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Internet und Entwicklung

Martin Hoffmann27. September 2007

Werden sich äthiopische Bauern künftig via Net über die Getreidepreise informieren? Wie helfen Blogs einer Zivilgesellschaft? Ist Web 2.0 die Zukunft der Entwicklungshilfe? Fragen, die auf der Web2forDev gestellt werden.

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Afrikanische Kinder vor Computer.
Der Informationsaustausch per Computer - Hauptziel künftiger Entwicklungshilfe?Bild: picture-alliance/dpa

Das Treffen ist der erste Versuch, sich mit dem Einsatz internetgestützter Technologien in der Entwicklungshilfe auseinander zu setzen. Dazu sind Entwicklungshelfer, Wissenschaftler, Internetaktivisten und NGOs auf der Konferenz "Web2forDev" in Rom zusammen gekommen. Organisiert wurde die Konferenz mit 300 Teilnehmern von der Welternährungsorganisation FAO.

Die Möglichkeiten des Web 2.0 erscheinen tatsächlich wie geschaffen für die Anwendung in der Entwicklungshilfe. Sind in Entwicklungsgebieten einmal die Infrastruktur, Computer und Netzanschluss gegeben und die zukünftigen User im Umgang mit dem Internet geschult, könnten sie jederzeit auf von ihnen benötigte Informationen zugreifen, so die Vision. Auf lokaler Ebene könnten beispielsweise Bauern Wetterinformationen, Marktpreise, Kenntnisse über Bewässerungstechnik oder Schädlingsbekämpfung bekommen - und liefern. Die Entwicklungshilfe könnte ihrem alten Ansatz der "Hilfe zur Selbsthilfe" durch die neue Technologie einen Schritt näher zu kommen.

Internet hilft in Afrika

Afrikaner nutzen das Internet in einem Internetcafé.
Internet in Afrika: Kann die Entwicklung vorwärts bringen wie kein Kommunikationmittel zuvorBild: AP

Auch Kabissa folgt diesem Motto. Die Nichtregierungsorganisation (NGO) schult und berät Mitarbeiter afrikanischer NGOs, die sich für die Entwicklung zivilgesellschaftlicher Strukturen engagieren, bei der Nutzung des Internets. Mehr als 1100 Organisationen aus ganz Afrika hat Kabissa bisher in Anwendung, Webseitengestaltung und Internetrecherche geschult und beraten. Unter den beratenen NGOs, die dank Kabissa inzwischen eine Webpräsenz besitzen, finden sich Kinderschutzorganisationen aus Kamerun, Kriegsopferhilfeinitiativen aus dem Kongo oder Projekte gegen Jugendarbeitslosigkeit in Kenia. Das Internet soll die NGOs befähigen, sich mit anderen Organisationen abzustimmen und Informationen auszutauschen.

Die Zukunft der Entwicklungshilfe

Zwar werden die Möglichkeiten des Web 2.0 rund um den Globus von immer mehr Aktivisten und NGOs genutzt, um Entwicklung in den benachteiligten Regionen zu fördern. Der Zugang zu Wissen durch das Internet allein aber könne die herkömmliche Entwicklungshilfe nicht ersetzen, meint Rainer Thiele vom Kieler Institut für Weltwirtschaft. "Der Zugang zu Wissen ist sicher ein zentraler Punkt der Entwicklungshilfe, er muss aber in günstige Rahmenbedingungen eingebettet sein", sagt der Ökonom. "Die herkömmliche Entwicklungshilfe, den Bau von Brunnen und Schulen, wird es auch zukünftig geben."

Gute Idee - schwierige Umsetzung

Auf der "Web2forDev"-Konferenz gab man sich denn auch trotz der vielfältigen Möglichkeiten, die das Internet der Entwicklungshilfe bietet, nicht lange der Euphorie hin. Gleich am ersten Tag diskutierten die Teilnehmer einer Podiumsdiskussion über die Herausforderungen bei der Verbreitung und Anwendung der neuen Technik. Diskussionsteilnehmerin Dorothy Mukhebi aus Kenia brachte grundlegende Schwierigkeiten auf den Punkt: "Sie werden überrascht sein, wie viele Menschen noch nie etwas von E-Mails gehört haben." Außerdem sei es trotz der technischen Möglichkeiten schwer, jedem Nutzer relevante und verlässliche Informationen zu liefern.

Auch Christian Kreutz, Mitarbeiter der deutschen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) und Experte für Wissensmanagement weiß: "Die Schwierigkeiten sind unglaublich groß. Hauptprobleme bleiben die Netzinfrastruktur, die hohen Kosten und die mangelnde Medienkompetenz." Deshalb sei es auch wichtig, in Zukunft "Technologien voranzutreiben, um die Preise für die Internetzugänge absenken zu können", sagt der Entwicklungshelfer. Doch in aller erster Linie gelte es die Frage zu beantworten: "Was nützt mir die Technologie?" Da müssten die Entwicklungshilfeorganisationen noch viel Überzeugungsarbeit leisten, meint Kreutz.

Internet ist nicht konkurrenzlos

Afrikaner telefoniert mit einem Handy.
Handys sind das Kommunikationsmittel Nummer Eins in Afrika, weit vor dem InternetBild: dpa

Ohne Überzeugungsarbeit von außen verbreitete sich eine andere Kommunikationstechnik: das Handy. "Inzwischen werden über die Mobiltelefone eine Vielzahl von Geschäften abgeschlossen", beobachtete Rainer Thiele während seinen letzten Afrikaaufenthalten. "Auch darüber lassen sich etwa Informationen über aktuelle Preise bestimmter Güter einholen – und ein Mobiltelefon ist bedeutend billiger als die Anschaffung eines Computers, der dazu auch noch eine Internetverbindung benötigt". Deshalb setzen viele Entwicklungshelfer große Hoffnungen in die Entwicklung bezahlbarer Mischanwendungen wie internetfähige Handys.

Perspektiven des Web 2.0

Die Möglichkeiten des Web 2.0 sind langfristig gesehen jedoch überlegen. Konferenzteilnehmer Mike Pereira, Direktor einer amerikanischen NGO, sieht die Chance eines echten Austauschs. Die Entwicklungshelfer sollen zukünftig durch direkte Verbindungen über das Internet mehr über das Umfeld der Menschen erfahren, denen sie helfen. Das Netz solle keine Einbahnstrasse sein. Christian Kreutz sieht die Zukunft der Web 2.0 - Entwicklungshilfe in einer stärkeren Süd-Süd-Vernetzung. "Es werden sich viel mehr eigene Kontexte in eigenen Sprachräumen ergeben, zum Beispiel in Suaheli." Der Informationsfluss aus dem Norden wird so ergänzt oder gar irgendwann abgelöst.

Die Idee, dass im Web 2.0 die Zukunft der Entwicklungshilfe liegt, sagt Kreuz zu. "Ich finde den Gedanken gut. Ich glaube, da hat uns etwas ganz spannendes erfasst."