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Erleichterung bei Lieferanten der Autobranche

23. August 2016

Nachdem sich Volkswagen mit den Zulieferern der Prevent-Gruppe geeinigt haben, reagieren andere Zulieferer erleichtert. Die Folgen des Lieferstopps haben auch sie schon zu spüren bekommen.

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Deutschland Wolfsburg Produktion VW Golf VII
Bild: picture-alliance/dpa/J. Stratenschulte

Die Einigung zwischen Volkswagen und zwei Lieferanten lässt eine ganze Branche aufatmen. "Das ist ein gutes Signal für den Automobilstandort Deutschland", sagte Volker Schmidt, Hauptgeschäftsführer vom Arbeitgeberverband NiedersachsenMetall, am Dienstag in Hannover. "Unsere Zulieferer haben mit großer Erleichterung auf die Einigung reagiert." VW und zwei Firmen der Prevent-Gruppe verständigten sich am Vormittag nach einem Verhandlungsmarathon auf ein Ende des Lieferstopps. "Jetzt herrscht Planungssicherheit", sagte Schmidt. "Es ist wichtig, dass sich die Partnerschaft an einem fairen Ausgleich orientiert und keine Seite überfordert wird."

Die Einigung erfolgte nach stundenlangen Verhandlungen, die am Montag begonnen hatten und sich auch die Nacht hindurch zogen. Zu Details äußerten sich beide Seiten allerdings nicht. "Über die Inhalte der Einigung wurde Stillschweigen vereinbart", hieß es in der gemeinsamen kurzen Mitteilung von Volkswagen und den beiden zur Prevent-Firmengruppe gehörenden Zulieferunternehmen CarTrim und ES Automobilguss aus Sachsen.

Abhängigkeit in beide Richtungen

In der Autobranche ist der Wettbewerbsdruck hoch: Die Konzerne fordern von ihren Zulieferern regelmäßig Preisnachlässe - besonders große Hersteller, die viele Millionen Fahrzeuge produzieren, können ihre Marktmacht ausspielen. Umgekehrt sind die Autobauer von ihren Lieferanten abhängig, denn rund drei Viertel der Teile stammen nicht von demjenigen Konzern, der seine Marke auf die Motorhaube montiert. Ob Stoßstange, Scheinwerfer, Sitz oder Schiebedach, ob Bremsen, Bordnetz, Getriebe- oder ganze Karosserieteile - vielfach werden sie einbaufertig und zeitgenau an die Bänder der Autofabriken gebracht.

Mitarbeiterinnen des westukrainischen Werks des deutschen Autozulieferers Leoni
Viele Teile werden zugeliefert, beispielsweise Kabelsysteme von Leoni aus der Westukraine.Bild: DW/Halyna Stadnyk

VW hatte wegen des Lieferstopps zweier Firmen der Prevent-Gruppe für fast 30.000 Mitarbeiter Kurzarbeit angekündigt. Produktionsausfälle brächten rasch weitere Zulieferer in Bedrängnis, erläuterte Christoph Feldmann, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik (BME) am Montag in Frankfurt.

Allein bei der Produktion des wichtigsten VW-Modells Golf seien rund 500 Lieferanten beteiligt, "Die Folgewirkungen für die gesamte Wertschöpfungskette sind schon heute beträchtlich", sagte Feldmann. Wegen des Produktionsstillstands bei VW könnten die Firmen ihre Teile nicht ausliefern und müssten Bestände aufbauen.

Umsatzeinbußen bei Continental und Leoni

Viele Zulieferer wie der Reifenhersteller Continental oder der Kabelspezialist Leoni prüften deshalb die Auswirkungen auf ihr Geschäft und ihre Möglichkeiten, flexibel zu reagieren. Leoni rechnet mit einem Umsatzausfall von maximal 500.000 Euro im Zusammenhang mit den Problemen bei VW. "Wir gehen davon aus, dass die Bedarfe jedoch nachgeholt werden", erklärte der Nürnberger Zulieferer.

Hannover: Continental Reifen gestapelt
Produktionsteile anderer Zulieferer stapeln sich.Bild: picture-alliance/dpa/J. Stratenschulte

Der Zusammenprall

Unter Lieferanten gilt VW in Verhandlungen als besonders harter Knochen. Mit einem Einkaufsvolumen von 149 Milliarden Euro verfügt der Konzern über große Marktmacht. Außerdem sei der Einkauf eine zentrale Erfolgsgröße, sagte der Autoexperte Ferdinand Dudenhöfer dem Handelsblatt in seiner Dienstagsausgabe. Wenn VW seine Einkaufskosten nur um ein Prozent drücken könnte, stiege dadurch der Konzerngewinn um 1,5 Milliarden Euro, so Dudenhöfer. "Bisher hat es niemand gewagt, sich mit den mächtigen VW-Einkäufern anzulegen", zitiert das Handelsblatt einen deutschen Autozulieferer.

Auch die Prevent-Gruppe eilt der Ruf voraus, hart im Verhandeln zu sein. Die Einkäufer aus dem Wolfsburger Konzern legten zwar mitunter "rustikales Vorgehen" an den Tag, seien aber "nicht unnatürlich preisaggressiv", sagte ein Brancheninsider. "Es ist ein hartes Business - und das mit jedem Kunden." Man versuche immer, sich zu einigen, "damit am Ende des Tages beide Seiten vernünftig leben können." Denn sowohl die Autobauer als auch ihre Lieferanten brauchen hohe Renditen, um Geld in neue Technologien oder Werke stecken zu können.

VW macht Fehler

Autoexperte Dudenhöffer sieht nach dem Streit beide Seiten beschädigt. "Der eigentliche Grund für die Posse liegt aber auf dem VW-Einkaufssystem", sagte der Wirtschaftsprofessor. Besonders kritisiert er, dass VW sich bei manchen Teilen auf nur einen Zulieferer verlasse. Nach dpa-Informationen hat der Autobauer bei einem der fraglichen Teile des Streits nur einen Lieferanten gehabt.

Das Prinzip ist in der Branche bekannt als "Single Sourcing" (Einzelquellenbeschaffung). "Wenn man einen Fall findet, bei dem ein Weltmarktführer mit mehr als 600.000 Beschäftigten sich von einer 500 Mann-Bude abhängig macht, sprechen alle Regeln der Statistik dafür, dass mehr solcher Fälle im Karton schlummern", sagte Dudenhöffer.

iw/hb (rtr, dpa, Handelsblatt)