Rasende Leidenschaft
5. Juli 2007Sport ist ein perfektes Umfeld für dramatische Heldengeschichten. Leidenschaft, harte Arbeit und auch ein bisschen Glück gehören dazu, und wenn dann der Held auch noch aus ärmlichen Verhältnissen stammt, ist die Geschichte vom schwierigen Aufstieg vollkommen. Genau so verlief das Leben des schottischen Radrennfahrers Graeme Obree, dem sich der britische TV-Regisseur Douglas Mackinnon in seinem Kinodebüt widmet.
Von ganz unten
Graeme Obree wächst als Sohn einer Arbeiterfamilie in der schottischen Provinz auf. In der Schule ist er ein Außenseiter, er wird von einer Jugendbande gehänselt und verprügelt. Als seine Eltern ihm zu Weihnachten ein Rennrad schenken, kann er nicht nur seinen Verfolgern entkommen, sondern es entsteht auch eine Leidenschaft, die ihn ein Leben lang begleiten wird - genauso wie seine psychischen Probleme, die er aus seiner schweren Kindheit davonträgt.
Jonny Lee Miller, bekannt als "Sick Boy" aus dem Film "Trainspotting", spielt den erwachsenen Graeme Obree. Gerade in einer Begegnung mit seinen alten Peinigern aus Schulzeiten zeigt sich seine einfühlsame Darstellung. Die Szenen, in denen Obree mit sich und seiner Psyche hardert, wirken trotzdem oft aufgesetzt, was aber vor allem an ihrer Kürze und der regelmäßigen Wiederkehr liegt.
Glaubhaft verkörpert Miller die Besessenheit, mit der Obree nach dem Konkurs seines Fahrradladens anfängt an einem schnellen Rennrad mit spezieller, nach vorne gebeugter Sitzposition zu basteln - zum Teil mit Waschmaschinenschrott. Obree will mehr gewinnen als die lokalen Straßenrennen: Er will den seit neun Jahren bestehenden Weltrekord im Bahnradfahren brechen.
Gegen alle Widerstände
Auf den Weg nach oben begleiten Obree sein Freund und Manager Malky (Billy Boyd), seine Frau Anna (Laura Fraser) und der Priester Douglas Baxter (Brian Cox), der beigeisterter Radsportfan ist und Obree seine Werkstatt zur Verfügung stellt. Die Nebenfiguren sind meist liebenswert, wirken zum Teil aber überzeichnet. Das zeigt sich vor allem an dem bayerischen Radsportfunktionär Ernst Hagemann (Steven Berkoff), der in der Orginalversion des Films mit einem klischeehaften deutschen Akzent spricht.
Bei seinem Kampf gegen psychische Probleme und gegen die intriganten Sportfunktionäre des internationalen Radsportverbands erlebt Obree Höhen und Tiefen. Aber die Geschichte des Underdogs, der trotz aller Schwierigkeiten nicht aufgibt, hat man schon oft gesehen - und der Film schafft es leider nur selten, das Potenzial dieser wahren und spannenden Ereignisse zu nutzen. Auch Nahaufnahmen vom schweißtreibenden Training und von den rasanten Radrennen hinterlassen eine kühle Distanz beim Zuschauer.
Bodenständiger Charme
"The Flying Scotsman" hat einen eigenen bodenständigen Charme, gerade wenn die verrückte Idee, mit einem selbst gebauten Rennrad Sportgeschichte zu schreiben, in einem kleinen schottischen Wohnzimmer mit gemusterter Tapete geboren wird. Der sympathische und kämpferische Obree wirkt wie ein Abziehbild eines Radprofis, den man sich heutzutage angesichts der derzeitigen Entwicklung im Radsport wünschen würde. So sagt ein Funktionär auf die Nachfrage, ob Obree vielleicht dope: "Er nimmt gar nichts. Wir haben sogar eines seiner Sandwiches getestet - nur Orangen und Zucker."