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Erdogan säubert auch Staatsfernsehen

18. Januar 2014

Erst ließ der türkische Premier Erdogan hohe Polizei- und Justizbeamte zwangsversetzen, jetzt sind Bankenaufseher und Fernsehleute ihre Jobs los. In Istanbul wurde eine Kundgebung gegen Korruption gewaltsam aufgelöst.

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Türkei Erdogan
Bild: Getty Images

Nach Massenentlassungen bei Polizei und Justiz hat die türkische Regierung jetzt wichtige Funktionsträger bei staatlichen Aufsichtsbehörden und Medien auf die Straße gesetzt. Wie türkische Medien berichten, wurden drei Spitzenbeamte der Bankenaufsicht BDDK ihrer Ämter enthoben. Bei der Regulierungsbehörde für Telekommunikation (TIB) hätten fünf Abteilungsleiter gehen müssen, beim staatlichen Fernsehsender TRT seien sogar zwölf leitende Redakteure und Abteilungsleiter vor die Tür gesetzt worden.

Erdogan will die Ermittlungen kontrollieren

Die Entlassungen stehen offenbar im Zusammenhang mit dem Korruptionsskandal, der die Regierung von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan seit Wochen erschüttert. Mit der Säuberungsaktion will die Regierung die Ermittlungen unter Kontrolle bringen, die Erdogan als Verrat kritisiert hatte.

Mit Wasserwerfern und Tränengas geht die Staatsmacht in Istanbul gegen die Erdogan-Gegner vor (foto: dpa/EPA)
Mit Wasserwerfern und Tränengas geht die Staatsmacht in Istanbul gegen die Erdogan-Gegner vorBild: dpa

Istanbuler Staatsanwälte hatten Mitte Dezember dutzende Verdächtige festnehmen lassen, darunter auch die Söhne zweier Minister, die daraufhin zurücktraten. Bei dem Skandal geht es unter anderem um die Bestechung von Politikern, um illegale Goldgeschäfte der staatlichen Halkbank mit dem Iran zu verheimlichen, sowie um illegale Bauvorhaben.

Machtkampf mit Gülen?

Beobachter vermuten dahinter einen Machtkampf zwischen dem islamisch-konservativen Regierungschef Erdogan und den Anhängern seines Rivalen Fethullah Gülen. Diese sollen in zahlreichen Schlüsselpositionen in Justiz, Verwaltung und Wirtschaft sitzen.

Erdogan hat seinem früheren Verbündeten und heutigen Erzfeind, der inzwischen im Exil in den USA lebt, sowie dessen islamischer Bewegung vorgeworfen, den Korruptionsskandal aus politischen Motiven inszeniert zu haben.

Türkei: Die Korruptionsaffäre

Schon eine Woche nach den Festnahmen im Dezember hatte die von der Regierung kontrollierte Polizei die Verhaftung von weiteren Verdächtigen im Korruptionsskandal abgelehnt. Inzwischen wurden die beteiligten Staatsanwälte abgelöst. Landesweit wurden zudem mehr als tausend Polizeibeamte versetzt. Gegner werfen Erdogan vor, die Ermittlungen damit behindern zu wollen.

In Istanbul ging die Polizei am Samstagabend gegen eine Kundgebung von Regierungsgegnern mit Wasserwerfern und Tränengas vor. Mehrere Parteien und Vereinigungen prangerten bei Demonstrationen die grassierende Korruption im Lande und die Verwicklung der Erdogan-Regierung an. Vereinzelt setzten sich die Aktivisten mit Steinen gegen die Sicherheitskräfte zur Wehr oder verschanzten sich hinter Barrikaden, wie ein Reporter der Agentur AFP berichtete. Es gab zahlreiche Festnahmen.

Zweifel an der Rechtsstaatlichkeit

In der Europäischen Union hat Erdogans Regierungsstil ernsthafte Sorgen um Demokratie und Rechtsstaatlichkeit des Beitrittskandidaten Türkei ausgelöst. Erdogan wird kommenden Dienstag zu einem Gespräch mit Kommissionspräsident José Manuel Barroso in Brüssel erwartet. Laut Diplomaten werden die Versetzungen von Staatsanwälten und Polizisten ein wichtiges Thema sein. Die Unabhängigkeit der Justiz ist eine Grundvoraussetzung für einen möglichen EU-Beitritt.

uh/re/sc (afp, dpa, rtr)