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Entwicklung heißt: Jeder kann sein Leben frei gestalten

Paul Zimmer
12. Dezember 2018

Die DW Akademie ist mit Projekten der Medienentwicklung weltweit im Einsatz für Meinungs- und Informationsfreiheit. Fragen an Carsten von Nahmen, seit September 2018 Leiter der Akademie.

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DW MA-Bild Carsten von Nahmen
Carsten von NahmenBild: DW/P. Böll

Welche thematischen Schwerpunkte setzt die DW Akademie?

Die grundlegende Überzeugung ist: Es gibt ein Menschenrecht auf freie Meinungsäußerung und auf freien Zugang zu Informationen. Leider sind Menschenrechte nicht für alle selbstverständlich. Wir erleben es oft, dass gerade in Ländern und Regionen, wo die Not am größten ist, kritische Stimmen und Vertreter von Minderheiten keine Möglichkeiten haben, sich Gehör zu verschaffen. Dabei kann gerade in Krisen- und Konfliktregionen guter Journalismus zu guter Regierungsführung beitragen: Wenn Medien unabhängig sind und fair berichten, Fakten liefern und einordnen, wenn sie unterschiedliche Perspektiven darstellen, Hintergründe recherchieren und Korruption aufdecken, tragen sie dazu bei, dass Menschen mehr Einfluss auf die Entwicklung ihrer Gesellschaft nehmen können. Die DW Akademie unterstützt weltweit nicht nur Journalisten und Medienmacher, sondern auch die Nutzerinnen und Nutzer. Wir wollen helfen, dass sie besser mit der immer unübersichtlicheren Flut von Informationen umgehen können und Falschmeldungen und Propaganda erkennen. Dabei unterstützen wir vor allem gesellschaftliche Minderheiten, Frauen und junge Menschen.

Entwicklung heißt für uns: Jeder Mensch kann sein Leben frei gestalten und Chancen zur Verbesserung der eigenen Situation nutzen. Denn in Gemeinschaften, in denen Menschen einen Weg finden, respektvoll miteinander zu kommunizieren, können sie gemeinsam Lösungen finden und Armut, Unterdrückung und Krisen überwinden. Das kann aber nur auf der Basis von verlässlichen Informationen gelingen. Diese Idee der „informed communities“ wird die Arbeit der DW Akademie in Zukunft stärker bestimmen.

Auf welche Formate und Methoden setzt die DW Akademie, um diese Ziele zu erreichen?

Artikelbild Weltzeit 1-2019: Entwicklung heißt: Jeder kann sein Leben frei gestalten
Medienkunde auf Khmer: Workshop-Teilnehmer in Kambodscha Bild: DW/U. Butmaloiu

Wir trainieren Journalisten und Medienmanager, beraten Nichtregierungsorganisationen, auch Reform-orientierte Regierungen und fördern Medieninitiativen und andere lokale Partner in rund 50 Ländern in Asien, Lateinamerika, Osteuropa, Afrika und dem Nahen Osten. Ermöglicht wird dieses Engagement vor allem durch die finanzielle Unterstützung des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ). Weitere Mittel erhalten wir vom Auswärtigen Amt und der Europäischen Union.

So unterschiedlich wie die Länder und Gesellschaften, so unterschiedlich sind auch die Formate und Methoden, mit denen wir arbeiten: An palästinensischen Schulen fördern wir den kritischen Umgang mit Medien, indem von uns weitergebildete Lehrer den Schülerinnen und Schülern zeigen, wie eine Nachricht entsteht und wie man Falschmeldungen erkennt. In Kambodscha haben wir zusammen mit einem lokalen Partner ein Lehrbuch für das Unterrichtsfach „Medienkunde“ in der Landessprache Khmer herausgegeben. Und in Kolumbien fördern wir journalistische Projekte zur Aufarbeitung des Bürgerkriegs.

Titelbild Weltzeit 1|2019; mit AusgabennummerTitelbild Weltzeit 1|2019; mit Ausgabennummer
Dieser Beitrag stammt aus dem DW-Magazin Weltzeit 1 | 2019: #Article19ForAll – Information braucht FreiheitBild: DW

Ein anderes Beispiel: In vielen Ländern ist für uns „Media Viability“ ein großes Thema. Wir wollen unabhängige Medien unterstützen, damit sie wirtschaftlich erfolgreich sein können. Wir beraten sie bei der Etablierung neuer Finanzierungsmodelle und helfen bei der Vernetzung mit anderen – das gilt für lokale Medien in Ghana ebenso wie für Bürgerradios in Guatemala. Denn die wirtschaftliche Überlebensfähigkeit von Qualitätsjournalismus und unabhängigen Medien ist zentral für das Überleben der Meinungsfreiheit.

In welche Richtung entwickelt sich die DW Akademie 2019?

Der digitale Wandel verändert natürlich auch die Ansprüche an die Entwicklungszusammenarbeit im Medienbereich. Im Internet und vor allem in den Sozialen Medien sind Informationen heute zu jeder Zeit und unmittelbar verfügbar. Das ist gut, birgt aber auch Risiken: Je spektakulärer eine Meldung ist, desto öfter und schneller wird sie von Nutzerinnen und Nutzern verbreitet. Dabei ist aber oft nicht klar, woher eine Nachricht kommt und wie verlässlich sie ist. Und wenn auf diesem Weg Falschinformation und Hassbotschaften verbreitet werden, wächst die Gefahr ethnischer, religiöser und gesellschaftlicher Konflikte.

Eine wichtige Säule unserer Arbeit bleibt deshalb die Vermittlung kritischer Medienkompetenz, der „Media and Information Literacy“ (MIL): Wir wollen, dass Menschen Medien souverän, kritisch und selbstbestimmt nutzen, nicht auf Falschmeldungen und auf Manipulation hereinfallen, sondern wichtige Entscheidungen auf der Basis von Fakten treffen können. Die Bedeutung von MIL wird wachsen.

Artikelbild Weltzeit 1-2019: Entwicklung heißt: Jeder kann sein Leben frei gestalten
Reformen unterstützen: Schulung zu ausgewogener Berichterstattung in TansaniaBild: DW/C. Achaye-Odong

Relativ neu ist die Frage nach digitalen Rechten. Das Internet bietet einen einzigartigen Raum für Diskussionen und Austausch. Das kann aber nur funktionieren, wenn niemand durch Hassrede oder Cyber Mobbing bedroht und eingeschüchtert wird. Bei unserem Projekt Women@Web in Ostafrika zum Beispiel bieten wir Trainings speziell für Frauen an und zeigen ihnen, wie sie sich vor Trollen und gegen Mobbing im Internet schützen können.

Wird auch die Förderung im Bereich Film fortgeführt?

Ja, die Film- und Kreativwirtschaft wird ein weiterer Schwerpunkt sein. Hier arbeiten wir schon seit einigen Jahren mit namhaften Regisseuren wie Tom Tykwer und Volker Schlöndorff zusammen. Dabei sind bisher unter anderem sechs Spielfilme entstanden. Vor allem wurden mehr als 1.000 Filmschaffende aus 18 afrikanischen Ländern trainiert, davon fast die Hälfte Frauen. Das heißt: Wir fördern nicht nur Filme, sondern in erster Linie Menschen. Diesen Ansatz wollen wir ab 2019 mit einer Reihe neuer Kooperationen weiterverfolgen.

Carsten von Nahmen ist die DW Akademie bestens vertraut: Rund zehn Jahre war er in der Medienentwicklung aktiv – ab 2005 als Leiter der Regionen Nahost/Nordafrika, dann Europa und Zentralasien und schließlich Afrika. Ab 2013 koordinierte er als Leiter der Medienentwicklungszusammenarbeit das operative Geschäft der DW Akademie. 2014 wurde von Nahmen Nachrichten-Chef und stellvertretender Chefredakteur. Ab Februar 2017 berichtete er als Korrespondent im DW-Studio Washington aus den USA.