeld (Foto: dpa)
Erneuerbare Energien sind umweltfreundlicher als beispielsweise KohlekraftwerkeBild: picture-alliance / dpa

Umweltverbände glauben nicht an das Horrorszenario der Energielücke. Sie sind überzeugt, dass eine sichere Energieversorgung auch mit Sonne, Wind und Biomasse möglich ist. Selbst dann, wenn bis zur Jahrhundertmitte 88 Prozent des EU-Stromsektors von erneuerbaren Energien abgedeckt werden, wie Greenpeace in einer Studie prognostiziert hat. Von den Großkonzernen wird diese Vision gerne lächelnd als Öko-Spinnerei abgetan.

Für die Brüsseler Umweltlobby ist das überhebliche Gebaren der Stromlobby allerdings nur ein Indiz dafür, dass die Stromkonzerne den Verlust von Marktanteilen fürchten. Das glaubt zumindest Frauke Thies, Expertin für Erneuerbare Energien von Greenpeace in Brüssel: "Da sieht man einige Unternehmen, die immer noch mit den Strategien rausgehen: Wir brauchen mehr Atomkraft, wir brauchen mehr Kohlenstoffspeicherung, bloß um klarzustellen: Wir brauchen unseren Platz im Energiemix. Und bitte Europäische Kommission und bitte Rat, erkennt das an und gebt uns einen Platz", sagt sie.

Strom ohne Nebenwirkungen

Eine Grafik zum Thema Strommix im Jahr 2020 (Quelle: Branchenprognose 2020)

Dabei werden erneuerbare Energien immer konkurrenzfähiger. In einigen Regionen und zu manchen Zeiten ist Windenergie schon günstiger als konventioneller Strom. Aus rein volkswirtschaftlicher Sicht sei das schon lange so, meint Frauke Thies: "Erneuerbare Energien haben nicht die Nebenwirkungen, die Kohle und Atom haben, zum Beispiel die Auswirkungen auf das Klima, die CO2-Emissonen, die nuklearen Abfälle, die entsorgt werden müssen. Aus gesamt politischer Sicht lohnen sich erneuerbare Energien heute schon."

Es dürfte spannend werden, ob die EU-Mitgliedstaaten und ihre Energieunternehmen trotzdem auf Dauer an den unflexiblen und unwirtschaftlichen Kohle- und Atomkraftwerken festhalten. Schon in wenigen Jahren wird ein Großteil des Stroms aus Sonnenenergie kommen. Zumindest im Sommer wird sich der Betrieb der alten Groß-Kraftwerke wegen mangelnder Auslastung dann kaum noch lohnen. Zugeben will das der Eon-Lobbyist in Brüssel nicht. Das lässt zwei Interpretationsmöglichkeiten offen. Erstens: Die Stromkonzerne haben noch nicht realisiert, was auf sie zukommt. Oder zweitens: Sie wollen einfach nicht drüber reden.



Autorin: Silke Schmidt
Redaktion: Andreas Ziemons/Julia Kuckelkorn